184. Kiezspaziergang

Von der Eissporthalle Charlottenburg zum U-Bahnhof Ruhleben

Bezirksstadtrat Oliver Schruoffeneger

Treffpunkt: Eissporthalle in der Glockenturmstraße 14, S 5 S-Bahnhof Pichelsberg Länge : ca. 3,5 km

Herzlich willkommen zu unserem 184. Kiezspaziergang. Mein Name ist Oliver Schruoffeneger. Seit 2016 gehöre ich dem Bezirksamtsgremium an, zuerst als Jugendstadtrat, jetzt als Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt. Ich werde heute mit Ihnen durch die Murellenschlucht wandern und auf den Murellenberg steigen. Dabei gehen wir teilweise auch auf dem Denkzeichenweg, den die Künstlerin Patricia Pisani zur Erinnerung an die Erschießungen von Deserteuren am Ende des Zweiten Weltkrieges gestaltet hat. Patricia Pisani wird auf dem Murellenberg zu uns stoßen und ihre Arbeit selbst vorstellen. Zum Schluss spazieren wir an der Fließwiese Ruhleben entlang. Schwerpunkt unseres heutigen Kiezspaziergangs sind die besonderen geologischen Formationen in diesem Gebiet und seine Flora und Fauna. Der Kiezspaziergang endet am U-Bahnhof Ruhleben.

Doch bevor wir beginnen, möchte ich Ihnen den Treffpunkt des nächsten Kiezspaziergangs mitteilen. Er wird wieder von Bezirksbürgermeister Naumann geführt und findet um 14 Uhr am Samstag, den 13. Mai 2017 statt, dem Tag der Städtebauförderung. Während des Spaziergangs werden Sie einen Teil von Charlottenburg-Nord erkunden. Ausgangspunkt ist der U-Bahnhof Halemweg. Dort wird das Planungsbüro Jahn, Mack & Partner einen Einblick in die geplanten Veränderungen in dem Block Halemweg, Heckerdamm, Heilmannring geben. Dann geht es zur Sühne-Christi-Kirche, wo Sie von einem Vertreter der Gemeinde empfangen werden. Von dort geht es weiter durch die Toeplerstraße zum Goebelplatz. Am Goebelplatz gibt es eine unter Denkmalschutz stehende Ladenpassage. Über den Geißlerpfad mit einigen Gebäuden von Fred Forbat und Paul Rudolf Henning geht es in den Volkspark Jungfernheide. Der Kiezspaziergang endet im neuen Familienzentrum am Heckerdamm 242, was sich noch im Umbau befindet.

Station 1: Eissporthalle Charlottenburg

Wir stehen hier vor der neuen Eissporthalle Charlottenburg. 2001 war die alte in der Jafféstraße abgerissen worden, als der Platz für die südliche Erweiterung des Messegeländes gebraucht wurde. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hat die Eissporthalle in der Glockenturmstraße in eigener Regie gebaut. Das Richtfest wurde am 26.11.2010 gefeiert und am 2.3.2012 wurde sie feierlich eröffnet. Mit dem Neubau der Eissporthalle wurde ein besonderes ökologisches Konzept verwirklicht. Unter anderem produziert ein Photovoltaikkraftwerk auf dem Dach fast 300.000 KWh sauberen Solarstrom pro Jahr. Der Schriftzug über dem Eingang wurde als Kunst am Bau von der Künstlerin Erika Klagge gestaltet.

Die Eissporthalle hat zwei wettkampftaugliche Eisflächen, die 30 × 60 m groß sind. Die Halle rechts ist draußen, aber überdacht. Dort findet im Winter der öffentliche Eislauf statt. Im Sommer steht sie zur allgemeinen Nutzung für den Inline- und Rollschuhsport zur Verfügung.
In der geschlossenen Halle gibt es eine Tribüne mit ungefähr 750 Sitzplätzen und 300 Stehplätzen. Dort trainiert der Eishockeyverein ECC Preußen Berlin.

Vor dem Krieg gehörte das Gelände hier zur Murellenschlucht. Nach 1948 wurde deren Südböschung und Teile der Schlucht mit Trümmerschutt verfüllt. Die Eissporthalle und der Erdgasspeicher links von hier liegen auf dieser Aufschüttung.

Wir gehen nun in Richtung Glockenturm und treffen uns beim nächsten Abzweig nach links bei dem ersten Verkehrsspiegel.

Denkzeichenweg / Anfang, 08.04.2017

Station 2: Denkzeichenweg / Anfang

Der Verkehrsspiegel, vor dem wir stehen, markiert den Ausgangspunkt des Denkzeichenwegs der in Berlin lebenden argentinischen Künstlerin Patricia Pisani. Die Verkehrsspiegel werden uns nun bis nach unten in die Murellenschlucht begleiten, dann geht der Weg rechts steil nach oben, während wir weiter durch die Schlucht gehen. Auf dem Murellenberg kommen wir auf den Denkzeichenweg zurück.

Am Murellenberg existierten militärische Anlagen mit Kasernen und Schießständen seit der Zeit um 1840. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Gelände von den Briten genutzt und heute teilweise von der Polizei. Unter den Nationalsozialisten wurde auf dem Murellenberg eine “Wehrmachtshinrichtungsstätte” errichtet. Dort wurden am Ende des Zweiten Weltkrieges Deserteure, Wehrdienstverweigerer und Befehlsverweigerer unterschiedlicher Dienstgrade standrechtlich erschossen. Die genaue Zahl ist nicht bekannt, ca. 230 sind bisher namentlich ermittelt. Viele der Exekutierten wurden im Spandauer Fort Hahneberg beerdigt.

Erst 1998 hob der Deutsche Bundestag per Gesetz die rechtsstaatswidrigen Urteile auf. Eine Initiative der evangelischen Kreissynode und einzelner Bürger bemühte sich seit 1994, später unterstützt von der Bezirksverordnetenversammlung, um die Errichtung einer Erinnerungsstätte. Im Herbst 2000 lobte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen Wettbewerb für das Mahnmal aus. Im März 2001 entschied sich die Jury einstimmig für den Entwurf von Patricia Pisani: 104 Verkehrsspiegel wurden entlang des Waldweges von der Glockenturmstraße am Olympiastadion bis in die Nähe des Erschießungsortes hinter der Waldbühne aufgestellt. Im Allgemeinen sollen Verkehrsspiegel einer Gefahr vorbeugen, in dem sie etwas sichtbar machen, was außerhalb des Blickfeldes liegt. Dies tun sie auch hier. Zudem sind auf 16 Spiegeln Texte eingraviert, die etwas über das Geschehen offenlegen. Achten Sie beim Weitergehen auf die Inschriften auf den Spiegeln.

Einer der 16 beschrifteten Spiegel steht vor dem ehemaligen Reichskriegsgericht, dem heute leerstehenden nachmaligen Kammergericht in der Witzlebenstraße und verweist auf die Geschehnisse im Gebäude und auf diesen Ort.

Auf dem Spiegel hier steht:

Im Zweiten Weltkrieg wurden von Wehrmachtgerichten etwa 30.000 Todesurteile verhängt und etwa 20.000 Todesurteile vollstreckt, zunehmend wegen Fahnenflucht oder Zersetzung der Wehrkraft.
Wir gehen nun ein kleines Stück weiter bis zur Treppe, die hinunter in die Murellenschlucht führt.

Murellenschlucht, 08.04.2017

Station 3: Eingang zur Murellenschlucht / Hinweistafel NSG Murellenschlucht: Höhen – Tiefen - Abgründe

Auf unserem Spazierweg werden wir auch auf einige Hinweistafeln zur Geologie und Flora und Fauna treffen. Die Texte sind von Andreas Langer. Auf der ersten Tafel steht:

Mensch und Natur haben im Naturschutzgebiet Schanzenwald und Murellenschlucht gleichermaßen deutliche Spuren hinterlassen.

Die Oberflächengestalt hier am nördlichen Rand des Grunewalds ist Ergebnis der formenden Kräfte des Eises. Die bis zu 30 Meter tief in die umliegende hügelige Landschaft eingeschnittene Murellenschlucht und der 60 Meter ü.NN hohe Murellenberg sind im Wesentlichen während der Weichseleiszeit vor ca. 20.000 Jahren entstanden.

Die Wälle, Gräben und Schießplätze des Schanzenwalds sind Ergebnis einer über Jahrhunderte andauernden militärischen Nutzung. Selbst der Name des Schutzgebiets nimmt darauf Bezug. Die militärische Nutzung begann 1840 mit der Errichtung von Kasernen und Schießständen durch das preußische Militär und endete 1994 mit dem Abzug der Allierten aus Berlin. Zuletzt nutzten die britischen Truppen die Schießanlagen zu Übungszwecken.

Form und Gestalt der Murellenschlucht wurden ebenfalls durch menschliche Eingriffe verändert. Die Verbindung zum Stößensee, ein Teil der Havel, wurde bereits ab 1907 mit dem Bau der Spandauer Vorortbahn im Westen der Murellenschlucht abgeschnitten. Die Anlage der heutigen S-Bahn erfolgte im Zuge der Vorbereitungen zu den Olympischen Sommerspielen und diente 1936 dem Transport der zahlreichen Besucher zu den Spielstätten. Im östlichen Abschnitt wurde unter Nutzung der natürlichen Hangneigung der Schlucht die Waldbühne gebaut. Nach 1948 sind Teile der Schlucht mit Trümmerschutt verfüllt worden. Ende der 50er Jahre erfolgte die Aufforstung der Nordböschung.

Während des Nationalsozialismus befand sich auf dem Gelände des Schanzenwalds eine Erschießungsstätte der Wehrmacht. Zwischen dem 12. August 1944 und dem 14. April 1945 wurden hier mindestens 232 Personen wegen Fahnenflucht bzw. Wehrkraftzersetzung hingerichtet. An die Ermordeten der NS-Militärjustiz erinnert seit 2002 das Kunstwerk der argentinischen Künstlerin Patricia Pisani, 104 Verkehrsspiegel, die den Weg auf den Murellenberg säumen. Auf einigen Spiegeln finden sich Zitate aus den Urteilen der Militärgerichte sowie zum Umgang mit Deserteuren im Nachkriegsdeutschland.

Die Öffnung des bis dahin weitgehend abgezäunten Schanzenwalds für die Öffentlichkeit und seine Einbindung in das bestehende Freiflächen- und Wegesystem erfolgte zwischen 2004 und 2007. Zäune wurden beseitigt, Gebäude versiegelte Flächen und Schießanlagen abgerissen, Wege zur Erschließung des Areals wurden gebaut.

Das Naturschutzgebiet schützt sowohl die geomorphologischen Besonderheiten als auch die wertvollen Trockenrasen und Waldflächen. Eine entsprechende Pflege erhält die Vielfalt der Lebensräume und Strukturen und macht diese erlebbar. Der Wald soll sich gemäß der Zielsetzung der Waldbaurichtlinie der Berliner Forsten weitgehend unbeeinflusst entwickeln.

Auf dem Spiegel steht:

Die Wehrmacht und ihre Gerichte sollten dazu beitragen, den völkerrechtswidrigen Krieg zu führen.

Wir steigen nun die Treppen hinab und halten uns links. Rechts werden Sie die Waldbühne sehen, zu der ich später noch etwas sage.

Station 4: Abzweig des Denkzeichenwegs

Der Denkzeichenweg steigt nun die Treppen rechts den Hang hinauf, wir gehen aber weiter geradeaus in der Schlucht. Hier haben wir wieder einen Spiegel mit Text, auf dem steht:

Keiner der am Volksgerichtshof tätigen Berufsrichter und Staatsanwälte wurde wegen Rechtsbeugung verurteilt; ebensowenig Richter der Sondergerichte und der Kriegsgerichte.

Wir treffen uns wieder an der ersten Hinweistafel auf der Wiese.

Station 5: Hinweistafel Vom Eis geformt

Die landschaftsprägende Kraft der Gletscher der Eiszeit lässt sich in Berlin nirgendwo besser erleben als hier. Da wir ja nicht alle gleichzeitig vor den Tafeln stehen können, lese ich Ihnen den Inhalt vor:

Die Oberflächengestalt der Berliner Landschaft wurde während der Eiszeit geformt. Murellenberg und Murellenschlucht legen hiervon, am Rande des reliefbetonten Nordrands der Moränenlandschaft des Grunewalds, eindrucksvoll Zeugnis ab. Die bis zu 30 Meter tief eingeschnittene Schlucht scheint eher in eine Mittelgebirgslandschaft als in das norddeutsche Tiefland zu passen.

Das Berliner Gebiet wurde zum letzten Mal vor rund 20.000 Jahren während der Weichseleiszeit vollständig von Eis überdeckt. Infolge von Temperaturabfall bewegten sich skandinavische Gletscher mehrmals über das Ostseegebiet nach Süden. Entsprechend der maximalen Reichweite der verschiedenen Eisvorstöße werden mehrere Stadien wie z.B. das Brandenburger und das Frankfurter Stadium unterschieden.

Mit Abschmelzen der Gletscher floss das Wasser parallel zum Eisrand nach Westen und es entstand das Berliner Urstromtal. Es trennt die Teltow Hochfläche im Süden von der Barnim Hochfläche im Norden. Der Schanzenwald gehört bereits zum Talsandbereich der Spreeniederung im Berliner Urstromtal.

Beim Rückzug der Gletscher wurden immer wieder Toteisblöcke unter dem Gletscherschutt konserviert. Bei ihrem späteren Abtauen sackte das über dem Toteis gelagerte Material langsam ab, ein Toteisloch blieb zurück. Die entstehenden Hohlformen füllten sich teilweise mit Wasser, die Murellenschlucht blieb als Trockental erhalten. Die Murellenschlucht findet jenseits der Waldbühne ihre Fortsetzung im Naturschutzgebiet Fließwiese Ruhleben. Dieses liegt in einer ursrpünglich zur Spree hin entwässernden Schmelzwasserrinne.

Wir gehen nun ein Stück weiter bis zur übernächsten Hinweistafel mit der Überschrift: Manche mögen’s heiß.

Station 6: Hinweistafel Manche mögen’s heiß

Wir stehen vor dem Südhang des Murellenberges. Die Bedeutung dieses Hanges insbesondere für die Wildbienenfauna war einer der wesentlichen Gründe, das Gebiet unter Naturschutz zu stellen. Die Ausrichtung dieses Hanges nach Süden und die damit zusammenhängende starke Sonneneinstrahlung, der sandige Boden sowie die lockere Krautschicht mit vielen vegetationsfreien Stellen bilden ideale Bedingen für die Hautflügler, die ihre Nester im Boden anlegen und auf derart trocken-warme Standorte angewiesen sind. Nach der Bundesartenschutzverordnung gelten alle Wildbienen als gefährdet und stehen deshalb unter besonderem Schutz. An diesem Standort wurden bei einer Untersuchung in den Jahren 1991/92 insgesamt 101 Arten nachgewiesen. Auf der Hinweistafel, an der wir eben vorbeigegangen sind, standen noch ein paar wichtige Details. Ich will Sie Ihnen nicht vorenthalten:

Von Wölfen und anderen Insekten

Bienen und Wespen verschiedenster Arten fliegen auf die blütenreichen Rasen und Wiesen in der Murellenschlucht. Manche Art, wie z.B. der Bienenwolf, liebt zudem offenen, weitgehend vegetationslosen Sand- und Lössboden. Hier gräbt er für den Nachwuchs bis zu einen Meter lange Brutröhren. Die Sitten sind rau. Als Nahrung erbeutet der Bienenwolf Honigbienen. Die Weibchen lähmen die Beute mit einer Giftinjektion und bestücken damit die Brutkammern.

Das Vorratslager des Bienenwolfs kommt auch der Goldwespe Hedychrum rutilans sehr gelegen. Sie dringt in das noch offene oder bereits zugescharrte Nest und legt ihre Eier auf den Honigbienen ab. Die Larve der Goldwespe saugt zunächst die Bienenwolf-Larve aus und macht sich dann über die Honigbienen her.

Viel Sorgfalt für die Brutpflege verwendet die Sandwespe Ammophila sabulosa. Sie legt für den geschlüpften Nachwuchs gelähmte Schmetterlingsraupen bereit. Um die Versorgung der Larven bis zur Verpuppung sicherzustellen, liefert die Sandwespe immer wieder frische Nahrung nach. Von einer Sandwespe werden so mehrere Bodennester in meist unterschiedlichen Stadien individuell betreut.

Die Hosenbiene Dasypoda hirtipes liebt es dagegen vegetarisch. Der Name bezieht sich auf die auffällig langen Haarbürsten an den Hinterbeinen, die zum Transportieren des Pollens dienen. Der Pollen wird in die unterirdischen Nester eingetragen und dort zunächst locker aufgehäuft. Mit Hilfe von Nektar wird anschließend ein Ballen geformt, auf den die Biene ihr Ei ablegt. Hosenbienen gehören zu den Nahrungsspezialisten. Dasypoda hirtipes sammelt Blütenpollen ausschließlich von Korbblütlern wie Habichtskraut und Schafgarbe, Arten, die auch in der Murellenschlucht zu finden sind.

Die zunehmende Verbuschung am Südhang der Murellenschlucht macht den im Boden nistenden Arten das Leben schwer und kann zum völligen Verschwinden einiger Arten führen. Die regelmäßige Rodung von Gehölzen schafft und erhält offene Sandfläche und das bizarre Treiben.

Und auf der Hinweistafel vor uns steht etwas zur Flora in der Schlucht:

Manche mögen’s heiß

Die südexponierte Lage und die trocken-warmen Bedingungen machen den Steilhang der Murellenschlucht zu einem Ort für Lebenskünstler. Unterschiedliche Strategien ermöglichen es den Pflanzen trotz Hitze und Trockenheit zu existieren.

Dichte Behaarung auf Blättern und Stängeln wie bei der Sand-Strohblume (Helichrysum arenarium), die im Juli ihre strohig gelben Blüten zeigt, vermindern die Verdunstung. Beim Mausohr-Habichtskraut (Hieracium pilosella) sind die Blätter unterseits weißfilzig behaart. Bei Trockenheit rollen sich die Blätter ein und die Licht reflektierende Seite weist nach außen und vermindert die Erwärmung und damit auch die Verdunstung. Der Mauerpfeffer (Sedum acre) behilft sich mit dickfleischigen Blättern zur Speicherung von Wasserreserven. Einjährige Arten wie der Bauernsenf (Teesdalia nudicaulis) schließen ihren Entwicklungszyklus von der Blüte bis zur Samenreife bereits im zeitigen Frühjahr ab, wenn noch ausreichend Wasser zur Verfügung steht.

Auch zahlreiche Bienenarten haben den blütenreichen Trockenhang zu ihrem Heim erkoren. Manche der Arten sind wählerisch. Sie sammeln Pollen und Nektar nur auf ausgewählten Pflanzenarten. Die Seidenbienen bevorzugen Korbblütler, eine Pflanzenfamilie, der auch die Habichtskräuter und die Sand-Strohblume angehören.

Ohne Pflege werden die offenen Rasen rasch von Stauden, Sträuchern und Bäumen überwachsen. Zunehmende Beschattung und der Eintrag von Nährstoffen über den Laubfall der Bäume lassen die buntblühenden Arten und das vielfältige Insektenleben allmählich verschwinden. Am Unterhang des Murellenbergs haben sich bereits konkurrenzstarke Arten wie Goldrute (Solidago canadensis) und Hopfen (Humulus lupulus) und verschiedene Gehölze ausgebreitet, die die Arten der Trockenrasen verdrängen. Durch Rodung und partielle Mahd wird deren Ausbreitung verhindert. Die Wiese im Talgrund erfährt eine zweimalige Mahd.

Wir gehen nun weiter auf diesem Weg in den Schanzenwald, biegen bei der übernächsten Wegkreuzung nach rechts ab und halten uns auf dem linken Weg. Wir treffen uns wieder bei dem Kleinen Schießplatz.

Station 7: Schanzenwald

Auf einer Hinweistafel am anderen Ende des Schanzenwaldes steht unter anderem:

Schanzenwald

Der Name ist Programm. Prägend ist der Wald. Ausgenommen sind nur die Lichtungen der ehemaligen Schießplätze sowie Südhang und Talgrund der Murellenschlucht. Auch die alten preußischen Schanzen hat der Wald schon lange überwuchert.

Die langjährige militärische Nutzung und damit Unzugänglichkeit weiter Teile des Schanzenwalds ließen Raum für eine ungestörte Entwicklung. Unbeeinflusst von forstwirtschaftlichen und anderen Nutzungseinflüssen zeigt er einen relativ naturnahen Zustand mit einer ausgeprägten Schichtung. In der Baumschicht dominieren Kiefern, Stiel-Eichen und Birken, im Unterwuchs wachsen Spitzahorn und die Spätblühende Traubenkirsche. Auf den Wällen der alten Schanzen finden sich auch mächtige Robinien.

Lichter Eichenwald überzieht dagegen den Murellenberg. Dieser war einst typisch für den Grunewald. Beweidung begünstigte früher die Entwicklung der Eiche und förderte den lichten Charakter sowie licht- und wärmeliebende Kräuter im Unterwuchs.

Der Schanzenwald wurde von 1840 bis zum Abzug der Briten militärisch genutzt. Im 19. Jahrhundert erwies sich das Gelände für die Anlage von Schießständen als günstig. 1855 wurde eine Gewehrprüfungskommission etabliert, aus der 1860 eine Militärschießschule und 1883 eine Infanterieschießschule hervorging. Dann nutzte die Polizei den Schanzenwald. Auf Drängen des Bezirks übertrug sie den Wald an die Forstverwaltung. Für das gesamte Gelände wurde ein Landschaftsplan ausgearbeitet. Die militärischen Anlagen wurden im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen zurückgebaut und das Gelände durch eine Vielzahl an Wegen für Besucher erschlossen. Trotz teilweise massiver Eingriffe in die Landschaft durch die militärischen Anlagen wie Schießschutzwälle, Kugelfänge und Zaunanlagen konnten sich dort relativ ungestört Biotopqualitäten entwickeln. Die Wälle der ehemaligen Schießbahnen strukturieren heute das Gebiet und schaffen unerwartete Abwechslung. Insgesamt wurden ca. 25 ha militärischen Übungsbereiches umgestaltet, ca. 8.300 qm Fläche entsiegelt, 2,6 km Zäune und rund 20.800 t Abfälle und Abbruch entfernt, davon 6.500 t gefährliche Abfälle. Finanziert wurde dieses Projekt übrigens aus Mitteln für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen der Deutschen Bahn. Mit der Öffnung am 28.11.2007 ist dieses Gebiet nach rund 150 Jahren militärischer Nutzung wieder öffentlich zugänglich.

Wir steigen nun auf dem nächsten Weg nach rechts auf den Murellenberg. Dort sind trockene und nährstoffarme Böden vorherrschend, was ideale Bedingungen für den für Berlin so typischen Kiefern-Eichenwald bietet. Kiefern-Eichenwälder gehören laut Berliner Naturschutzgesetz zu den besonders geschützten Biotopen. Die Baumbestände zeichnen sich aus durch eine starke horizontale Schichtung (Kraut-, Strauch-, Baumschicht) sowie einen sehr gemischten Altersaufbau mit hohem Todholzanteil. Insbesondere unter den Eichen und Kiefern gibt es einige Exemplare, die an die 300 Jahre alt sind. Altholzbestände sind vor allem für baumbewohnende Fledermausarten, höhlenbrütende Vögel und holzbewohnende Insekten von großer Bedeutung. Vor allem die Fledermausbestände sind gefährdet. Durch umgestürzte Bäume ergibt sich ein urwaldartiger Eindruck. Damit unterscheidet sich dieser Bereich deutlich von den Baumbeständen des Grunewaldes, die überwiegend aufgeforstet wurden und von ihrer Art her sogenannte Altersklassenbestände sind. Die Vielfalt der Lebensräume für die einheimische Tierwelt ist dort deutlich geringer und entsprechend auch die Artenzahl.

Wenn wir auf dem Berg angelangt sind, gehen wir bis zum Zaun, kurz am Zaun entlang und treffen uns wieder an der Stelle [zwei Eichen beidseits des Weges, danach zwei Kiefern rechts], an der man einen guten Blick auf die Waldbühne hat.

Station 8: Waldbühne

Wir können von hier oben gut auf die Waldbühne herunterschauen, wenn auch nicht so gut wie letztes Jahr, als wir in der Waldbühne waren.

Die Waldbühne wurde auf dem Areal des ehemaligen Reichssportfelds im Kessel der Murellenschlucht von Werner March angelegt. Er nutzte dabei geschickt die vorhandene Geländeform. Gemäß der nationalsozialistischen Konzeption als kultische und nationale “Weihestätte” wurde die Waldbühne im Stil eines griechischen Theaters für 20.000 Zuschauer errichtet und nach dem überzeugt antisemitischen und nationalsozialistischen Schriftsteller Dietrich-Eckart-Bühne genannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt die Bühne den Namen Waldbühne. Zunächst diente sie als Freilichtkino, u.a. als Spielort der Berlinale, dann wurde sie für Boxkämpfe genutzt. Erst in den 1960er Jahren wurden Kriegsschäden beseitigt und ab 1961 wurde sie vor allem für Rockkonzerte genutzt. Am 15. September 1965 kam es nach einem Konzert der Rolling Stones zu Krawallen. Der Sachschaden belief sich auf rund 400.000 DM. Die Waldbühne wurde erst sieben Jahre später wieder instand gesetzt, anschließend aber kaum noch genutzt, weil Konzertveranstalter geschlossene Hallen vorzogen, da sie wettersicher waren. 1982 wurde die heutige Zeltkonstruktion über der Bühne installiert. Die Waldbühne hat Platz für 22.000 Zuschauer. Inzwischen ist die Bühne in den Monaten Mai bis September ein populärer Platz für Rock-, Pop- und klassische Konzerte. Kultstatus besaßen die Filmvorführungen der Blues Brothers und der Rocky Horror Picture Show, zu denen jährlich tausende Fans in Verkleidung zum lautstarken Mitsingen kamen.

Saisonaler Höhepunkt ist jedes Jahr der Monate im Voraus ausverkaufte Auftritt der Berliner Philharmoniker. Erstmals 2008 und seit 2011 alljährlich gastiert in der Waldbühne das West-Eastern Divan Orchestra, das von Edward Said und Daniel Barenboim gegründet worden ist. Dieses Orchester besteht zu gleichen Teilen aus israelischen und arabischen Musikern und trägt damit zu einer kleinen Entspannung in dem schweren Konflikt bei. Es verfügt über ein breites Repertoire von Mozart und Beethoven über Wagner und Ravel bis zur Moderne. Durch die Partnerschaft des Betreibers mit dem Hertha BSC wurde am 10. April 2010 mit dem Spiel Hertha BSC gegen VfB Stuttgart zum ersten Mal in der Geschichte der Waldbühne ein Bundesliga-Spiel aus dem benachbarten Olympiastadion live in die Waldbühne übertragen.

Wir gehen nun weiter auf dem Denkzeichenweg und halten auf der Lichtung, wo sich die Denkzeichen verdichten.

Oliver Schruoffeneger mit der Künstlerin Patricia Pisani, 08.04.2017

Station 9: Denkzeichenweg / Erschießungsstätte

Hier in unmittelbarer Nähe hat sich die Erschießungsstätte der Wehrmacht befunden. Wie bereits eingangs gesagt, wurden an dieser Stelle über 200 Soldaten erschossen. Es waren Deserteure, Wehrdienstverweigerer und Befehlsverweigerer, die nicht länger dem NS-Regime dienen wollten.

Ehe ich Frau Pisani das Wort gebe, möchte ich aber noch beispielhaft die Geschichte von zwei der Erschossenen aus dem Gutachten von Dr. Norbert Haase vorlesen.

Der Sparkasseninspektor Raymund Biedenbach aus Fulda, Vater zweier Kinder und gläubiger Katholik, hatte 1943 an der Ostfront als Unteroffizier Hitlers Krieg als verloren bezeichnet und die nationalsozialistische Propaganda heftig kritisiert. Außerdem hatte er heimlich Auslandssender gehört. Er war aus dem Kreise seiner Kameraden denunziert und später am 21. Juli 1944 vom Zentralgericht des Heeres wegen “Zersetzung der Wehrkraft” zum Tode verurteilt worden. Biedenbach wurde bereits am 20. September 1944 in Ruhleben erschossen.

Biedenbach wurde nur 34 Jahre alt.

Der Siegener Luftwaffenobergefreite Walter Brückmann geriet seit Anbeginn seines Militärdienstes mit Vorgesetzten in Konflikt, weshalb er wiederholt die schmerzliche Erfahrung des Wehrmachtstrafvollzuges über sich ergehen lassen musste. Im Sommer 1942 kam er vom Wehrmachtgefängnis Torgau zum “Bewährungsbataillon” 500. Da er nach einem Lazarettaufenthalt seinen Heimaturlaub im Juni 1944 wegen seines Geburtstages bei der Familie um einen Tag überzogen hatte und eine Bestrafung fürchtete, tauchte er in Berlin unter. Brückmann wurde Ende Juli 1944 in Berlin gestellt und am 6. Oktober 1944 wegen Fahnenflucht vom Gericht der Wehrmachtkommandantur Berlin zum Tode verurteilt. Er starb am 14. Dezember des Jahres unter dem Mündungsfeuer eines Erschießungspelotons in Ruhleben.

Brückmann war bei seinem Tod erst 27.

Nun aber zu dem Mahnmal. Wir freuen uns sehr, dass Patricia Pisani heute zu uns gekommen ist, um uns ihre künstlerische Arbeit „Denkzeichen“ selbst vorzustellen. Frau Pisani wurde in Buenos Aires geboren und lebt heute in Berlin. Sie studierte Bildhauerei in Buenos Aires und Kunst und neue Medien in Stuttgart. Seit 2005 ist Frau Pisani Mitglied der Kommission für Kunst im öffentlichen Raum des Berufsverbands Bildender Künstler und Künstlerinnen Berlins. Am Eingang der Murellenschlucht habe ich schon Einiges zu Ihrer Arbeit gesagt, aber es ist natürlich viel authentischer, wenn Sie uns etwas zu dem Werdegang, Ihrer Vorgehensweise und Ihrem Konzept sagen. Hier das Mikrofon!

Vielen Dank, Frau Pisani!

Wir stehen hier nahe dem höchsten Punkt des Murellenberges. Vor uns befand sich das Munitionsdepot, das von den britischen Alliierten für den Verteidigungsfall errichtet wurde und später von der Berliner Polizei genutzt wurde und in Teilen noch weiter genutzt wird. In den Lagerhäusern unten wurden alte Munition der Nationalen Volksarmee und teils auch beschlagnahmtes Silvesterfeuerwerk gelagert.

Von den Briten wurde zur Übung des Häuserkampfs ein Kampfdorf errichtet. Es wurden typische städtische Situationen nachgebaut: kleine Häuser, Hochhäuser, eine Kirche, Supermarkt, Tankstelle, Telefonzellen, ein Bahndamm mit ein paar U-Bahnwagen darauf. Das Übungsgeschehen konnte über Videokameras und Lautsprecher von einer Zentrale aus beobachtet und gelenkt werden.

Wir gehen nun den Weg weiter bis zu einer fünfstämmigen Birke, dort nehmen wir den Weg nach rechts hinunter und treffen uns wieder auf dem Weg zwischen den beiden Seeteilen.

Station 10: Fließwiese Ruhleben

Station 10.1: Fließwiese Ruhleben

Das Gelände, auf dem wir uns nun befinden, heißt Fließwiese Ruhleben und ist 16 ha groß. Die Fließwiese Ruhleben ist ein Verlandungsmoor, das durch unterschiedliche Wasserstände geprägt ist. Während des Frühjahrs sind große Teile des Gebietes überschwemmt. Im Sommer und Herbst sind es nur kleine Flächen im Norden, die unter Wasser stehen. Die zentrale Fläche ist mit Röhricht bestanden. Umgeben ist die Fließwiese von Schwarz-Erlen. Im südlichen Bereich und am östlichen Ufer hat sich kleinflächig ein Traubenkirschen-Eschenwald entwickelt.

Seit einigen Jahren halten sich regelmäßig Kraniche im Gebiet der Fließwiese auf. Die Graugans hat hier einen ihrer wenigen Brutplätze im innerstädtischen Bereich. Von großer Bedeutung ist die Fließwiese als Amphibienlaichplatz, besonders hervorzuheben ist der Kammmolch, der hier in großen Mengen auftritt. Der männliche Kammmolch ist eine imposante Erscheinung. Während der Paarungszeit bildet er einen bis zu zwei Zentimenter hohen, tief gezackten Rückenkamm aus. Kammmolche leben bis Mitte August in den Gewässern. Dann wandern sie wieder in ihre Winterquartiere. Vor allem wegen des Kammmolchs, aber auch wegen der vielen anderen Amphibien wurde dieses Gebiet unter den Schutz von NATURA 2000 gestellt. NATURA 2000 ist ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten innerhalb der Europäischen Union, das seit 1992 nach den Maßgaben der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie errichtet wird. Sein Zweck ist der länderübergreifende Schutz gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume. In das Schutzgebietsnetz werden auch die gemäß der Vogelschutzrichtlinie ausgewiesenen Gebiete integriert. Das Natura-2000-Netzwerk umfasste 2013 mehr als 18 % der Landfläche und mehr als 7 % der Meeresfläche der Europäischen Union.

Die Hinweistafel zum Naturschutzgebiet steht zwar am anderen Ende der Fließwiese, aber ich denke, es ist sinnvoller, sie jetzt schon zu zitieren:

Station 10.2: Hinweistafel: Naturschutz- und Natura 2000-Gebiet / Fließwiese Ruhleben

Der Name des bereits 1959 unter Schutz gestellten Gebiets lässt auf eine offene, weiträumige Wiesenfläche hoffen. Stattdessen findet der Besucher versteckt hinter einem Gehölzgürtel aus Erle, Esche und Ahorn ausgedehnte Röhrichte und vereinzelt auch offene Wasserflächen. Wer sich hier und heute in die Wiese legen und in den Himmel schauen möchte, holt sich mehr als nur nasse Füße.

Die Fließwiese durchlief Phasen unterschiedlicher Nutzung und Entwicklung. Für mehr als 100 Jahre von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts unterlag sie einer regelmäßigen Mahd durch Landwirte, die hier ihr Heu machten. Mit Aufgabe der Mahd entwickelten sich großflächig Weidengebüsche. Neben der Art der Nutzung sind stark schwankende Wasserstände, die u.a. durch die Fördermengen der umliegenden Wasserwerke beeinflusst werden, für das wechselnde Erscheinungsbild der Fließwiese verantwortlich. Die heutige Situation mit ganzjährigen Überflutungen ist das Ergebnis kontinuierlich steigender Wasserstände seit dem Jahr 2002.

Die Fließwiese ist Bestandteil des europaweiten Schutzgebietsnetzes Natura 2000. Das Netz soll Lebensräume und Arten schützen und die biologische Vielfalt in Europa bewahren. Im Schatten des Heizkraftswerkes Reuter West beherbergt die Fließwiese streng geschützte Libellen- und Amphibienarten wie die Große Moosjungfer, Kammmolch, Knoblauchkröte und Moorfrosch. Sowohl die Amphibien- als auch die Libellenarten sind für ihre Entwicklung auf eine zumindest in Teilen ganzjährige Überstauung der Fläche angewiesen.

Neben den bereits erwähnten großflächigen Schilfröhrichten haben sich insbesondere südlich des Querweges ausgedehnte Erlensümpfe entwickelt. Im Sommer sind hier die Wasserflächen fast vollständig von der Kleinen Wasserlinse bedeckt. Mit ihren etwas drei Millimeter großen Schwimmblättern ist jede Pflanze für sich ein Winzling, in der Summe überziehen sie das Wasser mit einem grünen Teppich. Mit all dem Grün kontrastieren im Frühsommer die gelben Blüten der Wasser-Schwertlilie.

Die Fließwiese Ruhleben liegt in einer langgestreckten Senke, die sich nach Süden unter Einschluss der Waldbühne im Naturschutzgebiet Murellenschlucht und Schanzenwald fortsetzt. Sie ist Teil der Murellenberge, einer eiszeitlich geprägten Landschaft mit Hügeln und Abflussrinnen.

Ursprünglich bestand über einen Graben, der die Fließwiese entwässerte, eine Verbindung zur Spree. Diese wurde 1936 durch die Aufschüttung des Hempelsteigs unterbunden, so dass das Gebiet heute eine abflusslose Senke ist.

Wir gehen nun wieder ein Stück zurück, biegen dann rechts ab und wandern entlang des Teichs. Zuvor möchte ich Ihnen aber noch sagen, was auf der nächsten Hinweistafel steht, an der wir vorbeikommen werden:

Station 10.3: Hinweistafel: Wanderer zwischen den Welten

Zur Laichzeit im Frühjahr ist die Senke der Fließwiese von einem vielstimmigen Konzert erfüllt. Neben den Rufen von Erdkröte, Gras- und Teichfrosch sind auch die von Moorfrosch und Knoblauchkröte zu vernehmen. Kamm- und Teichmolch führen dagegen ein unauffälligeres Dasein.

Amphibien leben im Wasser und an Land, wo sie unterschiedliche Entwicklungsstadien durchlaufen: Als Larve leben sie im Wasser, die erwachsenen Tiere leben dagegen auch an Land. Zur Fortpflanzung kehren sie aber immer wieder ins Wasser zurück.

Die Wasser- und Röhrichtflächen der Fließwiese bieten in Verbindung mit den umliegenden Wald-, Friedhofs- und Gartenflächen einen idealen Lebensraum für diese Artengruppe. Moorfrosch, Knoblauchkröte und Kammmolch gehören zu den europaweit geschützten Arten. Entsprechend der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ist jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der Arten verboten.

Der Weg an der Fließwiese entlang ist sehr schmal. Bei der dritten Hinweistafel von hier aus gesehen ist wieder etwas mehr Platz. Dort treffen wir uns wieder. Die Hinweistafel hat den Titel: Weihen, Sänger, Taucher und Gänse : Die Vögel auf der Fließwiese.

Station 11: Hinweistafel Weihen, Sänger, Taucher und Gänse / Die Vögel auf der Fließwiese

Station 11.1: Hinweistafel Weihen, Sänger, Taucher und Gänse / Die Vögel auf der Fließwiese

Die Sumpf- und Röhrichtflächen der Fließwiese sind attraktiv für zahlreiche Wasservögel. Graugans, Zwergtaucher und Rohrsänger und sogar der Kranich sind hier zu Hause. In den unzugänglichen Röhrichtflächen können sie ihre Brut ungestört großziehen. Andere Arten, wie z.B. auch die seltene Rohrweihe besuchen die Fließwiese auf der Jagd nach Nahrung. In den Erlenbruchwäldern am Rande der Fließwiese kann der Kleinspecht beobachtet werden.

Die Rohrweihe errichtet im Gegensatz zu vielen anderen Greifvögeln ihren Horst am Boden, wobei sie Röhrichte bevorzugt. Die von Wasser umgebenen Nester sind vor Nesträubern gut geschützt. Auffällig ist die Art der Übergabe der Beute zwischen Männchen und Weibchen während der Brutzeit. Kurz nach dem das Männchen sein Kommen mit einem lauten „Quäken“ angekündigt hat, verlässt das Weibchen den Horst, schwingt sich dem Männchen entgegen und übernimmt die fallengelassene Beute. Ebenso spektakulär ist zu beobachten, wenn im Juli die noch flugunsicheren Jungen „trainiert“ werden.

Der Kranich ist eine imposante Erscheinung und seine trompetenartige Stimme ist weithin zu vernehmen. Mit einer Höhe von 1,20 m und einer Flügelspanne von mehr als zwei Metern gehört er zu den größten heimischen Vogelarten. Der Bestand der Kraniche war bereits vom Aussterben bedroht, hat in den letzten Jahren aber wieder erfreulich zugenommen. Auch in Berlin brütet er inzwischen wieder in verschiedenen Feuchtgebieten.

Auf der letzten Hinweistafel stand:

Station 11.2: Hinweistafel Jungfernflug

Fledermaus-Azurjungfer, Moosjungfer, Hufeisen-Azur-Jungfer: so phantasievoll die Namen so phantastisch sind ihr Aussehen und ihr Flug. Libellen beeindrucken durch ihr prächtiges Farbenspiel und ihren rasanten und wendigen Flugstil.

Libellen führen jedoch ein Doppelleben. Die Larvalentwicklung erfolgt im Wasser. Aus den Eiern schlüpfen unscheinbare, sich von Wasserinsekten ernährende Larven. Die Dauer des Larvalstadiums ist von Art zu Art verschieden und kann von 40 Tagen bis zu fünf Jahren betragen. Die Larven der Hufeisen-Azurjungfer z.B. steigen im Mai des folgenden Jahres an Binsenstängeln oder Stängeln der Schwertlilie empor. Sie verlassen das nasse Element, um zwei Stunden später nach einer spektakulären Verwandlung zum Jungfernflug zu starten. 14 unterschiedliche Arten sind mit etwas Glück im pfeilschnellen Zick-Zack-Flug über der Fließwiese zu beobachten.

Nun gehen wir weiter, bis wir am Ende der Fließwiese angelangt sind, biegen nach rechts ab, gehen eine Weile an einer Kleingartenanlage entlang und treffen uns wieder am Beginn des Hempelsteigs.

Station 12: Hempelsteig 19

Station 12.1: Hempelsteig 19 / Herkunft des Namens

Der Hempelsteig wurde 1937 nach dem Kommunalpolitiker Carl Hempel benannt. Er hat von 1833 bis 1903 gelebt und war Stadtverordneter in Charlottenburg.

Hempelsteig / Siedlung Ruhleben, 08.04.2017

Station 12.2: Hempelsteig 19 / Siedlung Ruhleben

Der Stadtteil Ruhleben hält sich nicht an die Bezirksgrenze. Er besteht aus einem südlichen Charlottenburger Teil und einem nördlichen Teil, der zu Spandau gehört. In Charlottenburg liegt die Siedlung Ruhleben, das Naturschutzgebiet Fließwiese, der Friedhof Ruhleben mit dem Krematorium, sowie das Gelände am Murellenberg.

In Spandau liegt zwischen Charlottenburger Chaussee und Spree ein Industriegebiet mit einem Klärwerk und einer der größten Müllverbrennungsanlagen Europas, die 1967 errichtet wurde.

Das Siedlungsgebiet Ruhleben ist aus einem Spandauer Vorwerk hervorgegangen. Erstmals erwähnt wird es zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges als “wüst liegendes Vorwerk”, später als “Neues Vorwerk”. 1704 findet sich erstmals die Bezeichnung Ruhleben. Es wurde 1707 von König Friedrich I. erworben und dem Amt Spandau unterstellt. 1920 wurde das Gelände nach Groß-Berlin eingemeindet und zwischen Spandau und Charlottenburg aufgeteilt. Die Siedlung Ruhleben wurde in den 1920er Jahren mit ein- und zweigeschossigen Häusern, überwiegend nach den Plänen von Max Taut und Frank Hoffmann, erbaut. Max Taut ist uns inzwischen ja einige Male auf den Kiezspaziergängen begegnet, das letzte Mal in der von ihm geplanten Siedlung Eichkamp.

Station 12.3: U-Bahnhof Ruhleben

Das Bahnhofsgebäude des U-Bahnhofs Ruhleben wurde 1929 von Alfred Grenander gebaut. Der 1863 in Schweden geborene Architekt studierte Architektur in Stockholm und setzte seine Studien von 1885 bis 1888 an der Technischen Hochschule Charlottenburg fort, der heutigen TU Berlin. Danach arbeitete er in Paul Wallots Reichstagsbauatelier. Von 1900 bis 1931 baute er für die Berliner Hoch- und Untergrundbahn-Gesellschaft, die heutige BVG, zahlreiche Bahnhöfe. Daneben hat er auch die Schwedische Kirche an der Landhausstraße in Wilmersdorf und andere Bauten entworfen. Er starb 1931 in der Prager Straße 36 in Wilmersdorf.

Der U-Bahnhof Ruhleben ist einer der modernsten Bauten des Architekten, sachlich-nüchtern, auf jedes überflüssige Detail verzichtend. Verglichen mit dem U-Bahnhof Wittenbergplatz, den auch Grenander entworfen hat, erkennt man die Veränderung der Architektur innerhalb der ersten 30 Jahre des 20. Jahrhunderts. Der U-Bahnhof ist Endbahnhof der Stammbahn, die von 1896 bis 1929 gebaut wurde. Sie verkehrte zwischen Warschauer Brücke und Ruhleben. In Charlottenburg wurde sie in drei Teilabschnitten erbaut und führte zunächst auf Charlottenburger Gebiet auf Beschluss der Stadtverordneten als Kellerbahn vom Bahnhof Zoo bis zum Ernst-Reuter-Platz, damals Am Knie, wurde dann bis zum ehemaligen Deutschen Stadion, dem heutigen Olympiastadion und schließlich bis Ruhleben erweitert. Eine seit den 1920er-Jahren geplante Streckenverlängerung der U2 über Rathaus Spandau nach Hakenfelde bzw. später zum Falkenhagener Feld wurde zugunsten der U-Bahnlinie 7 zurückgestellt. Die Gleise des Sackbahnhofs enden am Bahnsteig.

Hier endet unser Kiezspaziergang. Ich erinnere Sie noch einmal an den Zeit- und Treffpunkt des nächsten Kiezspaziergangs. Er findet am 13. Mai um 14 Uhr wieder mit Bezirksbürgermeister Naumann statt. Treffpunkt ist der U-Bahnhof Halemweg. Endpunkt wird das neue Familienzentrum am Heckerdamm 242 sein. Ich wünsche Ihnen einen guten Nachhauseweg und verabschiede mich ganz herzlich von Ihnen. Tschüss, bis zum nächsten Mal!