Station 7: Eichendorff-Grundschule
Die Eichendorff-Grundschule wurde 1867 als Knaben-Stadtschule gegründet. Sie hat dieses Jahr also 150-jähriges Jubiläum. Gefeiert wird ab dem 17. Mai, an dem die offizielle Feier stattfindet, am 19. Mai ist dann das Schulfest für die Kinder und am 20. Mai die Eltern-Lehrer-Party. Die Knaben-Stadtschule wurde später zur 1.Gemeindeschule in Charlottenburg. Seit 1954 trägt sie den Namen des deutschen Dichters der Romantik – Joseph Freiherr von Eichendorff. Zu ihm später mehr.
Das heutige Schulhaus wurde 1972-73 auf dem Gelände der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Gebäude der 9. und 10. Gemeinde- und späteren Knabenmittelschule sowie des Jugendheims errichtet. Der Bauplan folgte dem Typenentwurf der Arbeitsgemeinschaft “Grundschulstandardisierung”. Das Schulgebäude ist ein zweigeschossiger Flachbau, der mit Stahlbeton-Rippenplatten errichtet wurde. Es verfügt über einen H-förmigen Grundriss. Zur Schulanlage gehören außerdem eine freistehende Sporthalle sowie ein Hort, der in das Schulgebäude integriert ist. 2006 wurde der Schulerweiterungsbau eingeweiht, der allerdings zwei Jahre später durch einen Brand zerstört wurde. 2009 war der Bau wieder hergestellt. In der Schule lernen 445 Kinder: 224 Jungen und 221 Mädchen.
Der Namensgeber der Schule, Joseph Freiherr von Eichendorff, wurde am 10. März 1788 – gestern war demnach sein Geburtstag – in Ratibor in Oberschlesien geboren und starb 1857 an einer Lungenentzündung in Neisse, ebenfalls in Oberschlesien. Eichendorff ist einer der bedeutendsten Lyriker und Schriftsteller der deutschen Romantik. Mit etwa 5000 Vertonungen seiner Gedichte gehört er zu den meist vertonten Dichtern.
Ich lese Ihnen nun einen Ausschnitt aus seinem Werk Das Leben eines Taugenichts:
bq. Das Rad an meines Vaters Mühle brauste und rauschte schon wieder recht lustig, der Schnee tröpfelte emsig vom Dache, die Sperlinge zwitscherten und tummelten sich dazwischen; ich saß auf der Türschwelle und wischte mir den Schlaf aus den Augen; mir war so recht wohl in dem warmen Sonnenscheine. Da trat der Vater aus dem Hause; er hatte schon seit Tagesanbruch in der Mühle rumort und die Schlafmütze schief auf dem Kopfe, der sagte zu mir: «Du Taugenichts! da sonnst du dich schon wieder und dehnst und reckst dir die Knochen müde und läßt mich alle Arbeit allein tun. Ich kann dich hier nicht länger füttern. Der Frühling ist vor der Tür, geh auch einmal hinaus in die Welt und erwirb dir selber dein Brot.» – «Nun», sagte ich, «wenn ich ein Taugenichts bin, so ists gut, so will ich in die Welt gehen und mein Glück machen.» Und eigentlich war mir das recht lieb, denn es war mir kurz vorher selber eingefallen, auf Reisen zu gehen,[…]
Ich ging also in das Haus hinein und holte meine Geige, die ich recht artig spielte, von der Wand, mein Vater gab mir noch einige Groschen Geld mit auf den Weg, und so schlenderte ich durch das lange Dorf hinaus. Ich hatte recht meine heimliche Freude, als ich da alle meine alten Bekannten und Kameraden rechts und links, wie gestern und vorgestern und immerdar, zur Arbeit hinausziehen, graben und pflügen sah, während ich so in die freie Welt hinausstrich. Ich rief den armen Leuten nach allen Seiten stolz und zufrieden Adjes zu, aber es kümmerte sich eben keiner sehr darum. Mir war es wie ein ewiger Sonntag im Gemüte. Und als ich endlich ins freie Feld hinauskam, da nahm ich meine liebe Geige vor und spielte und sang, auf der Landstraße fortgehend:
Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt,
Dem will er seine Wunder weisen
In Berg und Wald und Strom und Feld.
[…]
Indem, wie ich mich so umsehe, kömmt ein köstlicher Reisewagen ganz nahe an mich heran, der mochte wohl schon einige Zeit hinter mir drein gefahren sein, ohne daß ich es merkte, weil mein Herz so voller Klang war, denn es ging ganz langsam, und zwei vornehme Damen steckten die Köpfe aus dem Wagen und hörten mir zu. Die eine war besonders schön und jünger als die andere, aber eigentlich gefielen sie mir alle beide. Als ich nun aufhörte zu singen, ließ die ältere stillhalten und redete mich holdselig an: «Ei, lustiger Gesell, Er weiß ja recht hübsche Lieder zu singen.» Ich nicht zu faul dagegen: «Euer Gnaden aufzuwarten, wüßt ich noch viel schönere.» Darauf fragte sie mich wieder: «Wohin wandert Er denn schon so am frühen Morgen?» Da schämte ich mich, daß ich das selber nicht wußte, und sagte dreist: «Nach Wien»; nun sprachen beide miteinander in einer fremden Sprache, die ich nicht verstand. Die jüngere schüttelte einige Male mit dem Kopfe, die andere
lachte aber in einem fort und rief mir endlich zu: «Spring Er nur hinten mit auf, wir fahren auch nach Wien.» Wer war froher als ich! Ich machte eine Reverenz und war mit einem Sprunge hinter dem Wagen, der Kutscher knallte, und wir flogen über die glänzende Straße fort, daß mir der Wind am Hute pfiff.
Hinter mir gingen nun Dorf, Gärten und Kirchtürme unter, vor mir neue Dörfer, Schlösser und Berge auf, unter mir Saaten, Büsche und Wiesen bunt vorüberfliegend, über mir unzählige Lerchen in der klaren blauen Luft – ich schämte mich, laut zu schreien, aber innerlichst jauchzte ich und strampelte und tanzte auf dem Wagentritt herum, daß ich bald meine Geige verloren hätte, die ich unterm Arme hielt. Wie aber denn die Sonne immer höher stieg, rings am Horizont schwere weiße Mittagswolken aufstiegen und alles in der Luft und auf der weiten Fläche so leer und schwül und still wurde über den leise wogenden Kornfeldern, da fiel mir erst wieder mein Dorf ein und mein Vater und unsere Mühle, wie es da so heimlich kühl war an dem schattigen Weiher, und daß nun alles so weit, weit hinter mir lag. Mir war dabei so kurios zumute, als müßt ich wieder umkehren; ich steckte meine Geige zwischen Rock und Weste, setzte mich voller Gedanken auf den Wagentritt hin und schlief
ein.
Wir verlassen nun den Schulhof zur Goethestraße hin, gehen links bis zur Ecke, biegen rechts in die Leibnizstraße, dann links in die Pestalozzistraße ein und treffen uns wieder vor der Synagoge mit der Hausnummer 14.