Station 4.1: Prinzregentenstraße 66 / Gedenktafel für Walter Benjamin
Wir sind soeben an einem Wohngebäude vorüber gegangen, in dessen Vorgängerbau Walter Benjamin, einer der größten Kulturwissenschaftler des 20. Jahrhunderts, seine letzten Berliner Jahre verbracht hat. Dort hängt auch eine Gedenktafel, auf der steht:
In dem früher hier stehenden Haus
lebte von 1930 bis zu seiner Emigration 1933
WALTER BENJAMIN
15.7.1892 – 27.9.1940
Literaturkritiker, Essayist und Philosoph,
schrieb hier Teile der “Berliner Kindheit um 1900”.
Freitod an der französisch-spanischen Grenze
wegen drohender Auslieferung an die Gestapo
Walter Benjamin hat zahlreiche Bücher geschrieben und arbeitete für viele Zeitschriften und Zeitungen. Wie heute hatten viele Kulturschaffende auch schon damals Schwierigkeiten mit ihrer Arbeit ein auskömmliches Leben zu führen. 1933 ging Benjamin nach Paris ins Exil, wo ihn Hannah Arendt finanziell unterstützte. In Paris arbeitete Benjamin hauptsächlich an seinem Passagen-Werk. Bei Kriegsausbruch wurde Benjamin für drei Monate interniert. Nach seiner Freilassung bekam er über die Vermittlung von Max Horkheimer ein Visum für die USA. Er wollte über Spanien und Portugal in die USA reisen. Mit Hilfe einer Flüchtlingsorganisation gelang ihm die Flucht über die Pyrenäen. Im Grenzort Portbou erfuhr die Gruppe, dass sie zur Einreise nach Spanien eine Ausreisegenehmigung aus Frankreich benötige und alle zurückgeschickt werden sollten. Daraufhin nahm sich Benjamin am 26.9.40 in Portbou das Leben. Er ist dort auch beigesetzt.
Hier ein Auszug aus seinem Buch Berliner Kindheit um Neunzehnhundert, in dem Benjamin eine Markthalle beschreibt :
Hinter Drahtverschlägen, jeder behaftet mit einer Nummer, thronten die schwer beweglichen Weiber, Priesterinnen der käuflichen Ceres [römische Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit, M.L.], Marktweiber aller Feld- und Baumfrüchte, aller eßbaren Vögel, Fische und Säuger, Kupplerinnen, unantastbare strickwollene Kolosse, welche von Stand zu Stand mit einander, sei es mit einem Blitzen der großen Knöpfe, sei es mit einem Klatschen auf ihre Schürze, sei es mit busenschwellendem Seufzen, verkehrten. Brodelte, quoll und schwoll es nicht unterm Saum ihrer Röcke, war nicht dies der wahrhaft fruchtbare Boden? Warf nicht in ihren Schoß ein Marktgott selber die Ware: Beeren, Schaltiere, Pilze, Klumpen von Fleisch und Kohl, unsichtbar beiwohnend ihnen, die sich ihm gaben, während sie träge, gegen Tonnen gelehnt oder die Waage mit schlaffen Ketten zwischen den Knien, schweigend die Reihen der Hausfrauen musterten, die mit Taschen und Netzen beladen mühsam die Brut vor sich
durch die glatten, stinkenden Gassen zu steuern suchten. Wenn es dann aber dämmerte und man müde wurde, sank man tiefer als ein erschöpfter Schwimmer. Endlich trieb man im lauten Strom stummer Kunden dahin, die wie Fische auf die stachligen Riffe glotzten, wo die schwammigen Najaden [Nymphen, M.L.] sich’s wohl sein ließen.
In unserem Bezirk ist seit dem Jahr 2000 der Platz zwischen Leibniz- und Wielandstraße nach Walter Benjamin benannt.
Station 4.2: Prinzregentenstraße 32 / Oberstufenzentrum OSZ Wirtschaft Leopold-Ullstein-Schule
Das Oberstufenzentrum Wirtschaft Leopold-Ullstein-Schule ist auf mehrere Gebäude aufgeteilt: vorbeigegangen sind wir bereits an dem Gebäude mit den gelben Klinkern und auf der anderen Straßenseite gehört das Gebäude hinter der großen Grünfläche dazu. In der Leopold-Ullstein-Schule sind mehrere Schulen zur beruflichen Bildung untergebracht. In der Berufsschule des Oberstufenzentrums werden folgende Ausbildungsgänge angeboten: Industrie-, Informatik-, IT-Systemkaufleute, Kaufleute für audiovisuelle Medien, Medienkaufleute für digitale und Printmedien. In der mehrjährigen Berufsfachschule werden Industriekaufleute und kaufmännische Assistent*innen mit Fachhochschulreife ausgebildet. In der Fachoberschule erlangt man in ein bis zwei Jahren die Fachhochschulreife. In der einjährigen Berufsfachschule kann der Mittlere Schulabschluss und im berufsqualifizierenden Lehrgang der Schulabschluss nachgeholt bzw. die Berufsbildungsreife oder erweiterte Berufsbildungsreife erlangt
werden.
Leopold Ullstein, der Namensgeber des Oberstufenzentrums, gründete 1877 den bekannten Ullstein-Verlag. Zuerst war handelte es sich um einen reinen Zeitungsverlag, ab 1903 kamen auch Belletristik und Sachbücher hinzu. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 musste sich die Familie Ullstein 1934 von ihrem Unternehmen trennen, es wurde „arisiert“. Heute gehört der Ullstein-Verlag zur schwedischen Bonnier-Gruppe.
Station 4.3: Prinzregentenstraße 60 / Kläre-Bloch-Schule
Die Kläre-Bloch-Schule ist ebenfalls in dem Gebäude gegenüber untergebracht. Sie ist eine staatliche Abendschule zur Erlangung der Fachhochschulreife und der allgemeinen Hochschulreife. Sie ist insbesondere für Berufstätige gedacht. Es werden Spezialisierungen in den Fachrichtungen Wirtschaft, Technik und Sozialwesen angeboten.
Station 4.4: Prinzregentenstraße 33-34 / Ernst-Habermann-Grundschule
In dem alten Schulgebäude, an dem wir vorbeigegangen sind, ist heute die Ernst-Habermann-Schule. Architekt war Otto Herrnring, der es 1913 bis 1915 für das damalige 2. Reformgymnasium geplant hatte. Nachdem das Schulgebäude im Zweiten Weltkrieg erheblich beschädigt worden war, erfolgte 1950 bis 1951 der Wiederaufbau. Zunächst teilte sich die Rudolf-Diesel-Schule mit der Langhans-Oberschule das Gebäude. Nach deren Auflösung konnte die Rudolf-Diesel-Oberschule ab 1977 das gesamte Gebäude nutzen. Im Rahmen der Schulreform 2010 fusionierte die Rudolf-Diesel-Oberschule mit der Marienburg-Realschule und der Otto-von Guericke-Realschule. In das Gebäude hier zog zum Schuljahr 2014/2015 die Ernst-Habermann-Grundschule ein und ein kleiner Teil der Volkshochschule City West mit separatem Eingang und Aufzug. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.
Die Ernst-Habermann-Grundschule ist nach dem ehemaligen Bürgermeister von Wilmersdorf benannt. Habermann wurde 1907 vom Magistrat der Stadt Wilmersdorf zum Ersten Bürgermeister gewählt, 1909 verlieh ihm der Kaiser den Titel Oberbürgermeister. Auch nach der Eingemeindung von Wilmersdorf nach Berlin arbeitete er weiter in der Bezirksverwaltung. An seinem 90. Geburtstag 1956 erhielt er den Titel Stadtältester von Berlin. Er starb 1958.
Die Ernst-Habermann-Grundschule ist eine kleinere Schule mit 300 Schülern und Schülerinnen. Es gibt 12 Klassen, die von 19 Lehrern und Lehrerinnen unterrichtet werden, d.h. in einer Klasse lernen ungefähr 24 Kinder.
Station 4.5: Prinzregentenstraße 33-34 / Volkshochschule
1905 wurde die Volkshochschule in Charlottenburg eröffnet. Bereits seit 1901 gab es in der Technischen Hochschule Charlottenburg, der heutigen TU Berlin, Fortbildungskurse für Arbeiterinnen und Arbeiter. Der Magistrat Charlottenburg veranstaltete ab 1905 Arbeiterfortbildungskurse – in der Aula der damaligen I. Gemeindeschule in der Pestalozzistraße 89/90, in der Nähe der heutigen Zentrale der Volkshochschule. Diese Form der Erwachsenenbildung war in der damaligen Zeit beispielhaft. Noch 5 Jahre später beklagte der SPD-Abgeordnete Karl Liebknecht im Reichstag das Fehlen jeder staatlichen Initiative im Bereich der Volkshochschulbewegung, wie sie in anderen Ländern, zum Beispiel in Schweden bereits selbstverständlich war. Charlottenburg war also seiner Zeit weit voraus. Teilnahmeberechtigt waren zunächst nur männliche Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet hatten. Erst ab dem Sommersemester 1913 wurde auch Frauen die Teilnahme an Kursen gestattet. Im Gegensatz zur
Technischen Hochschule waren die Kurse der Stadt unentgeltlich.
Die Volkshochschule City West in ihrer jetzigen Form ist aus dem Zusammenschluss der Volkshochschule Charlottenburg und der Paul-Löbe-Volkshochschule Wilmersdorf entstanden. Sie hat mehrere Standorte: die Zentrale ist in der Pestalozzistraße 40-41, hier in der Prinzregentenstraße findet seit 2014 im 3. und 4. Obergeschoss ein kleiner Teil der Kurse statt.
Heute ist die Volkshochschule DIE Weiterbildungseinrichtung für lebenslanges Lernen im Bezirk: Jährlich finden ca. 1.700 Kurse statt, mindestens 22.000 Anmeldungen pro Jahr gehen in der Volkshochschule City West ein. Die Kursentgelte sind bewusst sozial verträglich kalkuliert und die Kurse sind dezentral im gesamten Bezirk verteilt, um kurze Weg zu den Angeboten zu sichern. Die Kurse setzen sich fast durchgängig international und über alle Altersgruppen hinweg zusammen, und traditionell sind 3/4 der VHS-Teilnehmenden Frauen.
Wir gehen nun in den Volkspark, biegen dann in den Weg rechts ein und werfen kurz vor der Volksparkbrücke einen Blick auf die Jugendverkehrsschule.