Zur Zeit der ersten Bebauung Charlottenburgs befanden sich auf dem Gelände Marstall, Menagerie und Lorbeerhaus des Charlottenburger Schlosses. Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Orangerie errichtet und König Friedrich Wilhelm II. verschenkte das Grundstück an den Geheimen Kämmerer Rietz. Nach mehreren Besitzerwechseln ging es 1844/1846 in den Besitz des Bankierspaares Alexander und Margarete Mendelssohn über, das dort einen Sommersitz errichtete, dem sie den Namen „Sorgenfrei“ (frz.: sans souci ‚ohne Sorge‘) gaben, als Anspielung auf ein „Kleines Sanssouci“. Nach ihrem Tod fielen Villa, Nebengebäude und Garten an die zweitälteste Tochter des Paares, Margarete (1823–1890), die mit Otto Georg Oppenheim (1817–1909) verheiratet war. Die alte Villa „Sorgenfrei“ wurde abgerissen, um für einen Neubau im Stil der Neo-Renaissance Platz zu machen – die heutige Villa Oppenheim. Diese wurde bis zum Tod Oppenheims im Jahr 1909 als Alterssitz des Juristen sowie
als Sommersitz der Nachkommenschaft genutzt und 1911 samt dem dazugehörigen Grundstück an die Stadt Charlottenburg verkauft. Auf dem östlichen Teil des Gartens legte die Stadt den Schustehruspark an, riss den Nordflügel und die Nebengebäude der Villa ab und errichtete nach Plänen von Hans Winterstein ein Schulgebäude, das mit dem Rest der Villa Oppenheim verbunden war. Die Schule trug zunächst den Namen Sophie-Charlotte-Schule, später wurde sie in Oppenheim-Oberschule umbenannt.
Während des Zweiten Weltkriegs dienten die Gebäude als Seuchenlazarett, Ende 1944 kam auch noch das Standesamt hinzu.
Dazu schreibt Thomas Wolfes in dem Buch 140 Jahre Standesamt:
bq.
In dem in Schule und Villa untergebrachten Lazarett wurden spätestens ab Ende 1944 wahrscheinlich nicht nur seuchenkranke, sondern, räumlich voneinander getrennt, zusätzlich auch durch die Kämpfe und Bombardements verletzte Menschen eingeliefert und Tote aufgebahrt. (S. 109)
Die sowjetischen Streitkräfte […] erreichten Charlottenburg um den 24. April 1945. Der Keller der Villa diente als Leichenkeller, im angrenzenden Park wurden die Toten notdürftig begraben.
Nicht nur das Standesamt Charlottenburg schloss jetzt seine Türen. Ende April kam praktisch das ganze öffentliche Leben in Berlin zum Erliegen: die Schulen waren bereits geschlossen, am 21. April wurde der private Verbrauch von Gas und Strom verboten. Am 25. April wurde die letzte noch verkehrende U-Bahnlinie zwischen Wittenbergplatz und Ruhleben eingestellt und damit fast der gesamte öffentliche Nahverkehr, am 29. April wurde die letzte noch erscheinende Zeitung […] eingestellt. (S. 112)
Hierzu ein Zitat aus dem bereits erwähnten Verwaltungsbericht von 1945:
bq.
Das Standesamt Berlin-Charlottenburg hielt in seinem Haus Am Parkplatz 1 [also in der Villa Oppenheim] seinen Dienst bis zum 28.4.45 aufrecht. Dann musste es infolge der zunehmenden Heftigkeit der Kampfhandlungen seine Tätigkeit einstellen.
Am 5. Mai 1945 öffnete es seine Pforten wieder. [Es war also nur eine Woche geschlossen.] Es richtete sich zunächst in einem Schulraum der Fürstin-Bismarck-Schule [heute: Sophie-Charlotte-Oberschule], Sybelstraße 2-4, notdürftig ein. Das Haus Am Parkplatz 1 war durch Beschuss unbewohnbar geworden. Nach etwa drei Tagen siedelte das Amt von der Fürstin-Bismarck-Schule in das neue Rathaus im ehemaligen Kriegsgerichtsgebäude in der Witzlebenstraße 4-5 über.
Eine größere Anzahl von Brautpaaren, welche nach den Nürnberger Gesetzen nicht heiraten durften, schlossen nunmehr die Ehe. Die erste derartige Eheschließung fand am 8. Mai 1945 statt. Bemerkenswert ist es, daß ein großer Teil dieser Paare lange Jahre hindurch auch ohne gesetzliche Bindung treu zusammengehalten hat, bis ihre Zähigkeit jetzt den gebührenden Lohn fand.
Ein trauriges Bild bot in diesen Tagen und Wochen unmittelbar nach Einstellung der Kampfhandlungen die Tätigkeit der Sterbefallabteilung des Standesamts. Diese Abteilung war überlastet durch die Beurkundung der zahlreichen Todesfälle, welche die erbitterten Straßenkämpfe im Gefolge gehabt hatten. Es wurden in den vergangenen sechs Monaten 7000 Sterbefälle beurkundet, unter denen auch eine größere Anzahl von Selbstmorden zu verzeichnen ist. Sonst waren es im Jahr etwa 3000 Sterbefälle.
Nach den letzten Kampftagen in Berlin war es die Hauptaufgabe, die vielen herumliegenden Leichen von den Straßen und Plätzen zu entfernen. Erschwerend kam dabei in Betracht, dass die drei für unseren Bezirk in Frage kommenden Friedhöfe (Friedhof Heerstraße, Friedhof Eichkamp und Luisenfriedhöfe) sich weigerten, Leichen aufzunehmen.
Weiterhin kam erschwerend hinzu, daß die hiesige russische Kommandantur augenscheinlich annahm, dass der Leiter des Bestattungsamtes ein Zauberer sei, denn sie verlangte, dass binnen 24 Stunden auf einem Platz nördlich des Lietzensees ein kleiner russischer Heldenfriedhof mit Bäumen, Blumen, Rasen und Grabsteinen entstanden sein sollte. Mit Hilfe des rührigen Leiters des hiesigen Gartenamtes wurde die Zauberei in 20 Stunden geschaffen.
Den Friedhöfen wurde der Auftrag erteilt, jedes Quantum Leichen zu jeglicher Tageszeit anzunehmen. […] Die Friedhöfe, die vorgefunden wurden, befanden sich in bejammernswertem Zustand. Die Luisenfriedhöfe und der Friedhof Heerstraße waren nahezu voll belegt. Der städtische Friedhof Eichkamp war eine abschreckende Schutt- und Sandwüste mit der Bezeichnung eines Armeleutefriedhofes. Während anfangs die Leichen in Massen ohne Sarg zur Bestattung kamen, wurde nach der allmählichen Beruhigung der Lage die Frage der Sargherstellung akut.
Weiterhin war ein Kampf zu führen gegen die geradezu uferlose Profitgier der Bestatterfirmen. Es wirkte auf den Unterzeichneten erstaunlich, dass ein Sarg in der Herstellung ungefähr 50 Reichsmark kostete, aber versucht wurde – und bisweilen mit Erfolg – Särge mit 700 Reichsmark und mehr abzusetzen. Hiergegen wurde mit aller Schärfe vorgegangen und durch festgesetzte Höchstpreise jeder Betrug und Schwindel aus der Welt geschafft.
Die Villa Oppenheim hatte durch die Luftangriffe der Alliierten ihr Dachgeschoss eingebüßt und erhielt nun ein provisorisches Flachdach.
Von 1985 bis 1987 wurde die Villa Oppenheim umfangreich restauriert und mit Galerieräumen im Erdgeschoss versehen. 2005–2009 beherbergte sie die Galerie für Gegenwartskunst. Nach deren Schließung wurde die Villa umfassend saniert. Im Januar 2012 zog das Museum Charlottenburg-Wilmersdorf in die Villa Oppenheim ein. Mehrere Ausstellungen sind für Besucher und Besucherinnen geöffnet, darunter Dauer- und Wechselausstellungen.
Nun freuen wir uns auf Frau von der Lieth, die Leiterin des Fachbereichs Kultur, die uns durch die Villa Oppenheim führen wird. Herzlich willkommen Frau von der Lieth in unserer Runde.
Ich möchte mich nun von Ihnen verabschieden. Es hat mich sehr gefreut, dass Sie mich auf diesem Spaziergang begleitet haben. Wenn Sie Lust haben, können Sie sich gerne die Ausstellungen in unserer Villa anschauen. Viel Spaß!