156. Kiezspaziergang am 13.12.2014

Vom Joachimsthaler Platz zur Kirche am Hohenzollernplatz

Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann, 13.12.2014

Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann

Bezirksbürgermeisterin a.D. Monika Thiemen, Stellvertretender Bezirksbürgermeister Carsten Engelmann, Bezirksstadträtin Dagmar König, Bezirksstadträtin Elfi Jantzen, Bezirksstadtrat Marc Schulte

Bezirksbürgermeisterin a.D., Monika Thiemen, 13.12.2104

Zur Verabschiedung von Karl-Heinz Metzger, der die bisherigen 156 Kiezspaziergänge konzipiert und verfasst hat, beteiligten sich alle Bezirksamtsmitglieder und die frühere Bezirksbürgermeisterin an diesem Kiezspaziergang.

Treffpunkt: Joachimsthaler Platz am U-Bahn-Ausgang Kurfürstendamm
ca. 1,4 km

Auf dem Joachimsthaler Platz, 13.12.2014

Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem 156. Kiezspaziergang. Wir gehen zum Hohenzollernplatz und werden dort die architektonisch sehr interessante Kirche am Hohenzollernplatz besichtigen. Sie stammt von Fritz Höger, wurde 1933 eröffnet und gilt als Hauptwerk des norddeutschen Backsteinexpressionismus. Ich freue mich, dass Superintendent Grün-Rath uns die Kirche persönlich vorstellen wird. Wir werden nicht den kürzesten Weg nehmen, sondern durch die Augsburger Straße, Rankestraße Lietzenburger Straße, Nürnberger und Spichernstraße zum Hohenzollerndamm gehen.
Bevor wir beginnen, möchte ich Ihnen den nächsten Treffpunkt für den 157. Kiezspaziergang mitteilen. Es ist wie immer der zweite Samstag des Monats, also der 10. Januar, um 14.00 Uhr. Wir treffen uns am Ernst-Reuter-Platz und zwar am U-Bahnausgang zwischen Hardenbergstraße und Straße des 17. Juni. Unter anderem werden wir über die Hertzallee quer durch das TU-Gelände zur Volkswagen-Universitätsbibliothek.

Joachimsthaler Platz
Der Joachimstaler Platz erhielt 1936 seinen Namen, und zwar nicht mit “th”, sondern nur mit “t”, während die Joachimsthaler Straße seit 1887 richtigerweise mit “th” geschrieben wurde, denn Platz und Straße sind ebenso wie das Joachimsthalsche Gymnasium unweit von hier nach dem schönen Ort Joachimsthal in der Schorfheide benannt, und dieser Ort schreibt sich mit “th”. Es hatte in den 1930er Jahren eine Rechtschreibreform gegeben, nach der bei “th” das “h” gestrichen wurde. Bis in die 1980er Jahre blieb es bei der unterschiedlichen Schreibweise von Straße und Platz. Dann wurde die Schreibweise angeglichen, aber nicht an die richtig geschriebene Joachimsthaler Straße mit “th”, sondern an den falsch geschriebenen Joachimstaler Platz mit “t” ohne “h”.
Am 15. September dieses Jahres haben wir den Platz und die Straße auf Initiative der früheren Joachimsthaler Bürgermeisterin Gerlinde Schneider umbenannt. Seither wird “Joachimsthaler” wieder mit “h” geschrieben.
Der Platz in seiner jetzigen Form mit Verkehrskanzel, Telefonzellen, Kiosk und U-Bahn-Zugang geht auf die Anlage aus den Jahren 1953-55 von Werner Klenke, Werner Düttmann und Bruno Grimmek zurück. Die Verkehrskanzel sollte an die berühmte Ampel am Potsdamer Platz von 1925 erinnern, sie verlor wegen der starken Verkehrszunahme bereits in den 1960er Jahren ihre Funktion. 2002 wurde der Platz nach einem Wettbewerb nach den Plänen des von Guido Hager neugestaltet. Dabei wurde ein Parkplatz entfernt, der sich an der Joachimsthaler Straße befand. 2003 wurde als Geschenk des Bauunternehmers Thomas Grothe die 27m hohe Skulptur “Pendelobelisk” von Karl Schlamminger aufgestellt.

Joachimsthaler Platz, 28.11.2014

Joachimsthaler Str. 10-12 Allianz-Hochhaus
Am heutigen Standort des Allianz-Hochhauses befand sich bis 1937 die legendäre Kakadu Bar. Das Ensemble für den Allianz-Versicherungskonzern wurde 1953-55 von Alfred Gunzenhauser und Paul Schwebes erbaut. Es besteht aus einem 14-geschossigem Hochhaus und einem 6-geschossigen Gebäude, das in einen etwas höheren, schmalen Kopfbau am Kurfürstendamm mündet, und wenn Sie sich die großen Fenster am Ende dieses Kopfbaus betrachten, dann werden Sie feststellen, dass die Verkehrskanzel sich architektonisch darauf bezieht.

Kudamm Eck
An der Stelle des heutigen Kudamm Ecks befand sich in den 1920er Jahren das berühmte Wäschehaus Grünfeld, eine moderne Filiale des Stammhauses in der Leipziger Straße. Die jüdischen Eigentümer mussten ihr Haus im Zuge der sogenannten Arisierung 1938 einem nichtjüdischen Deutschen verkaufen: Max Kühl führte das Haus weiter. Es wurde im Krieg stark zerstört, die Ruine in den 1960er Jahren abgerissen. Der 1969-72 von Senatsbaudirektor Werner Düttmann bereits unter der Bezeichnung Kudamm-Eck errichtete Komplex wurde 1998 abgerissen und durch den neuen Bau von Gerkan, Mark und Partner (gmp) ersetzt. Entstanden ist ein 10-geschossiges, 45m hohes Geschäftshaus mit einem runden Baukörper und einer 70 qm großen elektronischen Werbewand an der Fassade zur Joachimsthaler Straße. Im neuen Kudamm Eck sind das Swissôtel und C&A eingezogen.
Oben an der Fassade wurde ein Skulpturenensemble von Markus Lüpertz aufgestellt: “Das Urteil des Paris”. Die drei Göttinnen sind an der Ecke Kurfürstendamm zu erkennen. Paris hält sich etwas im Hintergrund an der Einmündung der Augsburger Straße in die Joachimsthaler.
Die Geschichte aus der griechischen Mytologie habe ich Ihnen bei unserem Kiezspaziergang am 10. Mai dieses Jahres erzählt, als wir hier vorbeikamen. Sie können sie auf unserer Seite im Internet nachlesen unter www.kiezspaziergaenge.de.

Sofitel, 28.11.2014

Augsburger Str.41: Hotel Sofitel
1967 wurde an der Ecke Joachimsthaler Straße und Augsburger Straße C&A eröffnet. Die Polizei musste damals die Massen abhalten, die das neue Bekleidungskaufhaus stürmen wollten. Jetzt ist C&A aus der zweiten Reihe nach vorne an den Kurfürstendamm gerückt.
Im Januar 2006 wurde an der Stelle des früheren C&A-Kaufhauses das Hotel Concorde eröffnet, aus dem inzwischen das Sofitel wurde.
Es wurde von dem Architekten Jan Kleihues, dem Sohn von Josef Paul Kleihues, erbaut. Die als Brüstungsbänder unterhalb der rahmenlosen eingelassenen Fenster verstärken die geschwungene Form des Gebäudedreiecks. Während die 18stöckige abgerundete Spitze mit ihren Vorsprüngen an die Hochhäuser der amerikanischen 1920er-Jahre-Moderne erinnert, schließen die abgestaffelten Flanken am Ende fast nahtlos an die traditionelle Berliner Blockrandbebauung an.
Wir gehen jetzt durch die Augsburger Straße, biegen dann rechts in die Rankestraße und halten vor der Feuerwache an der Rankestraße 10-12 wieder an.

Augsburger Straße
Die Augsburger Straße wurde 1887 nach der bayerisch-schwäbischen Stadt benannt.

Rankestraße
Die Rankestraße wurde 1888 nach dem Historiker Franz Leopold von Ranke benannt. Er lebte von 1795 bis 1886 und gilt als der wichtigste Vertreter des Historismus in der Geschichtswissenschaft.

An der Feuerwache Rankestraße, 13.12.2014

Rankestr. 10-12: Feuerwache
1896/97 wurde das Hauptgebäude der Feuerwache nach Entwürfen von Stadtbaurat Paul Bratring und Bauinspektor Theodor Peters errichtet. Die Feuerwache konnte am 1. April 1897 das neogotische Backsteingebäude mit damals vier Toren beziehen. Aber nicht nur diese, denn die Einwohnerzahl Charlottenburgs hatte sich in zwanzig Jahren von 20.000 auf 150.000 erhöht, und wegen diesem großen Bevölkerungswachstum wurde dringend ein zweites Standesamt im Osten Charlottenburgs benötigt, also in dem Gebiet um den Kurfürstendamm und das Hochschulviertel.
In einer Beschlussvorlage an die Stadtverordnetenversammlung schrieb der Magistrat am 7. März 1895: „Da nun für Feuerlöschzwecke außer dem Erdgeschoss nur zwei bis drei Stockwerke gebraucht werden, so ist außerdem noch die Errichtung eines Stockwerkes für ein Standesamt vorgesehen. Die Lage ist für ein Standesamt günstig, die Räume eines Stockwerkes sind ausreichend.“

Feuerwache Rankestraße, Fenster, 28.11.2014

Kurz vor dem Einzug des Standesamtes im Herbst 1897 in sechs Räume im zweiten Stock der Feuerwache wurde noch einmal das Raumkonzept verändert, „um nun zu verhindern, dass die das Standesamt Aufsuchenden den Arbeitern des Revierbüros [der ebenfalls dort in zwei Räumen untergebrachten Gasanstalt] mit Werkzeugen, Schmiertöpfen etc. auf der Treppe zu begegnen, was thunlichst zu vermeiden ist“. Die Besucher des Standesamts wurden daraufhin über diesen repräsentativen übergiebelten Eingang von der Rankestraße geleitet.
Über der Tür stand damals auch der Schriftzug des Standesamtes. Es blieb dort bis 1937, als die Nationalsozialisten die ganze Verwaltung und damit auch die Standesämter zentralisierten. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hat zum diesjährigen 140. Jubiläum der preußischen Standesämter ein Buch herausgegeben und eine Ausstellung konzipiert. Diese kann noch bis zum 2. Januar im Rathaus Charlottenburg besichtigt werden.
Die Feuerwache wurde von 1970 bis 1972 erweitert und umgebaut. 62 Beschäftigte besetzen heute in verschiedenen Schichten Tag und Nacht 12 Funktionen. Die Einsatzfahrzeuge bestehen aus einem Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeug, einer Drehleiter, einem Kleinlösch-Einsatzfahrzeug, einem Rettungswagen, einem Einsatzleitwagen und einem Rettungswagen des Deutschen Roten Kreuzes.

Rankestr. 13: Contipark International
Contipark ist eine internationale Gesellschaft mit Hauptsitz hier in Berlin, die sich mit der Planung, Finanzierung und Bewirtschaftung von Parkeinrichtungen, vor allem Parkhäusern, befasst. In Deutschland ist sie mit rund 300 Objekten in mehr als 150 Städten vertreten. In Europa betreibt die Gesellschaft 459 Parkeinrichtungen.
Die Firma wurde 1967 als Contipark Parkgaragen GmbH mit dem Parkhaus Europa-Center gegründet. 2005 gründete sie als Joint Venture mit der Deutschen Bahn die DB BahnPark GmbH.
Wir gehen jetzt vor bis zur Ecke Lietzenburger Straße.

Lietzenburger Straße (Bezirksbürgermeisterin a.D., Monika Thiemen)
Bis zur Bezirksfusion 2001 war die Lietzenburger Straße die Grenze zwischen Charlottenburg und Wilmersdorf. Sie wurde 1890 nach dem ursprünglichen Namen des Schlosses Charlottenburg benannt. Der Name Lietzenburg wurde von dem Dorf Lietzow abgeleitet, das 1720 nach Charlottenburg eingemeindet wurde. Von 1890 bis 1963 hieß der Abschnitt zwischen Rankestraße und Nürnberger Straße, durch den wir jetzt gleich gehen werden, Achenbachstraße.

Lietzenburger Str. 53: Volkswohl Bund Versicherungen
1919 wurde der “Deutsche Volkswohl-Bund” in Berlin gegründet. Nachdem der Berliner Verwaltungssitz im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war, errichtete die Versicherung 1951 für ihre Hauptverwaltung ein Gebäude in Dortmund. 1953 benannte sie sich um in “Volkswohl-Bund Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit“.
Eine Berliner Filiale entstand 1955 an der Kant- Ecke Fasanenstraße. Sie zog 2006 um hierher in das neue Wohn- und Geschäftshaus an der Lietzenburger Straße 53 Ecke Joachimsthaler Straße. Der moderne Stahl-Glas-Bau wurde von den Architekten Ursula Hütter und Joachim Ramin entworfen. Ungewöhnlich für einen Neubau sind drei Meter Geschosshöhe und Holzfenster.
Der Hauptsitz der Versicherung, die sich inzwischen “Volkswohl Bund Versicherungen” nennt, befindet sich noch immer in Dortmund.

Mit Monika Thiemen auf dem Friedrich-Hollaender-Platz

Friedrich-Hollaender-Platz
Der Platz an der Ecke Lietzenburger und Joachimsthaler Straße in der Verlängerung der Rankestraße hieß seit 1901 bis 2011 Rankeplatz. 2011 wurde der Platz neu gestaltet und nach dem Komponisten Friedrich Hollaender umbenannt.
An der Cicerostraße 14 erinnert seit 2009 eine Berliner Gedenktafel an Friedrich Hollaender, der von 1896 bis 1976 lebte. Seine Musik für den Film “Der blaue Engel” machte Marlene Dietrich auch als Sängerin berühmt, vor allem mit dem Stück “Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt.” Von 1930 bis 1933 betrieb der erfolgreiche Komponist und Schriftsteller, Regisseur und Theaterleiter, Kabarettist und Schauspieler im Theater des Westens ein eigenes erfolgreiches Kabarett, das “Tingel Tangel”.
Wegen seiner jüdischen Abstammung musste er 1933 aus Deutschland fliehen. In Hollywood schrieb er die Musik für über 130 Filme. 1955 kam er nach Deutschland zurück und lebte in München, wo er Revuen für das Münchner Kabarett-Theater “Die Kleine Freiheit” schrieb.
1960 erhielt er das Bundesverdienstkreuz, 1966 das Filmband in Gold und 1972 den Schwabinger Kunstpreis. 1976 starb er in München und wurde dort auf dem Ostfriedhof beerdigt.

Lietzenburger Str. 51: Turberg Modellbahnen
Das 1977 im damaligen Kudamm Eck gegründete Modellbahnen-Geschäft zog 1998 hierher an die Lietzenburger Straße 51. Auf mehr als 600qm Verkaufsfläche sind mehr als 130.000 Artikel von über 800 Lieferanten vorrätig.

Mit Dagmar König an am UdK-Gebäude, 13.12.2014

Lietzenburger Str. 43-45: UdK (Bezirksstadträtin Dagmar König)
(früher Achenbachstr. 14-16: Krankenhaus Wilmersdorf)
In diesem Haus der Universität der Künste ist das Institut für Musikpädagogik und das Institut für Geschichte und Theorie der Gestaltung untergebracht.
In der damaligen Achenbachstraße 16 befand sich das Krankenhaus des “Vaterländischen Frauenvereins”, das um 1920 vom Bezirk Wilmersdorf übernommen wurde. 1924 wurde das AOK-Krankenhaus Pfalzburger Straße diesem städtischen Krankenhaus Wilmersdorf angeschlossen. Hier, in der Achenbachstraße wurde die Chirurgie untergebracht, in der Pfalzburger Straße die Innere Abteilung, Gynäkologie und Geburtshilfe.
In den 1960er Jahren wurde aus dem Städtischen Krankenhaus Wilmersdorf an der Achenbachstraße 16 eine Privatklinik. Am 29. Juni 1964 starb hier der Jazzmusiker Eric Dolphy im jungen Alter von 36 Jahren nach einer folgenschweren Fehldiagnose.
Er war nicht drogensüchtig, sondern sehr gesundheitsbewusst und litt an Diabetes. Er war bereits geschwächt aus Paris angereist, gesundheitlich angeschlagen, von Halluzinationen geplagt. Beim Auftritt zur Eröffnung des Jazzclubs Tangente in der Bundesallee brach er mitten im Spiel auf der Bühne zusammen. Die Mitmusiker und der Veranstalter brachten ihn hierher ins nächst­gelegene Krankenhaus.
Eine Nervenstörung wurde vermutet, vielleicht auch Entzugserscheinungen, etwas Ruhe sollte helfen. Als die anderen Musiker Eric Dolphy am nächsten Tag in der Klinik besuchen wollten, war er tot – gestorben im diabetischen Koma.
Er war nach Berlin gekommen, um bei den ersten Berliner Jazztagen aufzutreten, die dann ohne ihn stattfinden mussten. Beim diesjährigen 50. Jazzfest Berlin wurde er zum Mittelpunkt des Festivals. Viele Musikerinnen und Musiker erinnerten an den vor 50 Jahren gestorbenen Jazzmusiker.
»Ein heller Stern erlosch«, berichtete damals die Berliner Morgenpost. Eric Dolphy hatte dem damaligen Modern-Jazz mit Altsaxophon, Bassklarinette und Flöte neue Impulse gegeben und wurde zum stilprägenden Vorbild im modernen Jazz. Von den Musikerinnen und Musikern wird in einem Atemzug mit Miles Davis und John Coltrane genannt.

Gemeindehaus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, 28.11.2014

Lietzenburger Str. 39: Gemeindehaus, Stolperstein für Thekla Skorra
Das Gemeinde- und Pfarrhaus der Kaiser Wilhelm Gedächtnis Kirche wurde 1898-99 erbaut.
Der Stolperstein für die jüdische Schriftstellerin Thekla Skorra wurde 2010 vor dem Gemeindehaus verlegt.
Thekla Skorra wurde am 19. August 1866 als zweites Kind des Rittergutbesitzers Aron Simon Gottliebson und seiner Ehefrau Mariechen Johanna, geb. Filehne, in Berlin geboren.
1873 zog die Familie nach dem Tod des Vaters nach Eberswalde, wo vier Jahre später auch die Mutter starb. Die beiden Kinder wuchsen bei Verwandten in Berlin auf, dort absolvierte Thekla eine Ausbildung auf der Militär-Dolmetscherschule und legte die Dolmetscherprüfung in Französisch und Englisch ab.
Im Alter von 19 Jahren heiratete Thekla Gottliebson den Kaufmann Lesser Skorra und zog mit ihm nach Leibitsch, einem kleinen Dorf in Ostpreußen unweit der russischen Grenze. Dort wurde am 25. Juli 1888 ihr Sohn Bruno geboren. Um 1903 kehrte die Familie nach Berlin zurück. Thekla Skorra wurde Schriftstellerin und Mitglied im Deutschen Schriftstellerinnenbund, wo sie sich auch gesellschaftspolitisch engagierte. 1905 erschien ihr Gedichtband “Wovon mein Herz sich freigesungen” und die Sammlung “Briefe einer Mutter”.
1915 zogen Thekla Skorra und ihr erwachsener Sohn, inzwischen Architekt, in die Achenbachstraße 18/19, heute Lietzenburger Straße 39. Am 1. Mai 1916 fiel Bruno während des Ersten Weltkrieges in Frankreich. Sie arbeitete als Redakteurin der Zeitschrift Die Kinderfürsorge und war weiter als Schriftstellerin und Publizistin aktiv. Zahlreiche Gedichte, Erzählungen und Essays aus ihrer Feder konnten ausfindig gemacht werden. Einige Werke, wie zum Beispiel Die Dorfhexe, bleiben jedoch bis heute verschollen. Thekla Skorra blieb 24 Jahre lang in dem Haus an der Achenbachstraße in Wilmersdorf wohnen, das schon damals das Gemeindehaus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche war. 1939 zog sie in die Barbarossastraße 46 nach Schöneberg um. Am 14. Januar 1943 wurde sie nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 3. Juni 1943 ums Leben kam.

Lietzenburger Str. 32: Stolperstein für Theodor Loewenthal
2013 wurde vor dem Haus Lietzenburger Straße 32 (früher Achenbachstraße 4) ein Stolperstein für Theodor Loewenthal verlegt. Theodor Loewenthal wurde 1861 in der Nähe von Karlsbad geboren. Mit 13 wanderte er 195 km nach Berlin, um hier sein Glück zu machen. Er ging bei einem Fleischer in Friedrichshagen in die Lehre. 1898 kaufte er dieses Grundstück an der damaligen Achenbachstraße 4. Er ließ ein Gebäude errichten, das ihm zugleich als Wohnhaus, Fleischerei und Wurstfabrik diente. Er produzierte nicht koscher und belieferte vor allem die vielen säkularen Juden im Berliner Westen. In dem Haus gab es Ställe für vier Pferde. Theodor Loewenthal fuhr in der eigenen Kutsche zur Oper und besaß eines der ersten Automobile in Berlin. Sein Sohn Hans Loewenthal wurde Medizinwissenschaftler. Er emigrierte 1933 nach London, wo ihn sein Vater mehrmals besuchte. Aber er kehrte immer wieder nach Berlin zurück.
1938 wurde er gezwungen, sein Haus zu verkaufen. Vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald wurde Theodor Loewenthal am 8. Juli 1942 zusammen mit 99 anderen Berliner Juden nach Theresienstadt deportiert. Dort musste der 81-jährige im Ghetto noch zwei Wochen unter scheußlichen Bedingungen aushalten, bis er am 22. Juli 1942 ums Leben kam. Der Stolperstein zum Gedenken an ihn liegt an der Stelle, wo einst das von ihm erbaute, nicht mehr existierende Haus stand.

Hotel Sana Berlin, 28.11.2014

Lietzenburger Str. Ecke Nürnberger Str.: Hotel Sana Berlin (Ehem. Wühlmäuse)
Der Schauspieler und Kabarettist Dieter Hallervorden gründete gemeinsam mit Schauspielerkollegen 1960 in der ehemaligen Schöneberger Scala die Wühlmäuse mit einem poltisch-satirischem Kabarettprogramm. Nach kurzer Zeit zog das Kabarett hierher um in die größeren Räume des “Theaters an der Lietzenburger”, wo es eine der beliebtesten und erfolgreichsten Kabarettbühnen Berlins wurde. Schließlich zog Dieter Hallervorden 1999 an den Theodor-Heuss-Platz, wo er im März 2000 die jetzige Spielstätte der Wühlmäuse im früheren Amerikahaus eröffnete.
Hier wurde das Hotel Sana Berlin errichtet.

Spichernstraße
Die Straße wurde 1888 benannt, nach einem kriegerischen Ereignis, wie so viele Straßen damals. Spicheren ist eine Gemeinde in Lothringen, und im deutsch-französischen Krieg wurden 1870 die stark befestigten Spicherer Höhen durch deutsche Truppen eingenommen – wenn auch mit schweren Verlusten.

Nürnberger Platz, 28.11.2014

Nürnberger Platz
Der Nürnberger Platz war seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Mittelpunkt einer gutbürgerlichen Gegend mit hochherrschaftlichen Mietshäusern. Sie wurden im Zweiten Weltkrieg vollkommen zerstört. Erich Kästner schrieb darüber wenige Tage vor Weihnachten 1944 an einen Freund: „Heute gelänge es nur noch Archäologen, die Gegend zu rekonstruieren.“ Dieser Satz gilt auch heute noch. Damals gab es hier sogar einen U-Bahnhof, der heute nicht mehr existiert.
Am Nürnberger Platz 2 befand sich bis 1926 das Café Nürnberg. 1926 wurde es von neuen Besitzern unter dem Namen „Café Carlton“ neu eröffnet. Hier soll es die köstlichsten Mohn- und Apfelstrudel von ganz Berlin gegeben haben. Es wurde Erich Kästners erstes Stammcafé als er 1927 von Leipzig nach Berlin zog. Er wohnte zwei Jahre lang als möblierter Herr bei der Witwe Ratkowski am anderen Ende der Prager Straße in der Nähe des Prager Platzes. Das Café diente ihm als Büro und Konferenzzimmer.
Hier, im Café Carlton, hat er den größten Teil von „Emil und die Detektive“ geschrieben. Hier führte er auch das Einstellungsgespräch mit Elfriede Mechnig. Er begann mit der Frage: „Wollen Sie mir helfen, berühmt zu werden?“ Sie wurde seine wichtigste Partnerin als Schreibkraft, Privatsekretärin, Vertriebschefin und Literaturagentin – bis zu seinem Tod 1974 und darüber hinaus.
Das Carlton war kein Prominentencafé. Es bot Kästner „jene Mischung aus Öffentlichkeit und Zurückgezogenheit, die er beim Schreiben schätzte: umflossen von der gedämpften Betriebsamkeit des Kaffeehauses, aber nicht permanent abgelenkt durch Künstlerprominenz oder Schaulustige an den Nebentischen.“ So beschreibt es Michael Bienert in seinem vor wenigen Tagen neu erschienenen wunderbaren Buch „Kästners Berlin“. Es enthält nicht nur die penibel genau recherchierten Schauplätze von Kästners Literatur, sondern auch unzählige Fotos von damals und heute. Das Buch ist das ideale Weihnachtsgeschenk für Flaneure, also für Kiezspaziergängerinnen und –spaziergänger – eine Empfehlung von Karl-Heinz Metzger, der es gerne zur Ansicht herumgibt.

Spichernstr. 1: Berliner Mieterverein
1888 wurde der Verein Berliner Wohnungsmiether gegründet, um gegen “Miethswucher und Eigenthümertyrannei” zu kämpfen. 2 Jahre später hatte er schon mehr als 6.000 Mitglieder. Das erste Büro befand sich in der Kreuzberger Solmsstraße. Nachdem die zentrale Geschäftsstelle sich zu West-Berliner Zeiten schon einmal in der Spichernstraße befunden hatte, wurde sie 1990 zunächst nach Mitte in die Nähe des Brandenburger Tores verlagert. Mit dem schnellen Wachstum der Mitgliederzahlen platzte diese Geschäftsstelle bald aus allen Nähten und erzwang 2012 einen neuerlichen Umzug. Seither befindet sich die zentrale Geschäftsstelle hier an der Spichernstraße 1, wenige Meter von der ersten Geschäftsstelle in der Spichernstraße entfernt. Heute hat der Berliner Mieterverein 150.000 Mitglieder, bietet Rechtsberatung in allen Fragen des Mietrechts an und vertritt seine Mitglieder gegenüber der Berliner Landespolitik.

Denkstein für Lilly Wolff, 28.11.2014

Spichernstr. 7: Denkstein für Lilly Wolff (Karl-Heinz Metzger)
Am 20. März 2009 wurden auf Initiative von Wolfgang Knoll in Charlottenburg-Wilmersdorf im Auftrag der Evangelischen Hilfsstelle für ehemals Rasseverfolgte 11 “Denksteine” verlegt. Eigentlich sollten Stolpersteine an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des “Büros Pfarrer Grüber” erinnern. Da aber Gunter Demnig das Stolpersteinprojekt in erster Linie als “Kunstprojekt für Europa” sieht und deshalb die von der Evangelischen Hilfsstelle gewünschten Texte nicht in sein Konzept passten, erklärte er sich einverstanden mit der von Wolfgang Knoll angeregten Alternative, den “Denksteinen”, von denen insgesamt 14 Stück verlegt wurden
Wolfgang Knoll ist am 27. Februar dieses Jahres im Alter von 78 Jahren an einer Krebserkrankung gestorben. Er war Stadtvormund des Bezirksamtes Wilmersdorf und engagierte sich nach seiner Pensionierung unter anderem für die Verlegung von Stolpersteinen in Charlottenburg-Wilmersdorf. 2008 wurde er dafür mit der bezirklichen Bürgermedaille ausgezeichnet. Auf seine Initiative ging die Gründung des Vereins zur Förderung des Gedenkbuches für die Charlottenburger Juden e.V. zurück. 2009 erschien das von ihm herausgegebene Buch “Juden in Charlottenburg”.
Wolfgang Knoll war Freimaurer. Und er war ein beeindruckender, starker, humorvoller Mensch. Viele Kolleginnen und Kollegen haben ihn als überzeugendes Vorbild in Erinnerung. Er übte seinen Beruf als Stadtvormund mit Leidenschaft aus. Er setzte sich ein für die Menschen, die ihm anvertraut waren. Nach dem Ende seiner beruflichen Tätigkeit kümmerte er sich ebenso engagiert und hartnäckig um die Charlottenburg-Wilmersdorfer Geschichte. Er sorgte dafür, dass in Charlottenburg-Wilmersdorf mehr Stolpersteine verlegt wurden als in jedem anderen Bezirk. In engem Kontakt mit den Nachkommen erreichte er, dass endlich an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert werden konnte.
Er entwickelte sich zum Experten für diesen Teil unserer Geschichte und gab sein unschätzbares Wissen nicht nur in Form eines Buches über die “Juden in Charlottenburg” weiter, sondern er regelte die Nachfolge so verantwortungsbewusst, dass die Stolpersteine-Initiative nahtlos an seine Arbeit anknüpfen konnte. Sein Nachfolger wurde Helmut Lölhöffel, der das Stolpersteine-Projekt ebenso engagiert aber auch ganz andere Weise seit 4 Jahren erfolgreich weiterführt. Während Wolfgang Knoll eher ein starker Einzelgänger war, setzt Helmut Lölhöffel mehr auf ein Team, das er für die Aufgabe begeistert. Die beiden sind ein hervorragendes Beispiel dafür, wie gut die Übergabe einer sehr stark von der Persönlichkeit geprägten Aufgabe an einen Nachfolger gelingen kann.

Lilly Wolff geboren am 16.06.1896 in Berlin, war Lehrerin an der “Familienschule” in der Oranienburger Str. 20“. Dies war eine 1939 gegründete gemeinsame evangelisch-katholische Einrichtung für “nichtarische” Kinder christlichen Glaubens. Lilly Wolff wurde am 5.9.1942 ab Konstanzer Str. 3 über das Sammellager Synagoge Levetzowstr. 7-8 nach Riga deportiert und dort am 8.9.1942 ermordet.
Lilly Wolff hatte im Büro Grüber mitgearbeitet. Das war eine im September 1938 vom Berliner Pastor und späteren Propst Heinrich Grüber gegründete Organisation der Bekennenden Kirche, die vor allem rassisch verfolgten evangelischen Christen die Auswanderung aus dem nationalsozialistischen Deutschland zu ermöglichen. Das Büro Grüber ermöglichte die Emigration von mehr als eintausend Juden, insbesondere der evangelischen Kirche nahestehenden konvertierten Juden.

Spichernstr.20: Stolpersteine
Die Stolpersteine für Margarete, Ellen und Benno Jonas wurden im Oktober 2012 vor dem Eingang zur Wohnsiedlung Wilmershof verlegt. Margarete (Jg. 1893) und Ellen Jonas (Jg. 1922) wurden 1943 in Auschwitz ermordet, Benno Jonas (Jg. 1872) 1942 in Theresienstadt.

Spichernstr. 19: Stolpersteine
Die Stolpersteine für Julius und Bertha Pinner wurden 2009 verlegt. Bertha Pinner (Jg. 1873) wurde 1942 in Theresienstadt ermordet, Julius Pinner (Jg. 1869) 1943, ebenfalls in Theresienstadt.

Mit Elfi Jantzen am Haus Spichernstraße 15, 13.12.2014

Spichernstr. 15: Ferdinand von Bredow (Bezirksstadträtin Elfi Jantzen)
2008 sorgte Wolfgang Knoll dafür, dass auf dem Gehweg vor dem Haus Spichernstraße 15 eine Gedenktafel für Ferdinand von Bredow enthüllt werden konnte. Weil der Hausbesitzer nicht erlaubte, dass eine Gedenktafel an seinem Haus abgebracht wurde, ließ Wolfgang Knoll diese pultähnliche Konstruktion herstellen und baute sie eigenhändig in den Gehweg ein.
Die Gedenkstele wurde am 124. Geburtstag von Ferdinand von Bredow enthüllt. Anwesend waren unter anderem Carl-Hasso von Bredow, der Sohn des Geehrten, und Brigadegeneral Christian Westphal, Kommandeur des Standortkommandos Berlin der Bundeswehr, Der Text lautet:

Gedenkstele für Ferdinand von Bredow, 28.11.2014

“Im Haus Spichernstraße 15 lebte von 1930 bis 1934
Generalmajor a.D.
Ferdinand von Bredow
16.5.1884 – 1.7.1934
Er wurde von den Nationalsozialisten gezwungen,
zum 1. Februar 1933 seinen Abschied zu nehmen.
Auf Befehl Hitlers und Görings wurde er in der Nacht
vom 30. Juni zum 1. Juli 1934 von der SS ermordet.”

Von Bredow stammte aus dem märkischen Uradelsgeschlecht Bredow. Er kam 1902 als Leutnant in das Königin Elisabeth Garde-Grenadier-Regiment Nr. 3, das seinen Sitz in der Soorstraße in Charlottenburg hatte – dort wo heute das THW untergebracht ist.
Als Offizier im Ersten Weltkrieg wurde er mehrfach ausgezeichnet.
In der Reichswehr gehörte er ab 1925 der Abwehrabteilung des Reichswehrministeriums an und übernahm 1930 deren Leitung.
1932 wurde er bei der Ernennung Kurt von Schleichers zum Reichswehrminister dessen Stellvertreter. Nachdem Schleicher im Dezember 1932 zum Reichskanzler ernannt worden war, übernahm Bredow kommissarisch die Leitung des Reichswehrministeriums. Im Januar 1933 plädierte er für einen militärischen Staatsstreich, um den Sturz der Regierung Schleicher zu verhindern. Schleicher aber trat zurück. Nach Antritt der Regierung Hitler am 30. Januar 1933 und der Übernahme des Reichswehrministeriums durch Werner von Blomberg wurde Bredow bereits am 1. Februar 1933 entlassen.
Am 30. Juni 1934 wurde Schleicher im Zusammenhang mit dem sogenannten Röhm-Putsch ermordet. Am Abend des gleichen Tages wurde Bredow von Angehörigen der SS verhaftet und in die SS-Kaserne Lichterfelde verschleppt.
Bei seiner Ankunft dort war er bereits tot. Er wies zwei Schussverletzungen im Kopf auf. Die Motive für Bredows Ermordung sind unklar. Möglicherweise kannte er delikate Interna der NSDAP und ihrer führenden Personen. Insbesondere Hermann Göring musste besorgt sein, denn er hatte Bredow im November 1932 angeboten, ein Luftfahrtministerium aufzubauen und zwar auch unter einem anderen Kanzler als Hitler. Bredow war ein unliebsamer Mitwisser seiner Zweifel an Hitlers Erfolg.
In der Biografie, die Irene Strenge über Ferdinand von Bredow geschrieben hat, heißt es “In der Spichernstraße 15 hatte das Ehepaar von Bredow eine Wohnung im dritten Stock mit 8 1/2 Zimmern gemietet, die für gesellschaftliche Anlässe Raum genug bot…Er arbeitete in seinem Arbeitszimmer, dem stets Zigarrengeruch entquoll. Bredow rauchte gern und versorgte sich mit Zigarren bei Otto Boenicke, dem Tabakgeschäft von Berlin.”

Spichernstraße 16, 28.11.2014

Spichernstr. 16: Bert Brecht und Helene Weigel
Die Gedenktafel für Bertolt Brecht und Helene Weigel wurde am 6. Mai 1989 hier enthüllt. Barbara Brecht-Schall musste noch einen Ausreiseantrag stellen, bevor sie zur Gedenktafelenthüllung von Buckow hierher reisen durfte. Der Text lautet:
In dem früher hier stehenden Haus lebten
BERTOLT BRECHT
10.2.1898 – 14.8.1956
Schriftsteller
HELENE WEIGEL
12.5.1900 – 6.5.1971
Schauspielerin
Brecht schrieb hier den Text der “Dreigroschenoper”.
Beide emigrierten 1933, zuletzt in die USA.
Lebten seit 1948 in Berlin (Ost) und gründeten dort 1949 das “Berliner Ensemble”.

“Ich freue mich sehr auf Berlin und die Spichernstraße.” schrieb der 26jährige Dramatiker Bertolt Brecht am 18. Juni 1924 von einer Italienreise an die Schauspielerin Helene Weigel. In Italien war Brecht noch mit seiner damaligen Ehefrau Marianne Zoff unterwegs. Nur wenige Wochen später übersiedelte er von München nach Berlin in die Spichernstraße 16, wo Helene Weigel seit 1922 das Dachatelier eines großen Mietshauses bewohnte. Als im November 1924 der gemeinsame Sohn Stefan geboren wurde, bat Brecht Helene Weigel, sich eine andere Wohnung zu nehmen, da der Säugling dem Vater die Ruhe zum Arbeiten raubte. Der guten Beziehung tat diese Bitte keinen Abbruch. Bereitwillig räumte die Weigel ihr schönes Domizil und zog mit dem Sohn in die nahe gelegene Babelsberger Straße 52.
Brecht war in den 1920er Jahren Stammgast in den Künstlerlokalen des Berliner Westens hier in Charlottenburg und Wilmersdorf, vor allem in der Prager Diele am Prager Platz.
Als Brecht im Dezember 1927 vom Finanzamt Wilmersdorf schriftlich aufgefordert wurde, endlich die säumige Steuererklärung abzugeben, antwortete er:
“Ich schreibe Theaterstücke und lebe, von einigen äußerst schlecht bezahlten Nebenarbeiten abgesehen, ausschließlich von Vorschüssen der Verlage, die in der Form von Darlehen an mich gegeben werden. Da ich mit den Stücken vorläufig beinahe nichts einnehme, bin ich bis über den Hals meinen Verlagen gegenüber in Schulden geraten. Ich wohne in einem kleinen Atelier in der Spichernstraße 16 und bitte Sie, wenn Sie Reichtümer bei mir vermuten, mich zu besuchen.”
Der große Erfolg der “Dreigroschenoper”, die am 31. August 1928 im Theater am Schiffbauerdamm uraufgeführt wurde, sanierte das Brechtsche Budget und ermöglichte den Umzug in eine größere Wohnung in der Hardenbergstraße 1A am heutigen Ernst-Reuter Platz, wo endlich die ganze Familie Brecht-Weigel ausreichend Platz fand.

Mit Marc Schulte an der IBB, 13.12.2014

Bundesallee (Bezirksstadtrat Marc Schulte)
Die frühere Kaiserallee wurde 1950 gleichzeitig mit der Eröffnung des Bundeshauses in Bundesallee umbenannt. Die frühere Kaiserallee mit Boulevardcharakter wurde nach dem Krieg autobahnähnlich ausgebaut und wurde dadurch zur Trennlinie zwischen den Kiezen.
Hier am so genannten Spichernplatz, an der großen Kreuzung mit dem Hohenzollerndamm, Spicherstraße und Meierottostraße wurde auf dem Grünstreifen 1991 die Skulptur “Von der Dicken Berta zur Roten Rosa” von Igael Tumarkin aufgestellt. Mit der “Dicken Berta” ist eine Kanone gemeint, die im Ersten Weltkrieg von der Deutschen Reichswehr verwendet wurde, und mit der “Roten Rosa” Rosa Luxemburg, die den Militarismus im Kaiserreich bekämpfte.

Bundesallee 210: Investitionsbank Berlin IBB
Horst Haseloff, Klaus Hendel und Wolfgang Hotzel bauten hier 1971-75 das Verwaltungsgebäude für die damalige Wohnungsbau-Kreditanstalt WBK. Entstanden ist ein 12-geschossiges Hochhaus parallel zur Bundesallee. Es riegelt die ursprünglich hier einmündende Regenburger Straße durch eine Überbauung ebenso ab wie wir es eben bei der Pariser Straße gesehen haben.
Über die Wohnungsbau-Kreditanstalt wurde größtenteils der soziale Wohnungsbau in Berlin finanziert; 1993 ging sie in der Investitionsbank Berlin IBB auf, die neben der Förderung von seniorengerechtem und umweltfreundlichem Bauen auch Wirtschaftsförderung betreibt. 1996-98 wurde das Haus durch Stankovic + Bonnen zum Bankhaus für die Investitionsbank umgebaut. Die dunkelbraune Aluminiumfassade wurde durch eine grüne Granit- und Glasverkleidung ersetzt.

Zerberus, IBB, 28.11.2014

Im Jahr 2000 wurde rechts neben dem Eingang die Skulptur “Cerberus” von Ewerdt Hilgemann enthüllt. Was die einen für eine zerknitterte Blechdose halten, ist für die anderen ein besonders gelungenes Kunstwerk. Die sechs Meter hohe implodierte Edelstahlskulptur entwarf der Künstler in seiner Amsterdamer Werkstatt. Mit ihrem drei Millimeter dicken Stahl wiegt sie annähernd 1,5 Tonnen. Inklusive Sockel kostete sie 250.000 DM.
Der Künstler hat seine Skulptur “Cerberus” getauft. In der griechischen Mythologie ist der “Zerberus” ein dreiköpfiger, drachenschwänziger Hund, der den Eingang zum Hades bewachte. Er erlaubte nur Schatten, die Unterwelt zu betreten und ließ niemanden aus ihr entkommen. Eine Ausnahme war Orpheus, dem es gelang, den Zerberus mit seinem Leierspiel zu verzaubern.

Von 2007 bis 2012 befand sich an der Außenwand der IBB eine weitere, 16 Meter hohe Skulptur. Sie stammte von dem Künstler Peter Lenk und zeigte eine Karriereleiter, an der sich drei Figuren mehr oder weniger erfolgreich abmühen. Die Investitionsbank Berlin hat 60.000.- EUR dafür ausgegeben, nachdem der Vorstandsvorsitzende Prof. Dieter Puchta sich dafür eingesetzt hatte. Die Urfassung der Karriereleiter steht in Konstanz, wo sie der erste Auftraggeber, die Firma Siemens, auf einem öffentlich nicht zugänglichen Firmengelände versteckt hat.
In der Nacht zum 1.11.2012 ließ die IBB die Skulptur entfernen, “weil sie keine gute Visitenkarte darstelle”. Der Künstler klagte daraufhin auf Wiederherstellung des Werkes – bislang erfolglos. Gerüchte darüber, das Kunstwerk sei abgebaut worden, weil die oberste Figur auf der Leiter Ähnlichkeit mit dem neuen IBB-Vorstand Ulrich Kissing habe, wurden zurückgewiesen.

Bundesallee 204 Ecke Nachodstraße
Hier wurde 2005 das Jobcenter eröffnet, das 2013 umgezogen ist an das Goslarer Ufer 37.

Mit Carsten Engelmann am Wasserwerk, 13.12.2014

Hohenzollerndamm 208: Wasserwerk (Bezirksstadtrat Carsten Engelmann)
Das ehemalige Abwasserpumpwerk Wilmersdorf wurde 1903-06 nach den Entwürfen des Architekten Hermann Müller in Anlehnung an die märkische Backsteingotik erbaut. Es ist Bestandteil der 1902 bis 1906 in Wilmersdorf realisierten Kanalisation und entstand an der tiefsten Stelle ihres Einzugsgebietes. Von dem ehemals ausgedehnten Werkkomplex ist lediglich die Maschinenhalle erhalten. Unmittelbar daneben wurde der Neubau eines Pumpwerkes als Stahl-Glas-Bau von Professor Ackermann errichtet.
1999 wurde die alte Halle geschlossen. Nach der Umgestaltung zu einem Mix aus Restaurant und Club wurde das Haus im Oktober 2001 unter dem Namen “Wasserwerk” neu eröffnet. Bis zu 400 Gästen finden auf den 1015 Quadratmetern Platz. Das Wasserwerk kann für Veranstaltungen gemietet werden.
Die beiden Gebäude, die im Abstand von fast 100 Jahren errichtet worden ermöglichen einen schönen Vergleich zwischen Industriebaukultur um 1900 und um 2000.

Mit Superintendent Grün-Rath in der Kirche am Hohenzollernplatz, 13.12.2014

Kirche am Hohenzollernplatz
Die evangelische Kirche am Hohenzollernplatz wurde 1930-33 von Fritz Höger, dem Architekten des Chilehauses in Hamburg, als dreischiffige Langhausbasilika erbaut. Wegen ihrer futuristisch anmutenden Architektur und der Nachbarschaft des neugotischen Wasserwerks wird sie auch “Kraftwerk Gottes” genannt. Der rote Klinkerbau mit dem grünen Kupferdach ist ein Hauptwerk des norddeutschen Backsteinexpressionismus und ein herausragendes Beispiel expressionistischer Sakralarchitektur. Ich freue mich, dass Superintendent Grün-Rath uns die Kirche persönlich vorstellt.

Abschied in der Kirche am Hohenzollernplatz, 13.12.2014