Station 4.1: Abwasserpumpwerk der Berliner Wasserbetriebe
Bevor ich das Mikrofon weiterreiche, möchte ich Ihnen gerne etwas zur Geschichte der Abwasserentsorgung in Charlottenburg erzählen. Mit der massiven Bevölkerungszunahme Ende des 19. Jahrhunderts wuchs das Problem der Abwasserentsorgung. Deshalb dachte der Magistrat der Stadt Charlottenburg bereits in 70-er Jahren des 19. Jahrhunderts über Lösungsmöglichkeiten nach. Der Antrag des Magistrats, die Abwässer in die bereits bestehenden Anlagen der Stadt Berlin einzuleiten, wurde vom Magistrat der Stadt Berlin abgelehnt. Nur Randgebiete der Stadt, wie zum Beispiel die Gegend um den Nollendorfplatz und die Kurfürstenstraße oder Martinikenfelde, heute Moabit, wurden entwässerungstechnisch an das Berliner Radialsystem VII und VIII angeschlossen. Radialsysteme sind Pumpwerke, die an verschiedenen tiefen Punkten in der Stadt gebaut wurden und zu denen das Abwasser fließen konnte. In den Radialsystemen wurde das Abwasser dann gesammelt und auf die Rieselfelder außerhalb Berlins
gepumpt. Die Stadtverordnetenversammlung Charlottenburg beschloss daraufhin 1885 eine eigene Kanalisation zu bauen, orientierte sich aber am System der Berliner.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Pumpwerk zerstört und nach dem Krieg wieder aufgebaut. Das Hauptpumpwerk Charlottenburg ist im Moment das einzige noch mit Personal besetzte Pumpwerk in Berlin.
Heute stehen wir vor ähnlichen Herausforderungen wie Ende des 19. Jahrhunderts. Berlin wächst, und auch die Wasserbetriebe investieren, damit die Infrastruktur auf dem neuesten Stand bleibt. Insgesamt werden in den kommenden Jahren zwei Milliarden Euro in die Werke und Netze fließen. Auch hier am Standort ist viel geplant. Dies wird uns jetzt Herr Simon / Frau Franzke erläutern. Herr Simon ist Vorstandsvorsitzender der Berliner Wasserbetriebe / Frau Franzke ist die Abwasserchefin in Berlin und damit Chefin über sechs Klärwerke, 10.000 Kilometer Abwasserleitung, 160 Pumpwerke und über 1000 Beschäftige.
bq. Wie bereits Herr Schulte ausführte, beschloss die Stadtverordnetenversammlung Charlottenburg nach dem Nein aus Berlin den Bau einer eigenen Abwasserentsorgung, und zwar eine Schwemmkanalisation nach dem Mischsystem. Dabei wurde Abwasser und Regenwasser in gemeinsamen Kanälen abgeleitet und von einem Pumpwerk auf Rieselfeder zur Reinigung gepumpt. In die Straßen wurden unter den Gehwegen auf jeder Straßenseite Tonrohre aus glasiertem und gebranntem Ton von 24 cm bis 60 cm Durchmesser verlegt. Zur Ableitung des Regenwassers wurden im Abstand von ca. 60 m Regeneinläufe eingebaut. Die Straßenleitungen münden in eiförmige, meist begehbare Kanäle mit Höhen zwischen 1,0 m und 2,1 m. Diese Kanäle enden hier am Pumpwerk, dem topographisch tiefsten Punkt des Entwässerungssystems. Notauslasskanäle dienen dazu, bei Starkregen die Wassermassen den öffentlichen Wasserläufen zuzuführen. Bis zum Jahr 1905 wurden 112 km Tonrohrleitungen, 25 km Kanäle und 5 km Notauslässe
gebaut. Diese Anlagen wurden mit dem stetigen Wachstum der Stadt erweitert.
Das Pumpwerk selbst bestand aus dem Kessel- und Maschinenhaus, dem Beamtenwohnhaus und einem Wirtschaftsgebäude. Das Beamtenwohnhaus ist noch in seiner ursprünglichen Form erhalten.
Für das Maschinenhaus waren 6 Dampfkolbenpumpen vorgesehen, eine Erweiterung auf 8 Maschinen ist später realisiert worden. Als Antriebsenergie wurde im angrenzenden Kesselhaus Dampf durch die Verfeuerung von Kohle erzeugt.
Das Abwasser wurde durch zwei Druckleitungen mit 0,55 m und 0,75 m Durchmesser auf die Rieselfelder in Karolinenhöhe gefördert. Zur Reinigung der Abwässer wurden durch die Stadt Charlottenburg die Rieselfeldflächen mit einer Größe von 838 ha angelegt, hiervon wurden 272 ha berieselt. Auf diesen Flächen wurden Gras, Rüben und Gartenfrüchte angebaut. Die Anlagen gingen am 6. Oktober 1890 in Betrieb. Bis zum Jahr 1906 wurden auch die Abwässer der Gemeinden Schöneberg, Wilmersdorf, Friedenau, Schmargendorf und Grunewald aufgenommen. Das Pumpwerk wurde im 2. Weltkrieg stark zerstört und in der Nachkriegszeit wieder aufgebaut.
Das Dampfzeitalter ging in den 60-er Jahren zu Ende. Das Pumpwerk wurde von Dampf auf Elektro- und Dieselbetrieb umgebaut, die alten Maschinenanlagen verschwanden. Zusätzlich wurden drei Regenüberlaufbecken mit je 1000 m³ Inhalt gebaut. Sie befinden sich unter der Straße und dem Hof des Pumpwerkes. Die Maschinenausstattung ist bis heute in Betrieb.
Mit der Inbetriebnahme des Klärwerks Ruhleben in den 60-er Jahren wurde die Beschickung des Rieselfeldes sukzessive reduziert und später ganz aufgegeben.
Das Hauptpumpwerk Charlottenburg ist das einzige noch mit Personal besetzte Pumpwerk der Berliner Wasserbetriebe, alle anderen Anlagen werden heute von einer Leitzentrale überwacht und ferngesteuert. Durch die installierte alte Technik mit Ansaugbetrieb ist eine Automatisierung nicht möglich, außerdem ist die Bausubstanz nach mittlerweile 126 Jahren Betrieb verschlissen.
Das Pumpwerk wird in den kommenden Jahren durch einen Neubau auf der gegenüberliegenden Straßenseite an der Sophie- Charlottenstraße auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofes ersetzt. Hier entstehen ein neues Regenüberlaufbecken mit 7000 m³ Inhalt sowie ein neues Pumpwerk. Diese Anlage wird dann ohne Bedienpersonal vor Ort betrieben. Die Förderleistung beträgt bei Trockenwetter ca. 24.000 m³/d, bei Regen werden bis zu 900 l/s zum Klärwerk Ruhleben gefördert.
Vielen Dank, Herr Simon / Frau Franzke!
Station 4.2: Charlottenburger Güterbahnhof
Wir haben ja soeben gehört, was die Berliner Wasserbetriebe auf dem Gelände des ehemaligen Charlottenburger Güterbahnhofs planen. Der Güterbahnhof Charlottenburg wurde 1879 unter der Bezeichnung Güterbahnhof Westend angelegt. Noch erhalten sind das eingeschossige Pförtnerhaus von 1894 im neogotischen Stil und ein Güterschuppen von 1892/93.
Wir befinden uns an der Ecke zur Mollwitzstraße, deshalb noch ein Hinweis zur Bezeichnung der Straße.
Station 4.3: Mollwitzstraße / Herkunft des Namens
Die Mollwitzstraße heißt seit dem 30.7.1897 nach dem Ort Mollwitz (heute: Malujowice) in Schlesien. Während des ersten schlesischen Kriegs siegte Preußen 1741 in Mollwitz in einer Schlacht gegen Österreich.
Wir gehen nun in den Vorgarten des ehemaligen Charlottenburger Bürger-Hauses.