Wir sind hier auf dem Stuttgarter Platz.
Station 1: Stuttgarter Platz
Der Stuttgarter Platz befindet sich auf der Nordseite der S-Bahntrasse und geht von der Wilmersdorfer Straße bis zur Windscheidstraße. Der Platz ist bereits im Generalbebauungsplan von James Hobrecht von 1858 enthalten. 1882 wurde der Bahnhof Charlottenburg in Betrieb genommen. Als dann noch der „Schwarze Graben“, ein offener Abwassergraben, überdeckt worden war, stand der Bebauung nichts mehr im Weg. Seinen Namen erhielt der Platz 1892. Die auf der Westseite des Platzes erhaltenen repräsentativen Wohnhäuser entstanden in den Jahren 1893-94. In den Grünanlagen standen damals sogar Palmen.
Nach dem Krieg entwickelte sich der ehemals hier gelegene Busbahnhof zu einer Hochburg des Schwarzhandels.
Weltberühmt wurde der Platz durch die Kommune I, die 1968 für ein paar Monate im Eckhaus Stuttgarter Platz / Kaiser-Friedrich-Straße wohnte. Es gab kaum eine Woche, in der die Kommune I nicht irgendwo in Berlin eine satirische Provokation aufführte, die Schlagzeilen in der Presse machte. Bekannte Vertreter sind z.B. Dieter Kunzelmann und Fritz Teufel.
In den 70er Jahren entstanden hier die ersten Bürgerinitiativen, denn der Stuttgarter Platz ist kein so einfaches Areal. Zwischen Windscheidstraße und Kaiser-Friedrich-Straße gibt es stuckverzierte Altbauten, gemütliche Cafés und Feinkostläden. Auf der östlichen Seite herrschen Billigläden vor. Der Platz war früher für sein Rotlichtmilieu bekannt. Für seine Leistungen zur Verbesserung der Lebensqualität auf dem Stuttgarter Platz erhielt die gleichnamige Bürgerinitiative den Berliner Umweltpreis des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland).
2006 zur Fußballweltmeisterschaft wurde die S-Bahn-Trasse erneuert und der Bahnhof in Richtung Wilmersdorfer Straße verschoben. Als Ausgleich für gefällte Bäume wurde durch die Deutsche Bahn AG für rund zwei Millionen Euro auf der nördlichen Seite der Bahngleise ein Grünzug angelegt. Die Planungen wurden vom Umweltamt gemeinsam mit einem beauftragten Planungsbüro und Bürgerinnen und Bürgern entwickelt. Zunächst wurden die Kreuzungen Kaiser-Friedrich-Straße / Lewishamstraße und Stuttgarter Platz / Wilmersdorfer Straße umgebaut. Insgesamt wurden 218 Bäume neu gepflanzt. Mitten durch den Grünzug wurde parallel zum Bahndamm ein öffentlicher Fußweg angelegt. Am 5.5.2011 wurde der Grünzug der Öffentlichkeit übergeben.
Station 2: Lewishamstraße
Die Lewishamstraße heißt nach unserer Partnerstadt Lewisham, einem Stadtteil von London. Lewisham hatte 2012 ca. 280.000 Einwohner und ist damit etwas kleiner als Charlottenburg-Wilmersdorf. Die Partnerschaft besteht seit 19.3.1968.
Station 3: Rossija
Charlottenburg wurde früher auch Charlottengrad genannt, da hier viele russische Flüchtlinge wohnten. Die meisten waren betuchte russische Bürger, die nach der Oktoberrevolution vorzogen, das Land zu verlassen. Es kamen aber auch viele Juden, vor allem am Ende des 19. Jahrhunderts, um vor den Pogromen in Russland zu flüchten. Auch jetzt gibt es wieder eine hohe Zuwanderung aus Russland, die sich, wie wir hier sehen, auch in der Stadt spiegelt. Hier unter der S-Bahn hat sich ein russischer Lebensmittelladen mit angeschlossenem Imbissrestaurant etabliert. Laden und Restaurant haben rund um die Uhr geöffnet.
Wir gehen nun unter der Bahnbrücke durch, rechts in die Gervinusstraße bis zur Nummer 40
Station 4: Gervinusstraße 40: Kita Cheburashka / Alten- und Pflegeheim im Haus Birkholz / Toreinfahrt
Ein weiteres Zeichen der kulturellen Vielfalt ist die deutsch-russische Kita Cheburashka hier im Haus Birkholz. Sie wurde nach dem russischen Märchenhelden Cheburashka benannt, den jedes Kind in Russland kennt. Es ist eine altersgemischte familiengerechte Kindertagesstätte mit intensiver Sprachförderung in beiden Sprachen und musikalischer Früherziehung. Neben Musik und Tanz ist eine weitere Besonderheit die Zusammenarbeit mit dem hier links liegenden Alten- und Pflegeheim Birkholz.
Nun noch ein paar Worte zum Namensgeber der Gervinusstraße:
Station 5: Gervinusstraße
Georg Gottfried Gervinus wurde1805 geboren. Er hatte Geschichte, Philologie und Philosophie in Heidelberg studiert und bekam 1836 einen Lehrstuhl für Literatur in Göttingen. Er gehörte zu den sogenannten Göttinger Sieben, einem Kreis, dem auch die Brüder Grimm zugerechnet werden. Die Göttinger Sieben protestierten gegen die Aufhebung des Staatsgrundvertrages Hannovers durch den König Ernst August, was deutschlandweit großes Aufsehen erregte. Daraufhin wurde Gervinus des Landes verwiesen und reiste mit seiner Frau längere Zeit nach Italien. Zwischen 1835 und 1842 entstand eines seiner Hauptwerke: Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen.
Ab 1847 war er Herausgeber der Deutschen Zeitung, damals das Blatt der liberalen Intellektuellen. Nach der Märzrevolution 1848 war Gervinus Mitglied des Vorparlaments zur Vorbereitung der Frankfurter Nationalversammlung und dann auch Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung. 1849 zog er sich aus der Politik zurück. Demokratische Ideen in seinen Schriften, insbesondere in seiner Geschichte des 19. Jahrhunderts, führten 1853 zu einem Hochverratsprozess. Er verlor wieder seine Stelle und arbeitete bis zu seinem Tod 1871 in Heidelberg als Privatgelehrter.
Die Gervinusstraße heißt seit 1.1.1907 nach dem Gelehrten.
Wir gehen nun an den drei Spielplätzen vorbei, die in der Tat sowohl von den Kindern als auch von den älteren Damen und Herren genutzt werden, zum Margarete-und-Arthur-Eloesser-Park.
Station 6: Margarete-und Arthur-Eloesser-Park
Bereits 2008 wurden die Ersatzmaßnahmen für die während des Ausbaus der ICE-Strecke Berlin- Hannover gefällten Bäume durchgeführt. Es wurde ein Grünzug mit Spielplatz angelegt, der Entwurf stammt von Thomas Cordes aus dem Umweltamt des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf. Die Probleme mit Drogendelikten im nördlichen Teil des Stuttgarter Platzes wirken sich leider bis hierher aus. Bis 2018 wird die Pflege noch von der Deutschen Bahn finanziert.
Der Platz erhielt am 6.9.2011 den Namen Margarete-und-Arthur-Eloesser-Park. Margarete Eloesser war eine jüdische Lyrikerin und Verfasserin von Kinderstücken, ihr Mann, Arthur Eloesser, war Anfang des 20. Jahrhunderts einer der großen Berliner Theater- und Literaturkritiker, der auch international hohes Ansehen genoss. Seine Arbeit bei der Vossischen Zeitung musste er nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten aufgeben. Zudem wurde er vom deutschen Kulturleben ausgeschlossen. Seine Werke wurden als „verbrennungswürdig“ eingestuft. Er schrieb dann für die Jüdische Rundschau und hielt Vorträge im Kulturbund Deutscher Juden. Der 68-Jährige starb 1938, seine Frau Margarete blieb in Berlin allein zurück und wurde 1942 nach Riga deportiert und ermordet. Ihr Sohn war nach Palästina ausgewandert, ihre Tochter nach Uruguay. Ihre Bemühungen um ein Visum für ihre Mutter waren erfolglos. Am Lietzensee 1 gibt es einen Stolperstein für Margarete, wo die Familie früher
gewohnt hatte.
Station 7: Gervinusstraße 34 / Kunsthalle Koidl
Leider haben wir niemanden aus der Kunsthalle Koidl erreicht, deshalb hier nur ein paar kurze Informationen zu diesem Haus. Die Kunsthalle entstand als Privatinitiative. Vorgestellt werden in der Kunsthalle Koidl Sammler zeitgenössischer Kunst, denn private Sammlungen, aber auch Firmensammlungen, sind meist nicht öffentlich zugänglich. Der Schwerpunkt liegt also nicht so sehr auf den Werken der Künstler und Künstlerinnen, sondern auf der Auswahl der Sammler.
Wir gehen nun weiter zum Kracauerplatz.
Station 8: Kracauerplatz
Am 10.6.2010 wurde der ehemalige Holtzendorffplatz in Kracauerplatz umbenannt. Geehrt werden hier das Ehepaar Siegfried und Lili Kracauer geborene Ehrenreich, das ein paar Jahre in der Sybelstraße 35 wohnte, hier gleich das Eckhaus. Siegfried Kracauer wurde 1889 geboren und starb 1966 in New York. Er studierte Philosophie und Architektur und gehört zu den wichtigsten Publizisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er begründete die Filmkritik und Filmtheorie. Er hat über 1000 Filmkritiken geschrieben.
Lili Kracauer, seine Frau, wurde 1893 geboren und starb 1972. Sie studierte Musik, Kunstgeschichte und Philologie und war bis 1930 Bibliothekarin am Institut für Soziologie, aus dem die Frankfurter Schule entstand. Dort lernte sie auch ihren Mann kennen. Beide waren mit Adorno, Bloch und Benjamin befreundet.
Kracauer war ein exzellenter Beobachter und schrieb wunderbare kurze Essays, die Sie, falls Sie sie noch nicht kennen, unbedingt lesen sollten. Hier ein kurzer Ausschnitt aus seinem Text: Aus dem Fenster gesehen, der den Platz hier beschreibt:
“Von meinem Fenster aus verdichtet sich die Stadt zu einem Bild, das herrlich ist wie ein Naturschauspiel. [… Das Fenster] befindet sich hoch über einer unregelmäßigen Platzanlage, der eine wunderbare Fähigkeit eignet. Sie kann sich unsichtbar machen, sie hat eine Tarnkappe auf. Mitten in einem großstädtischen Wohnviertel gelegen und Treffpunkt mehrerer breiter Straßen, entzieht sich der kleine Platz so sehr der öffentlichen Aufmerksamkeit, dass kaum jemand auch nur seinen Namen kennt. Vielleicht hat diese märchenhafte Geschicklichkeit ihren Grund in der Tatsache, dass er vor allem dem Durchgangsverkehr dient. Tausende kreuzen ihn täglich im Omnibus oder in der Tram, aber gerade weil sie ihn so ohne jedes Aufheben überqueren, versäumen sie es, seiner zu achten. So genießt er das unbeschreibliche Glück, gewissermaßen inkognito im Trubel leben zu dürfen, und obwohl er sich nach allen Seiten hin auftut, ist es doch, als sei er von dichten Nebeln umlagert.”
Die Berliner Jahre zählen zu den produktivsten im Schaffen Kracauers. Hier entstand seine Angestelltenstudie, hier entdeckte er den Film als analytisches Medium von Gesellschaft. Er analysierte brillant die gesellschaftliche Stimmung vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 floh Kracauer mit seiner Frau nach Paris. In der Frankfurter Zeitung erschien noch sein Artikel über das Ereignis:
„Eine endlose Prozession von Menschen zieht sich um das isolierte Gebäude herum. […] Was an ihnen befremdet, ist ihr beharrliches Schweigen. Es berührt aber darum so merkwürdig, weil Fälle öffentlichen Unglücks in der Regel gerade das Mitteilungsbedürfnis der Massen erwecken. […] Dieser Brand dagegen läßt die Menge verstummen. […] Immer neue Trupps von Schuljungen mischen sich unter die Erwachsenen. […] Wenn sie einmal groß sind, werden sie aus der Geschichte erfahren, was der Reichstagsbrand in Wirklichkeit zu bedeuten hatte.“
Zuvor hieß der Platz, wie auch weiterhin die vorbeiführende Straße nach dem Juristen Franz von Holtzendorff (1829 – 1889), der ab 1857 als Professor für Rechts- und Staatswissenschaft in Berlin und ab 1873 als Universitätsprofessor in München tätig war. Zwischen 1871 und 1877 veröffentlichte er das Handbuch des deutschen Strafrechts.
Station 9: Heilbronner Straße / Ecke Kracauerplatz: Tankstelle / Wohnhausprojekt
Die hier doch etwas sehr verfallen aussehende Tankstelle, eigentlich ein Schmuckstück des Bezirks, soll nicht so bleiben. Schon nächste Woche beginnt hier die denkmalgerechte Sanierung. Diese Sanierung ist Teil eines umfassenden Bauprojektes, zu dem die Errichtung eines sechsgeschossigen Mietwohnhauses gehört und eben die Restaurierung der Tankstelle.
Der Neubau soll nächstes Jahr im Frühjahr beginnen. Geplant sind Zwei- bis Vierzimmerwohnungen, die zwischen 60 und 130 m² groß sind. Es sieht so aus als würde ein Vertrag mit der Supermarktkette bio-company zustande kommen, die dann im Erdgeschoss einziehen würde und wahrscheinlich auch einen Kiosk und ein Café in der Tankstelle betreiben würde.
Station 10: Friedbergstraße
Die Friedbergstraße verläuft von der Leonhardtstraße über die Holtzendorffstraße bis zur Suarezstraße. Sie wurde am 30.7.1897 nach dem liberalen Juristen und preußischen Justizminister Heinrich von Friedberg benannt, der von 1813 bis 1895 in Berlin lebte und sich um die Staatsanwaltschaft verdient machte. 1938 wurde die Friedbergstraße in Steffeckstraße nach dem Maler Carl Constantin Heinrich Steffeck umbenannt. Er lebte von 1818 bis 1890. Steffeck war ein geschätzter Historien- und Portraitmaler. Eines seiner berühmtesten Gemälde: Albrecht Achilles im Kampf mit den Nürnbergern um eine Standarte, ist in der Nationalgalerie. 1947 erhielt die Friedbergstraße ihren ursprünglichen Namen zurück.
Station 11: Friedbergstraße 29 / Spiegelsalon
Nun stehen wir vor dem Spiegelsalon, der etwas zu klein ist, als dass wir alle hineinpassen würden, ein Kleinod in diesem Teil Charlottenburgs. Petra Zimmerling und Thomas Altmann, die ich beide nun ganz herzlich begrüßen möchte, hatten lange von einer Art Salon geträumt, einem Ort, wo man Musik hören kann, ohne dass die Musiker ganz weit weg sind, einem Ort für Lesungen in kleinem Kreis, wo auch noch Platz für die Werke von Künstlern und Künstlerinnen sind. Und 2004 ergab sich die Möglichkeit, diese ehemalige Konditorei zu kaufen und für ihre Zwecke umzugestalten. Seitdem hat Charlottenburg wieder einen Salon.
Frau Zimmerling wird ihn Ihnen nun selbst vorstellen.
Vielen Dank, Frau Zimmerling!
Ich möchte sie noch auf den Laden schräg gegenüber in der Nummer 30 aufmerksam machen, wo sich passend zum Salon ein Spezialgeschäft zur Reparatur und zum Verkauf von Flügeln und Klavieren befindet.
Wir gehen nun die Friedbergstraße bis zum Ende und treffen uns wieder in dem Halbrund.
Station 12: Initiative „Stolpersteine für die Friedbergstraße“
Heute will ich nicht so sehr auf die einzelnen Stolpersteine und die Lebensgeschichten der ermordeten Menschen eingehen, sondern eine Initiative vorstellen, die sich um die Erinnerung an die früheren Nachbarn in der Friedbergstraße verdient gemacht haben. Die ersten Stolpersteine wurden in der Friedbergstraße erst im April 2012 vor dem Haus Nr. 41 auf Initiative einer Bewohnerin des Hauses verlegt. Schon drei Monate später versammelten sich mehr als 20 Bewohnerinnen und Bewohner der Friedbergstraße und gründeten eine Initiative, um die Geschichten der Menschen zu erforschen, die hier wohnten und zwischen 1933 und 1945 deportiert und ermordet wurden.
Ich begrüße nun Frau Morel-Tiemann, die uns das Projekt „Stolpersteine für die Friedbergstraße“ vorstellen wird.
Vielen Dank, Frau Morel-Tiemann!
Wir gehen nun weiter zur Dernburgstraße 2-4
Station 13: Dernburgstraße 2-4 und 12-14
Diese beiden fünfgeschossigen Mietwohnhäuser stehen selbstverständlich unter Denkmalschutz und wurden von 1905-1907 nach den Plänen des Baumeisters Ernst Brüll für ihn selbst erbaut. Die beiden im Grundriss U-förmig angelegten Wohngebäude sind symmetrisch zueinander östlich und westlich der Großen Kaskade angeordnet, wobei die Kaskade erst 1912/13 von Erwin Barth und Heinrich Seeling gestaltet wurden. Der Park bestand aber bereits und auf diesen Park hin hatte Ernst Brüll seine beiden Mietwohnhäuser ausgerichtet. In der Begründung zur Aufnahme in die Berliner Denkmalliste heißt es:
„Der Park bildet die Symmetrieachse für die beiden Häuser, die den Blick in den Naturraum des Lietzensees wie ein gewaltiges Bühnenportal im Abstand von 50 m einfassen. Die beiden Mietwohnhäuser wiesen zur Bauzeit fast identische spiegelbildlich zueinander angelegte Grundrisse auf. Das Haus Nr. 2/4 weist zwei Treppenhäuser auf: Nr. 2 ist ein Einspänner mit je einer 4-Zimmer-Wohnung mit Nebenräumen pro Geschoss; Nr. 4 ist ein Zweispänner mit einer 5- und einer 6-Zimmer-Wohnung pro Geschoss, diese Wohnungen sind auf großbürgerliche Ansprüche ausgerichtet, sie umfassen Diele, Salon, Speise-, Herren-, Wohnzimmer, zwei Schlafräume, Küche, Mädchenzimmer, Bad und WC …“
Das Haus Nr. 2-4 ist unverändert erhalten geblieben, die Nr. 12-14 wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und von Georg Becker wieder aufgebaut. Allerdings blieb nur die Außenhaut, innen gibt es nun viel kleinere Mietwohnungen.
Station 14: Große Kaskade
Im Lietzenseepark gibt es zwei Kaskaden, die beide 1912-13 von Erwin Barth, dem Gartenbaumeister Charlottenburgs, und Heinrich Seeling, dem Stadtbaurat von Charlottenburg, geschaffen wurden.
Wir stehen nun vor der Großen Kaskade, die kleine befindet sich direkt hinter dem Parkwächterhäuschen.
2006 wurde die Große Kaskade saniert. Die Sanierung führte die Stiftung Denkmalschutz Berlin durch. Parallel hat das Bezirksamt die wassertechnischen Anlagen instandsetzen lassen und heutigen Standards angepasst, denn früher wurde Frischwasser zur Speisung der Kaskadenbrunnen benutzt, was natürlich viel zu teuer ist. Das Bezirksamt hat nun eine Pumptechnik installiert, die das Seewasser hochpumpt. Über die Kaskaden fließt es dann wieder in den See zurück. Die Kaskaden sind aus Lärmschutzgründen nur von 9 bis 12 Uhr und von 15 bis 20 Uhr in Betrieb. Mit SIWA-Mitteln (Sondervermögen Infrastruktur Wachsende Stadt) soll demnächst die Holzpergola der Kaskade saniert werden. Das Abgeordnetenhaus hat die Mittel bereits bewilligt.
Wir gehen nun weiter, biegen in die Herbartstraße , wo wir in der Kirche am Lietzensee von Dr. Maultzsch erwartet werden.
Station 15: Herbartstraße 4-6 / Evangelische Kirche am Lietzensee
Guten Tag, Herr Dr. Maultzsch. Wir freuen uns sehr, dass Sie es möglich gemacht haben, dass wir heute hier sein können und Sie uns Ihre Kirche vorstellen.
Vielen Dank, Herr Dr. Maultzsch!
Wir gehen nun zum See hinunter zur Statue „Sandalenbinder“ von Fritz Röll.
Station 16: „Sandalenbinder“
Die Skulptur wurde 1909 von Fritz Röll geschaffen und mit dem Staatspreis ausgezeichnet. Fritz Röll lebte von 1879 bis 1956. Er stellte auf bedeutenden Kunstausstellungen in Berlin, München, Rom und Wien aus. Viele seiner Skulpturen stehen in Berlin.
Station 17: Knappschaftshaus am Kuno-Fischer-Platz
Wir schauen nun auf das andere Seeufer, wo wir diesen beeindruckenden Klinkerbau sehen. Der expressionistische Bau wurde 1929/30 von Arnold Hartmann entworfen. Arnold Hartmann lebte von 1861 bis 1919. Er studierte an der Technischen Hochschule Charlottenburg Architektur und nach dem Bau einer palazzoartigen Villa für den Geheimen Baurat Carl Büttner wurde er zu einem der gefragten Grunewald-Architekten. Die Reliefs am Eingang zur Kuno-Fischer-Straße zeigen Bergarbeiter bei der Arbeit, denn das Haus war das Verwaltungsgebäude der Knappschaft. Von 1950-1953 befand sich hier die Notaufnahmestelle für Flüchtlinge aus der DDR. Für 300.000 Menschen war es die erste Anlaufstelle in Westberlin. Später wurde es zum Medienhaus, in dem viele Firmen aus der Filmbranche ihren Standort hatten. Heute befindet sich dort die Deutsche Krebsgesellschaft.
Die zur Seeseite gelegene Grünanlage wurde 1912 ebenfalls von Erwin Barth entworfen und ist nach Kuno Fischer benannt. Kuno Fischer war ein deutscher Philosoph und Anhänger des Neukantianismus. Er lebte 1824 bis 1907. Die Wiese hieß früher im Volksmund Bullenwiese, weil in dem Gebäude auch eine Polizeistation untergebracht war.
Wir gehen nun weiter durch die Unterführung durch.
Station 18: Unterführung Lietzenseebrücke
Die Buntsandsteinbrücke über den Lietzensee wurde 1904 durch die “Terrain-Aktiengesellschaft Park Witzleben” im Zuge der Verlängerung der Kantstraße zur Neuen Kantstraße erbaut. Die Aufbauten stammen von dem Architekten und Magistratsoberbaurat Rudolf Walter, von dem wir später noch mehr hören werden. Durch die für die Straßenverlängerung notwendige Dammaufschüttung wurden der Lietzensee und der Lietzenseepark zweigeteilt.
Erst 1954 wurde durch die Fußgängerunterwegung unter der Brücke wieder eine Verbindung der beiden Parkhälften hergestellt.
Station 19: Vogeltränke mit zwei Seelöwen
Die Vogeltränke mit zwei Seelöwen, auf die wir gleich stoßen werden, wurde 1955 von Rosemarie Henning geschaffen.
Station 20: Lietzensee
Wir gehen ja nun schon eine Weile am Lietzensee entlang, haben aber noch gar nichts zum See gesagt. Nun also: der Lietzensee setzt die Kette der während der vorletzten Eiszeit entstandenen Grunewaldseen nach Norden fort. Er ist 6,6 ha groß und 3-4m tief, ohne Zufluss, allein durch Grundwasser gespeist. Heute gibt es einen Abfluss mittels Rohren zur Spree, der früher in das Sumpfgeländes des am Ende des 19. Jahrhunderts zugeschütteten “Schwarzen Grabens” führte.
Die umliegenden Parkanlagen des Lietzenseeparks sind weitere 10,1 Hektar groß.
Der Name Lietzensee stammt vom Dorf Lietzow bzw. Lützow, das im Jahr 1719 in die damalige Stadt Charlottenburg eingemeindet wurde. Der See gehörte zum Benediktinerinnenkloster St. Marien und wurde von den Nonnen als Fischteich genutzt. Die Worte Lietzow, Lützow, Lusce, u.ä. werden aus dem slawischen Wort luccina hergeleitet, was so viel heißt wie „Sumpf“ oder „Lache“.
Oft wird der Name auch auf die alte Berliner Bezeichnung Lietze für das Blässhuhn zurückgeführt.
Eine Sage liefert noch eine dritte Erklärung für die Bezeichnung Lietzensee: Alte Bewohner der Gegend berichteten, dass in dem See vor vielen Jahren ein ganzer Ort versunken wäre, bei dem es sich um das Dorf Lützow (Lietzow) gehandelt habe. Der Grund für den Untergang sei nicht bekannt, aber manchmal stießen die Fischer mit ihren Booten mitten auf dem See an die versunkene Kirchturmspitze oder ihre Netze verfingen sich daran. Deshalb eigne sich das Gewässer auch nicht zum Fischen. In dem Ort Charlottenburg, der ja aus dem Dorf Lietzow hervorging, soll es in späteren Zeiten dagegen gespukt haben – von plötzlichen Bodenbränden oder herumgeisternden Hunden wird erzählt.
General von Witzleben erwarb 1820 das Gelände und ließ an der Westseite des Sees in dem umgebenden Wald- und Sumpfgelände einen Park einschließlich eines Landhauses und eine kleine Badeanstalt anlegen. Nach seinem Tod erhielt dieser 1840 per Kabinettsorder den Namen Park Witzleben. Im gleichen Jahr verkaufte die Familie den Besitz. Er wurde 1899 von der Terrain-Gesellschaft Park Witzleben erworben, die den öffentlichen Lietzenseepark anlegen ließ. 1910 kaufte schließlich die Stadt Charlottenburg den Lietzensee samt Park.
Nach dem Ersten Weltkrieg, wurden unter Leitung von Erwin Barth neue Grünflächen angelegt und der Park im Jugendstil zum Landschaftspark umgestaltet. Da die Wiesen im Park damals nicht zu betreten waren, richtete Erwin Barth, neben einem Spielplatz, der unterhalb der Neuen Kantstraße / Ecke Wundstraße gelegen war und heute ein Fußballplatz ist, die großzügige „Volks- und Spielwiese“ auf dem Areal ein, das wir heute als den Großen Spielplatz im nördlichen Teil des Parks kennen.
Nach starken Kriegszerstörungen der Parkanlage wurde sie in den 1950er Jahren wieder hergestellt. Klaus W. Döring und Irene Fritsch gründeten 2004 den Verein Bürger für den Lietzensee e.V. Er kümmert sich seither um die Pflege und Sauberkeit des Parks. Die Freiwilligen treffen sich jeden Dienstagvormittag im Park. Dafür haben sie 2005 vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf den Erwin-Barth-Preis erhalten.
Station 21: Speerträger
Die Bronzeskulptur, der Speerträger, wurde 1940 von Bernhard Bleeker geschaffen. Der Speer ist leider verloren gegangen. Bernhard Bleeker lebte von 1881 bis 1968. Er zählte zu den Hauptvertretern der sogenannten Münchener Bildhauerschule. Er war Bildhauer, Medailleur, Maler und Entwurfszeichner für Glasmalerei. Wie viele seiner Kollegen war er vom Stilerbe des 19. Jahrhunderts beeinflusst. So begann seine künstlerische Laufbahn mit historistischen, neobarocken Stilausprägungen, gefolgt von einer bis an sein Lebensende geprägten Orientierung an der „klassischen“ Kunstauffassung Adolf von Hildebrands. Bis 1945 war der Künstler überregional bekannt. Als Professor an der Münchner Kunstakademie fand er im Dritten Reich starke Beachtung und Wertschätzung und war an nationalsozialistischen Großprojekten und Wettbewerben beteiligt. Bleeker stand mit seiner Gestaltungsweise in keinem Widerspruch zur Kunstauffassung der Nationalsozialisten und war somit geeignet, mitzubauen
am Fundament der neuen „Staatskunst“, wenngleich seinen Werken nur selten der Charakter spezifisch nationalsozialistischer Ideologie innewohnte. In den Jahren nach 1945 wurde es still um ihn: Bleeker war als entnazifizierte Person des kulturellen öffentlichen Lebens in Ungnade gefallen.
Station 22: Gefallenendenkmal des Königin-Elisabeth-Garde Regiments
Das Denkmal wurde 1925 für die Gefallenen des Königin-Elisabeth-Garde-Regiments Nr. 3 von Eugen Schmohl errichtet. Es ist den Gefallenen des Regiments der Kriege in den Jahren 1864, 1866, 1870-1871, 1914 -1918 gewidmet.
Station 23: Parkwächterhaus
Wir sind nun an unserem Ziel dem Parkwächterhäuschen angelangt, und ich begrüße ganz herzlich Frau Baumeister-Frenzel, die Mitglied im Verein ParkHaus Lietzensee ist und uns gleich erläutern wird, was hier alles geplant ist.
Das Parkwächterhäuschen wurde 1925 nach den Plänen des Magistratsoberbaurates Rudolf Walter errichtet. Walter lebte von 1864 bis 1941. 1897 zog er von Stuttgart nach Charlottenburg und trat 1900 in die Stadtverwaltung Charlottenburg ein. Neben dem Parkwächterhäuschen schuf er noch zahlreiche Sozialbauten und Schulen. z.B. das Cecilienhaus in der Otto-Suhr-Allee, die Lietzensee-Grundschule in der Witzlebenstraße 34-35, das Ledigenheim in der Danckelmannstraße oder die Feuerwache in der Suarezstraße. Rudolf Walter wurde auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf beerdigt.
Im Parkwächterhäuschen hatte der Parkwächter, dessen Funktion dem Haus den Namen gab, im ersten Stock seine Dienstwohnung, die Parkverwaltung war in einem Raum im Erdgeschoss untergebracht. Der Park wurde früher nachts abgeschlossen. Im Erdgeschoss gab es auch öffentliche Toiletten für Damen und Herren, und zudem zuerst eine Verkaufsstelle für Milch und Mineralwasser und später einen Kiosk. Erst 2012 wurde dieser geschlossen.
Wie wir sehen, ist das Haus ziemlich heruntergekommen. Das Bezirksamt hat daher für das Projekt der Revitalisierung des Häuschens ein Interessenbekundungsverfahren eingeleitet. Die Initiative „Parkhaus Lietzensee e.V“ hat ein überzeugendes Sanierungs- und Betriebskonzept vorgelegt, mit dem das Haus wieder auf Vordermann gebracht und im Anschluss an die Bauarbeiten das Häuschen gemeinsam von Besuchern und Besucherinnen des Lietzenseeparks genutzt werden kann. Ich übergebe nun das Wort an Frau Baumeister-Frenzel.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Frau Baumeister-Frenzel für die Ausführungen und wir sind alle schon sehr auf die Fortschritte gespannt.
Ich möchte an dieser Stelle den 164. Kiezspaziergang beenden, damit Sie alle die Gelegenheit nutzen können, mit den Vereinsmitgliedern zu diskutieren. Es hat mir wieder viel Spaß gemacht und ich freue mich auf das nächste Mal am 12. September um 14 Uhr vor dem Rathaus Schmargendorf.
Quellen: