Kiezspaziergang am 9.9.2006

vom Bahnhof Zoo zur Prinzregentenstraße

Start am Bahnhof Zoo mit Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen; Foto: KHMM

Start am Bahnhof Zoo mit Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen; Foto: KHMM

mit Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen

Treffpunkt: Bahnhof Zoo, unter der Normaluhr am Haupteingang

Sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen zu unserem Kiezspaziergang im September. Als erstes habe ich Ihnen heute 30 Gutscheine für je einen Espresso mit Keks anzubieten. Ich hoffe, dass Sie es nicht als unlautere Werbung empfinden. Aber der Inhaber des Coffee & Sound in der Ruhlaer Straße 15 in Schmargendorf, Peter Sikorski, hat mir einen so netten Brief geschrieben, dass ich nicht widerstehen konnte:
“Ich möchte Ihre Kiezspaziergänge aktiv unterstützen und füge diesem Schreiben 30 Gutscheine für meinen Coffeeshop bei. Bitte verteile Sie die Gutscheine nach eigenem Ermessen.”
Da wir mehr als 30 Personen sind, haben wir 300 Lose hergestellt, von denen 30 zu einem Gutschein führen. Wir lassen also jetzt den Beutel herumgehen, so lange bis alle Lose verteilt sind. Wer dann ein Los mit einem “Herzlichen Glückwunsch” gezogen hat, kann sich bei Herrn Metzger einen Gutschein für einen Espresso mit Keks abholen.

Heute geht es zunächst über den neu gestalteten Breitscheidplatz zum Europa-Center, wo wir aus der 20. Etage den Überblick über die beiden Berliner Citys genießen werden. Danach werden wir an der östlichen Grenze unseres Bezirks entlang durch die Nürnberger Straße, Augsburger Straße und Bamberger Straße gehen, einen kleinen Abstecher zum Fest der Nationen auf dem Prager Platz machen und schließlich im Haus unserer Musikschule in der Prinzregentenstraße erleben, wie dort ein großes Musikfest am Tag der offenen Tür gefeiert wird.

Wie gewohnt möchte ich Ihnen gleich zu Beginn den nächsten Treffpunkt mitteilen. Und ganz im Gegensatz zu unserer heutigen City-Tour verspricht unser nächster Kiezspaziergang ein besonders außergewöhnliches Naturerlebnis zu werden. Wir besuchen wieder einmal den Grunewald. Und zwar starten wir am Samstag, dem 14. Oktober, um 14.00 Uhr am unteren Parkplatz beim Wirtshaus Schildhorn. Das ist gut über die Havelchaussee zu erreichen, entweder mit dem Bus 218, mit dem Fahrrad oder mit dem eigenen Auto. Wir werden gemeinsam mit Frau Dr. Beate Witzel von der Naturwissenschaftlichen Sammlung einen Rundgang durch den Dachsgrund machen und am Ende wieder am Wirtshaus Schildhorn herauskommen, so dass das eigene Fahrrad oder Auto dort auch wieder abgeholt werden kann. Frau Dr. Witzel ist Mitarbeiterin der Naturwissenschaftlichen Sammlung des Stadtmuseums an der Schloßstraße 69a hinter dem Heimatmuseum, und sie ist darauf spezialisiert, die naturgeschichtlichen Grundlagen unserer Region Berlin sehr anschaulich und eindrucksvoll zu erläutern.
Wir werden also im Grunewald vor Ort nicht nur etwas über die Tier- und Pflanzenwelt erfahren, sondern vor allem auch über die geologischen Formationen, wie sie sich während und nach der Eiszeit entwickelt haben.
Wie Sie wissen, ist unser Ausflug zur Insel Usedom am 23. September mit Kiezspaziergang schon lange komplett ausgebucht. Ich hoffe, dass alle Interessierten unter Ihnen noch rechtzeitig buchen konnten.
Es gibt aber inzwischen einen zweiten Termin am Wochenende vom 7. zum 8. Oktober. Beim Reisebüro Atlasreisen am Fehrbelliner Platz 5 gibt es noch ein paar Plätze.
Unser Heimatmuseum an der Schloßstraße 69 hat schon eine Reihe von Projekten mit den Usedomer Kaiserbädern veranstaltet und bis zum 28. Oktober wird dort eine Ausstellung gezeigt mit dem Titel “Die Kaiserbäder auf Usedom – ein Vorort Berlins”. Viele Villen dort wurden von Charlottenburg-Wilmersdorfer Bauherren errichtet.

Heute also eine City-Tour. Hier am Bahnhof Zoo und auf dem Breitscheidplatz gibt es so viel zu erzählen, dass ich mich auf das Notwendigste beschränken muss, damit wir überhaupt spazieren gehen können.

Bahnhof Zoo
Der Bahnhof wurde 1878-82 von Ernst Dircksen gebaut und zunächst für den Stadtbahnverkehr, aber bereits nach zwei Jahren 1884 auch für den Fernverkehr geöffnet. Kurz danach wurde der Ausbau des Kurfürstendammes beendet, und schnell wurde der Bahnhof Zoo zu einer Art Hauptbahnhof für die neue City im Berliner Westen. Wenn wir also heute dafür kämpfen, dass am Bahnhof Zoo wieder Fernzüge halten, dann hat das nichts mit West-Berlin-Nostalgie zu tun, sondern wir beziehen uns auf die Tradition des Fernbahnhofs Zoo, die bereits 122 Jahre dauert. Ich bin sicher, dass die Schließung des Fernbahnhofs seit dem 28. Mai dieses Jahres nur eine kurze Episode in dieser langen Geschichte des Bahnhofs bleiben wird.
Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurden 1954-57 die Fernbahnhalle und die niedrigere S-Bahn-Halle verglast und ein terrassenförmiger Restaurantvorbau errichtet. 1985-89 erfolgte eine aufwändige Restaurierung. Während der Teilung der Stadt war die Deutsche Reichsbahn zuständig für den Bahnhof Zoo, und er war lange Zeit der einzige Fernbahnhof und damit wiederum der eigentliche Hauptbahnhof West-Berlins.
Der Bahnhof Zoo wurde durch das Buch von Christiane F., das später verfilmt wurde, auch zum Synonym für die Schattenseiten der Großstadt, für die Drogen- und Obdachlosenszene, aber auch durch das Musical “Linie 1” des Grips-Theaters zum Symbol für die Sehnsüchte vieler Jugendlicher nach den Freiheiten und Entfaltungsmöglichkeiten der Großstadt.
1994 fusionierten die Deutsche Reichsbahn und die Deutsche Bundesbahn zur Deutschen Bahn AG, die 1995 den Servicebetrieb neu ordnete und damit auch den Bahnhof Zoo im Inneren völlig umgestaltete. Gegen den Widerstand von Künstlern und Intellektuellen aus dem Ost- und Westteil der Stadt wurde dabei auch die legendäre Heinrich-Heine-Buchhandlung geschlossen.
Der Bahnhof Zoo ist der bedeutendste Bahnhof in der westlichen City und der größte Nahverkehrsknotenpunkt Berlins. Hier treffen Fern-, S- und U-Bahn und viele Buslinien zusammen. Es gibt durchschnittlich je 200 an- und abfahrende Züge, 600 Halte der S-Bahnen und 100.000 Reisende insgesamt. Allerdings machen die 20.000 Fernreisenden täglich, die seit dem 28. Mai hier nicht mehr ein- und aussteigen können, den Geschäftsleuten im Bahnhof sehr zu schaffen. Und auch für viele Hotels, Gaststätten und Geschäfte rund um den Bahnhof ist der Verlust deutlich spürbar.
Entsprechend heftig sind die Proteste bei Geschäftsleuten und Bewohnern. Im Bezirksamt und in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf unterstützen alle Parteien gemeinsam den Protest. Eine von Pfarrerin Dr. Helga Frisch angeführte Bürgerinitiative hat schon mehr als 120.000 Unterschriften für die Wiederinbetriebnahme des Fernbahnhofs Zoo gesammelt.
Bahnchef Mehdorn hat inzwischen angekünidgt, er wolle den Bahnhof Zoo ausbauen und modernisieren. Das sei bei laufendem Betrieb bisher nicht möglich gewesen. Weil jetzt weniger Züge im Bahnhof Zoo halten, gebe es endlich Platz, um umfangreiche Arbeiten vornehmen zu können.
Auch in Zukunft bleibe der Bahnhof Zoo ein wichtiger Knoten im Netz mit mehr als 600 S-Bahnen und 198 Regionalzügen täglich. Die Zahl der Fahrgäste liege täglich weiter über 100.000. Er könne sich vorstellen, dass es mehr Geschäfte gebe und der Bahnhof durch das Entfernen der Zwischendecke übersichtlicher werde. Ich hoffe sehr, dass er seine Ankündigung wahr macht und dann endlich einsieht, dass beim nächsten Fahrplanwechsel die Fernzüge, die den Bahnhof Zoo durchqueren, hier auch wieder halten können. Die Argumente der Bahn gegen den Stopp am Bahnhof Zoo sind nicht stichhaltig. Nachweislich werden nicht einmal die 3 oder 4 Minuten eingespart, von denen einmal die Rede war.

Hardenbergplatz
Der Hardenbergplatz wurde 1887 benannt wie die Hardenbergstraße nach dem preußischen Staatskanzler Karl August, Freiherr, Graf, Fürst von Hardenberg (1750-1822).
Der Platz wurde zur 750-Jahr-Feier Berlins1987 umgestaltet und mit so genannten Torhäuschen bebaut, in denen ein BVG-Schalter und Verkaufsstellen untergebracht sind. Für eine damals geplante Tiefgarage hat sich kein Finanzier gefunden.

Das verhällte Zoofenster, Foto: KHMM

Das verhällte Zoofenster, Foto: KHMM

Zoofenster
Das so genannte Zoofenster gegenüber dem Bahnhof ist seit bald 10 Jahren eine Baulücke und hat lange dafür gesorgt, dass Berlin-Besucher nicht gerade den besten Eindruck von der Stadt bekommen, wenn sie hier aussteigen.
Seit zwei Jahren haben wir durch eine Vereinbarung mit der Firma Megaposter immerhin eine ansprechende optische Verkleidung bekommen, die durch Werbung finanziert wird. Vor mehr als zehn Jahren wurde hier gegen die Auffassung des Bezirks ein Hochhausbau durch den Getränkekonzern Brau und Brunnen geplant, ursprünglich nach Plänen des britischen Architekten Richard Rogers, abgelöst von einem Entwurf des Frankfurter Architekten Christoph Mäckler. 1995 wurden die alten Gebäude abgerissen, mit Ausnahme des damaligen Teppich-Kibek-Hauses, wegen dessen Beschädigung es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kam. Der erste Spatenstich folgte 1999, im Sommer 2001 Verkauf an die Kölner Unternehmensgruppe Dr. Ebertz & Partner; vorgesehen war die Nutzung als Luxus-Hotel durch den Hilton-Konzern, im Juli 2002 sprang die Hilton-Gruppe als Betreiber ab, und die Suche nach einem neuen Betreiber begann.

Hutmacher Haus / DOB-Hochaus
Das Hochhaus gegenüber dem Bahnhofsgebäude auf der anderen Seite des Hardenbergplatzes entstand 1955-57 nach Plänen der Architekten Paul Schwebes und Hans Schoszberger mit Büro- und Ausstellungsflächen für die Damenoberbekleidungsindustrie (DOB). Das Haus ist Teil des so genannten Zentrums am Zoo oder Zoobogens, der den Zoologischen Garten als südliche Randbebauung abschließt. Dazu gehören der Zoo-Palast das Bikini-Haus gegenüber der Gedächtniskirche und ein Parkhaus mit der “Blauen Kugel”, in der die Talkshow von Sabine Christiansen stattfindet.

Zoo-Palast, Foto: KHMM

Zoo-Palast, Foto: KHMM

Hardenbergstr. 29a Zoo-Palast
In den 20er Jahren befand sich hier der Ufa-Palast-am Zoo, untergebracht in einem großen Gebäudekomplex, der im Anschluss an die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ebenfalls im romanischen Stil gebaut worden war. In dem großen Komplex befanden sich Ausstellungshallen, Geschäfte, Tanzlokale und vieles mehr. Er wurde im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört.
Anstelle des früheren Ufa-Palastes wurde 1956-57 der Zoo-Palast als Teil des Zentrums am Zoo durch die Architekten Paul Schwebes, Hans Schoszberger und Gerhard Fritzsche als Uraufführungskino mit über 1200 Plätzen für die Berliner Filmfestspiele erbaut. In dem kubischen Bau über einem trapezförmigen Grundriss mit lichtgelber Keramikplattenverkleidung befinden sich zwei versetzt übereinander angeordnete Kinosäle. Das kleine Kino “Atelier am Zoo” hat 550 Plätze. 1994 wurde das Kino durch die amerikanische Betreiberfirma UCI Kinowelt übernommen, renoviert und umgestaltet. Das 50er-Jahre-Flair ging damit verloren, es wurden neun Kinosäle geschaffen. Nach dem Bau großer Multiplexe am Potsdamer Platz und in anderen Bezirken wurden einige Kinos in der City-West geschlossen, Marmorhaus, Gloria-Palast, Filmbühne-Wien, Astor, und auch der Zoo-Palast war bereits in der Diskussion. Aber derzeit stehen die Aussichten gut, dass bei den bevorstehenden umfangreichen Renovierungs- und Umbaumaßnahmen das Kino erhalten bleibt, wenn auch nicht unbedingt in seiner bisherigen Form mit dem großen Saal, der kaum noch rentabel zu betreiben ist.

Budapester Straße
Die Budapester Straße war bis 1925 Teil des Kurfürstendammes. Deshalb fehlen heute die Hausnummern Kurfürstendamm 1 bis 10. 1925 wurde nach dem Tod des Reichspräsidenten Friedrich Ebert die damalige Budapester Straße südlich des Brandenburger Tores in Ebertstraße umbenannt. Um die Ungarn nicht zu verstimmen, wurde ein in etwa gleichwertiger Ersatz gesucht und der Teil des Kurfürstendammes zwischen Corneliusbrücke und dem heutigen Breitscheidplatz in Budapester Straße umbenannt.
In den 20er Jahren entstand hier zwischen Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und Zoologischem Garten als moderne Bebauung ein Geschäftshaus von Hans Poelzig mit dem Kino Capitol im Zentrum. Der gesamte Komplex wurde im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört. An seiner Stelle entstand in den 50er Jahren das Zentrum am Zoo mit dem Bikini-Haus entlang der Budapester Straße.
In den letzten Monaten wurde der Tunnel im Verlauf der Budapester Straße zugeschüttet und damit der Breitscheidplatz wieder an seine nördliche Bebauung am Zoologischen Garten angebunden. Die insgesamt 3,2 Mio EUR für den Umbau wurden zu etwa einem Drittel von privaten Anliegern bezahlt, der Bayerischen Immobilien AG, dem Europa Center und Ebertz & Partner. Allerdings wurde dadurch der beklagenswerte Zustand des Bikini-Hauses erst richtig sichtbar. Erste Arbeiten an der Fassaden wurden bereits begonnen. Umfangreiche Umbauarbeiten stehen bevor.

Breitscheidplatz
Der Platz wurde 1889 als “Gutenbergplatz” angelegt und 1892 umbenannt in “Auguste-Victoria-Platz”. Drei Jahre später, nach der Errichtung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche 1895, erhielt er seine vorläufig endgültige Form als zentraler Platz des romanischen Forums. Nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 wurde er nach dem SPD-Reichstagsabgeordneten und Gegner des Nationalsozialismus, Rudolf Breitscheid benannt. 1956-60 wurde der Kreisverkehr aufgegeben und der Platz erneut umgebaut. 1977/78 wurde durch die Aufhebung der Straßenverbindung zwischen Kurfürstendamm und Budapester Straße die so genannte “Schnalle” beseitig, und es entstand ein weitläufiger, zusammenhängender Fußgängerbereich.

Weltkugelbrunnen, Foto: KHMM

Weltkugelbrunnen, Foto: KHMM

1982-84 kam es wieder zu einer völligen Umgestaltung des Platzes durch Ivan Krusnik und Oskar Reith mit dem Weltkugelbrunnen, dem so genannten “Wasserklops” aus rotem Granit mit Bronzefiguren von Joachim Schmettau.
Die neueste Umgestaltung des Platzes wurde im Auftrag des Bezirksamtes durch das Landschaftsarchitekturbüro Heike Langenbach / Roman Ivancsics ausgeführt. Dabei wurde durch die Schließung des Autotunnels im Zuge der Budapester Straße und die Entfernung der Hochbeete eine einheitliche Fläche geschaffen und die Nordseite mit der Budapester Straße und dem Bikinihaus an den Platz angeschlossen. Eine Bänderbeleuchtung im Boden soll den Platz vor allem nachts noch attraktiver machen. Allerdings wird in letzter Zeit kritisiert, dass der Breitscheidplatz nachts kaum noch beleuchtet wird. Auch die Gedächtniskirche wird nicht mehr angestrahlt.
Am 3.Mai dieses Jahres wurde Berlins modernstes WC-Center durch die Firma Wall eröffnet, am 29.5.2006 wurde der von der Bauabteilung des Bezirksamtes neu gestaltete Platz eröffnet.

Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wurde ursprünglich für den Wittenbergplatz geplant, aber schließlich 1891-95 von dem Architekten Franz Schwechten auf dem damaligen Auguste-Viktoria-Platz zu Ehren Kaiser Wilhelms I. als spätromanische Zentralanlage in Form eines lateinischen Kreuzes erbaut. Die Errichtung dieses an eine Kaiserpfalz erinnernden sakralen Monumentalbaus diente weniger einem religiösen Bedürfnis als kaiserlich-staatlicher Repräsentation.
Im Krieg wurde die Kirche schwer beschädigt. Abrisspläne wurden durch Proteste der Berlinerinnen und Berliner verhindert. Daraufhin wurde die Ruine nach einem Teilabriss gesichert und als Mahnmal erhalten. 1959-63 errichtete Egon Eiermann die Neubauten: Einen sechseckigen Turm mit Trauungs- und Taufkapelle und den Hauptbau in Form eines Oktogons, dessen Außenhaut aus wabenförmigen Betonplatten und blauen Glasflächen besteht, die Glasflächen stammen von Gabriel Loire aus Chartres. Lippenstift und Puderdose sagen die Berlinerinnen und Berliner dazu.
Seit 1987 dient die Eingangshalle der alten Kirche mit Resten der reichen Mosaikarbeiten als Gedenkhalle; hier fanden das Nagelkreuz der Kathedrale von Coventry, ein Ikonenkreuz der Russisch-Orthodoxen Kirche und die beschädigte Christusfigur vom Altar der alten Kirche Aufstellung. An der östlichen Außenwand des alten Turmes befinden sich seit 1988 vier Sandsteinskulpturen von Stefan Kaehne.

Romanisches Forum
Kaiser Wilhelm II hatte verfügt, dass rund um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ein romanisches Forum entstehen sollte. Alle Häuser sollten hier im romanischen Stil gebaut werden. So entstanden die beiden romanischen Häuser. Beide wurden von Franz Schwechten erbaut.
Das erste romanische Haus wurde 1894-96 an der Westseite des Auguste-Viktoria-Platzes zwischen Kurfürstendamm und Kantstraße als luxuriöses, großbürgerliches Wohnhaus gebaut. Aber die riesigen Wohnungen waren wohl doch etwas zu teuer, jedenfalls schwer zu vermieten. Deshalb wurde das Haus 1924/25 für das Café Trumpf und das Kino Gloria-Palast durch Lessing und Bremer total umgebaut. Nur die Fassade blieb stehen. Im Innern wurde vollständig entkernt und ein Luxuskino eingebaut, in dem dann die berühmten Uraufführungen mit den Ufa-Stars stattfanden. Im Krieg wurde das Haus total zerstört. Daneben entstand der neue Gloria-Palast.
Das zweite romanische Haus wurde 1900/01 an der Ostseite des Auguste-Viktoria-Platzes zwischen Tauentzienstraße und Kurfürstendamm (heute Budapester Straße) als Wohnhaus gebaut. Im Erdgeschoss eröffnete die Konditorei des Hotels Kaiserhof, später das legendäre Romanische Café. Auch dieses Haus wurde im Krieg zerstört. An seiner Stelle befindet sich heute das Europa-Center.

Kaisereck
Einen Eindruck von der ursprünglichen Bebauung des Romanischen Forums gibt heute noch das Kaisereck am Kurfürstendamm 237 Ecke Rankestraße. Es wurde als Geschäfts- und Bürohaus 1913-14 von Emil Schaudt in gemäßigt neormanischem Stil gebaut. Im Vergleich zu den romanischen Häusern von Schwechten ist es von wohltuender Strenge, ein Rundbau mit Walmdach, im Innern ein monumentales Treppenhaus. Im Erdgeschoss befanden sich Läden und ein Restaurant, in den Obergeschossen Geschäfts- und Büroräume des Seidenhauses Michels, dessen Leuchtreklame später auf das Dach montiert wurde. Nach Kriegsschäden wurde 1954 die Fassade durch Paul Herdrich in vereinfachter Form wieder aufgebaut. Seit 1998 befindet sich eine Zweigstelle der Dresdner Bank darin. Das Dach wurde zu zwei verglasten Geschossen umgebaut.

Europa-Center
Das Europa-Center wurde 1963-65 von Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg unter künstlerischer und städtebaulicher Beratung von Werner Düttmann und Egon Eiermann für den Berliner Geschäftsmann Karl-Heinz Pepper am Standort des kriegszerstörten zweiten Romanischen Hauses als erstes wirkliches Hochhaus der Stadt erbaut. Vorbild war das Rockefeller-Center in New York. Es besteht aus einem 22geschossigen 103 m hohen Hauptgebäude mit vorgehängter Stahl-Glas-Fassade und einem vorgelagertem drei- bis fünfgeschossigem Sockelbau. Die Eröffnung war am 2.4.1965. Auf dem Dach befindet sich seit 1965 ein drehbarer Mercedesstern mit 10 m Durchmesser auf einem 4 m hohen Sockel.
1974 wurde die Eisbahn im Innenbereich entfernt und die ursprünglich offenen Innenhöfe wurden überdacht. Hier wurde terrassenförmig über einem Wasserspiel ein Café eingebaut. 1982 wurde bei einem erneuten Umbau die (Wasser-)“Uhr der fließenden Zeit” des Pariser Physikers Bernard Gitton und der Lotus-Brunnen eingebaut, der 1975 in der Neuen Nationalgalerie installiert worden war. 1984 wurde das Mövenpick-Restaurant in der 1. Etage eröffnet. An der Außenseite wurde 1987 zur 750-Jahr-Feier Berlins eine Licht-Stele von Heinz Mack errichtet.
Zum Europa-Center gehören ein Parkhaus, das Hotel Palace, das Kabarett “Die Stachelschweine” und die “Thermen im Europa-Center”. Zurzeit wird an Stelle des ehemaligen Kinos Royal-Palast ein Saturn-Markt gebaut. Saturn will im Sommer des nächsten Jahres mit 12.000 Quadratmetern Verkaufsfläche eröffnen.

Blick aus der 20. Etage des Europa-Centers, Foto: KHMM

Blick aus der 20. Etage des Europa-Centers, Foto: KHMM

Seit 2005 gibt es eine neue Panoramaetage, in der der 1990 von Peter Gärtner gedrehte 35minütige Film “Mauerflug” gezeigt wird. Er zeigt Luftaufnahmen von der Mauer aus Ost-Berliner Perspektive. Ein Helikoptersimulator auf dem Dach lässt die Besucherinnen und Besucher Charlottenburg-Wilmersdorf und Berlin-Mitte für 6 Minuten aus der Hubschrauberperspektive erleben. In die Panoramaetage im 20. Stock wurden wir von dem Geschäftsführer des Heliport, Herrn Huber, eingeladen. Extra für uns sollen zwei Aufzüge reserviert sein, damit wir schnell hochkommen. Allerdings sind wir für den Hubschrauber-Flugsimulator zu viele. Ich kann den kurzen Flug aber für einen privaten Ausflug, vor allem mit Jugendlichen, sehr empfehlen. Er macht Spaß und gibt einen guten kurzen Überblick über unseren Bezirk.
Genießen Sie also oben den Ausblick in alle vier Richtungen über die City-West, über das Regierungsviertel und über ganz Berlin. Wir treffen uns danach wieder hier unten und gehen dann weiter die Tauentzienstraße Richtung KaDeWe, biegen aber vorher rechts in die Nürnberger Straße, denn dort verläuft die Grenze zu unserem Nachbarbezirk Tempelhof-Schöneberg.

Tauentzienstraße
Die Tauentzienstraße wurde bereits 1864 nach dem preußischen General Graf Friedrich Tauentzien von Wittenberg benannt. Er lebte von 1760 bis 1824, war seit 1804 Truppenkommandeuer, von 1806 bis 1808 in französischer Gefangenschaft und 1814 im Verlauf der Befreiungskriege verantwortlich für die Erstürmung Wittenbergs, wofür ihm der Titel “von Wittenberg” verliehen wurde.
Die Tauentzienstraße ist Teil des so genannten Generalzugs, dessen Straßen alle nach preußischen Generälen benannt sind: Kleist, Bülow, Goeben, Yorck, Gneisenau, Blücher.
Nr. 14
Im ehemaligen Haus der Schuhhandlung Stiller hat am vergangenen Mittwoch die Kölner Damenmode-Kette Appelrath-Cüpper ihre erste Berliner Niederlassung eröffnet. Auf den vier Etagen stehen rund 4.500 Quadratmeter Fläche zur Verfügung. Insgesamt sind hier 150 Arbeitsplätze entstanden. Die Firma richtet sich an Kundinnen mit einem gehobenen Anspruch. Auf Service und Bedienung wird besonders Wert gelegt. Zum Angebot gehört auch eine Änderungsschneiderei. Das vor 124 Jahren in Aachen gegründete Unternehmen hat bereits 13 weitere Filialen in Städten wie Hamburg, Köln, Frankfurt und Dortmund. Appelrath-Cüpper legt wert auf absolute Toplagen und hat deshalb in Berlin lange nach einem Grundstück gesucht, das den Ansprüchen der Firma gerecht wird. Der Tauentzien mit freiem Blick auf die Gedächtniskirche war schließlich das Richtige. Heute gehört die Firma zum Douglas-Konzern, der bundesweit auch die Parfümeriekette Douglas, die Hussel-Süßwarenläden, die Thalia-Buchhandlungen und die Modekette Pohland betreibt.
Der Eigentümer des Stiller-Hauses, die Development Partner AG aus Düsseldorf, hatte das Haus in den letzten Monaten fast komplett abreißen und neu errichten lassen. Nur die denkmalgeschützte Fassade ist stehen geblieben.

Nr.15
Das Haus nebenan wurde 1990-92 durch von Gerkan, Marg & Partner an Stelle eines Vorgängerbaues aus den 50er Jahren errichtet. Es war das Handelsgeschäft und Verwaltungsgebäude der Salamander Schuhhandelsgesellschaft mbH; die turmartig überhöhte Ecke diente als Werbeträger. Nach der Insolvenz des Schuhkonzerns Salamander wechselte das Haus im Sommer 2004 den Besitzer. Beim anschließenden Umbau wurde die Glasfassade verändert, und die Arkaden wurden geschlossen. Im Oktober 2005 eröffnete Adidas in dem Haus über mehrere Etagen ein “Sport- und Performance-Center”.

Die Skulptur "Berlin", Foto: KHMM

Die Skulptur "Berlin", Foto: KHMM

Skulptur “Berlin”
Die Skulptur “Berlin” wurde von Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff als Bestandteil des Skulpturenboulevards geschaffen und zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987 auf dem Mittelstreifen der Tauentzien zwischen Nürnberger und Marburger Straße aufgestellt. Ursprünglich sollten alle Skulpturen wieder abgebaut werden, aber von 8 haben sich drei durchgesetzt: Die “Beton-Cadillacs” von Wolf Vostell am anderen Ende des Kurfürstendammes auf dem Rathenauplatz, die “Pyramide” von Joseph Erben am Kurfürstendamm Ecke Bleibtreustraße und eben “Berlin” hier auf der Tauentzienstraße. Sie wurde zu einem der beliebtesten Fotomotive Berlins.
Vor dem Fall der Mauer symbolisierte sie die beiden Stadthälften, die nicht zueinander finden konnten, und danach den schwierigen Prozess der Wiedervereinigung.

Nr.18
Hier wird am 6. Oktober auf drei Etagen mit 700 Quadratmetern das Modegeschäft Castro eröffnet. Damit kommt die israelische Modekette erstmals nach Berlin. In Israel betreibt Castro knapp 100 Geschäfte und investiert unter anderem in der Schweiz, Russland und Thailand. In Deutschland ist Castro bisher in den Städten Köln, Stuttgart und Münster vertreten.

Nürnberger Straße
Die Nürnberger Straße wurde 1888 benannt, gleichzeitig mit der benachbarten Burggrafenstraße, was darauf verweist, dass die Hohenzollern vor ihrer Einsetzung in der Mark Brandenburg Burggrafen von Nürnberg waren.

Das 1907 eröffnete KaDeWe gehörte bis 1938 zu Charlottenburg. Es war Teil des so genannten Kielgan-Viertels rund um den Wittenbergplatz. Es hatte sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts als gut bürgerliches Wohnviertel entwickelt. Seit der Gebietskorrektur von 1938 bildet die Nürnberger Straße die Grenze zwischen den Bezirken Charlottenburg und Schöneberg.

Nürnberger Straße 50-55
Femina-Palast
Die östliche Seite der Straße mit dem seit Jahren leer stehenden Femina-Palast gehört zu Schöneberg. Er wurde von 1928 bis 1931 im Auftrag des jüdischen Geschäftsmannes Heinrich Liemann im Stil der Neuen Sachlichkeit gebaut. Mit den abgerundeten Erkern und Vorsprüngen erinnert er an das Shell-Haus. In den oberen Etagen war ursprünglich die Branntweinmonopolverwaltung untergebracht, im Erdgeschoss der Ballsaal Femina-Palast. In der Nachkriegszeit hatte hier bis 1996 die Senatsfinanzverwaltung ihren Sitz. In den 80er Jahren hatte der legendäre Club “Dschungel” hier sein Domizil. Jetzt wird für das Hotel Ellington umgebaut.
Seit einigen Jahren ist die Nürnberger Straße im Schatten der Tauentzienstraße etwas ins Hintertreffen geraten. Vor einem Jahre gab es Pläne eines Investors, hier ein Vier-Sterne-Hotel zu bauen.

Lietzenburger Straße
Bis zur Bezirksfusion 2001 war die Lietzenburger Straße die Grenze zwischen Charlottenburg und Wilmersdorf. Sie wurde 1890 nach dem ursprünglichen Namen des Schlosses Charlottenburg benannt. Der Name Lietzenburg wurde von dem Dorf Lietzow abgeleitet, das 1720 nach Charlottenburg eingemeindet wurde.

Nürnberger Str. 33
Hier residierten bis zu ihrem Umzug an den Theodor-Heuss-Platz die “Wühlmäuse” von Dieter Hallervorden, eines der bekanntesten Kabarett-Theater Berlins. Dieter Hallervorden gründete die Wühlmäuse 1960 in der damaligen Schöneberger Scala und präsentierte gemeinsam mit Schauspielerkollegen ein politisch-satirisches Kabarettprogramm. An der Lietzenburger Straße blieb das Theater bis 1999. Im März 2000 eröffnete es am Theodor-Heuss-Platz im früheren Naafi-Haus seine neue Spielstätte. Hier zog dann vorübergehend das Berliner Kriminal-Theater ein. Seit etwa einem Jahr steht das Erdgeschoss leer.

Nürnberger Platz
Der Nürnberger Platz bildet zusammen mit dem Fasanenplatz auf der anderen Seite der Bundesallee und dem Nikolsburger und Prager Platz weiter südlich, ebenfalls rechts und links der Bundesallee die so genannte Carstenn-Figur. Auf dem Stadtplan kann man sehen, dass die vier Plätze zusammen mit den verbindenden Straßen eine regelmäßige geometrische Figur bilden, mit der Bundesallee als Spiegelachse.
Johann Anton Wilhelm von Carstenn hat diese Straßen und Plätze um 1870 anlegen lassen.
Carstenn hatte schon früh die Ausdehnung Berlins nach Westen kommen sehen und formulierte dies bereits 1869 in einem Brief an den damaligen preußischen König und späteren Deutschen Kaiser Wilhelm I. so: “Majestät, Berlin ist zur ersten Stadt des Kontinents berufen, und was seine räumliche Ausdehnung anbelangt, so muß Berlin und Potsdam eine Stadt werden, verbunden durch den Grunewald als Park.”
Ganz so ist es zwar nicht gekommen, und Carstenn verschätzte sich nicht nur mit Potsdam ein wenig, sondern auch mit der Zeit. Er kam einige Jahre zu früh. Er kaufte riesige Ländereien in Wilmersdorf und ließ ein umfangreiches Netz von Straßen und Plätzen rund um die damalige Kaiserallee, die heutige Bundesallee anlegen, wo er eine Landhaussiedlung nach dem Vorbild Lichterfeldes schaffen wollte. Aber wie so oft folgte auf den großen Gründungsboom von 1871 zunächst eine ernüchternde Rezession, in der Carstenn Konkurs anmelden musste. Um 1885 begann aber dann die Bebauung, die sich mit rapider Geschwindigkeit auf fast die gesamte Wilmersdorfer Fläche ausdehnte. Statt einer Landhaussiedlung entstanden nun fünfgeschossige Mietshäuser.
Innerhalb weniger Jahre wuchs Wilmersdorf von einem kleinen Ort mit knapp 5.000 Seelen zu einer Stadt mit über 75.000 Einwohnern im Jahr 1906, in dem es Stadtrechte erhielt. 1910 hatte es bereits mehr als 100.000 Einwohner.
Von der Carstennschen Bebauung ist nur eine einzige Villa in Wilmersdorf übrig geblieben. In dieser Villa feiert unsere Musikschule heute ein Fest, das wir zum Abschluss des Kiezspaziergangs besuchen wollen.
Im Gegensatz zu Fasanen, Nikolsburger und Prager ist der Nürnberger Platz heute kaum noch als solcher erkennbar. Der Platz und die umgebenden Häuser wurden im Krieg stark zerstört. Im Zuge der Neubebauung wurde der Platz reduziert auf eine kleine rechtwinkelige Grünfläche mit Rasen, Baumbestand und am südlichen Ende gestalteter Sitzecke mit kleiner Blumenrabatte und hölzernem Windschutz. Hier gibt es eine holzgeschnitzte Wappentafel mit dem Schriftzug “Nürnberger Platz”.

Spichernstraße
Die Straße wurde 1888 benannt, nach einem kriegerischen Ereignis, wie so viele Straßen damals. Spicheren ist eine Gemeinde in Lothringen, und im deutsch-französischen Krieg wurden 1870 die stark befestigten Spicherer Höhen durch deutsche Truppen eingenommen – wenn auch mit schweren Verlusten.

Gedenktafel für Bert Brecht und Helene Weigel, Foto: KHMM

Gedenktafel für Bert Brecht und Helene Weigel, Foto: KHMM

Spichernstraße 16
Die Gedenktafel für Bertolt Brecht und Helene Weigel wurde am 6. Mai 1989 hier enthüllt. Barbara Brecht-Schall musste noch einen Ausreiseantrag stellen, bevor sie zur Gedenktafelenthüllung von Buckow hierher reisen durfte.

In dem früher hier stehenden Haus lebten
BERTOLT BRECHT
10.2.1898 – 14.8.1956
Schriftsteller
HELENE WEIGEL
12.5.1900 – 6.5.1971
Schauspielerin
Brecht schrieb hier den Text der “Dreigroschenoper”.
Beide emigrierten 1933, zuletzt in die USA.
Lebten seit 1948 in Berlin (Ost) und gründeten dort 1949 das “Berliner Ensemble”.
“Ich freue mich sehr auf Berlin und die Spichernstraße.” schrieb der 26jährige Dramatiker Bertolt Brecht am 18. Juni 1924 von einer Italienreise an die Schauspielerin Helene Weigel. In Italien war Brecht noch mit seiner damaligen Ehefrau Marianne Zoff unterwegs. Nur wenige Wochen später übersiedelte er von München nach Berlin in die Spichernstraße 16, wo Helene Weigel seit 1922 das Dachatelier eines großen Mietshauses bewohnte. Als im November 1924 der gemeinsame Sohn Stefan geboren wurde, bat Brecht Helene Weigel, sich eine andere Wohnung zu nehmen, da der Säugling dem Vater die Ruhe zum Arbeiten raubte. Der guten Beziehung tat diese Bitte keinen Abbruch. Bereitwillig räumte die Weigel ihr schönes Domizil und zog mit dem Sohn in die nahe gelegene Babelsberger Straße 52.
Brecht war in den 20er Jahren Stammgast in den Künstlerlokalen des Berliner Westens hier in Charlottenburg und Wilmersdorf, vor allem in der Prager Diele am Prager Platz.
Als Brecht im Dezember 1927 vom Finanzamt Wilmersdorf schriftlich aufgefordert wurde, endlich die säumige Steuererklärung abzugeben, antwortete er:
“Ich schreibe Theaterstücke und lebe, von einigen äußerst schlecht bezahlten Nebenarbeiten abgesehen, ausschließlich von Vorschüssen der Verlage, die in der Form von Darlehen an mich gegeben werden. Da ich mit den Stücken vorläufig beinahe nichts einnehme, bin ich bis über den Hals meinen Verlagen gegenüber in Schulden geraten. Ich wohne in einem kleinen Atelier in der Spichernstraße 16 und bitte Sie, wenn Sie Reichtümer bei mir vermuten, mich zu besuchen.”
Der große Erfolg der “Dreigroschenoper”, die am 31. August 1928 im Theater am Schiffbauerdamm uraufgeführt wurde, sanierte das Brechtsche Budget und ermöglichete den Umzug in eine größere Wohnung in der Hardenbergstraße 1A am heutigen Ernst-Reuter Platz, wo endlich die ganze Familie Brecht-Weigel ausreichend Platz fand.

Bundesallee
Die frühere Kaiserallee wurde 1950 gleichzeitig mit der Eröffnung des Bundeshauses in Bundesallee umbenannt. Die frühere Kaiserallee mit Boulevardcharakter wurde nach dem Krieg autobahnähnlich ausgebaut und wurde dadurch zur Trennlinie zwischen den Kiezen.
Hier am so genannten Spichernplatz, an der großen Kreuzung mit dem Hohenzollerndamm, Spicherstraße und Meierottostraße wurde auf dem Grünstreifen 1991 die Skulptur “Von der Dicken Berta zur Roten Rosa” von Igael Tumarkin aufgestellt. Mit der “Dicken Berta” ist eine Kanone gemeint, die im Ersten Weltkrieg von der Deutschen Reichswehr verwendet wurde, und mit der “Roten Rosa” Rosa Luxemburg, die den Militarismus im Kaiserreich bekämpfte.

Bundesallee 210
Investitionsbank Berlin IBB
Horst Haseloff, Klaus Hendel und Wolfgang Hotzel bauten hier 1971-75 das Verwaltungsgebäude für die damalige Wohnungsbau-Kreditanstalt WBK. Entstanden ist ein 12-geschossiges Hochhaus parallel zur Bundesallee. Es riegelt die ursprünglich hier einmündende Regenburger Straße bis auf eine Fußgängerpassage vollkommen ab und ist damit ein typisches Beispiel für die in der Stadtplanung der 70er Jahre häufig praktizierte Aufhebung früherer Wege- und Straßenführungen. Über die Wohnungsbau-Kreditanstalt wurde größtenteils der soziale Wohnungsbau in Berlin finanziert; 1993 ging sie in der Investitionsbank Berlin IBB auf. 1996-98 wurde das Haus durch Stankovic Bonnen zum Bankhaus für die Investitionsbank umgebaut. Die dunkelbraune Aluminiumfassade wurde durch eine grüne Granit- und Glasverkleidung ersetzt.

Bundesallee 204 Ecke Nachodstraße
Hier wurde vor einem Jahr das neue Jobcenter eröffnet.

Regensburger Straße
Die Straße wurde 1902 nach der bayerischen Stadt Regensburg in der Oberpfalz benannt.

Bamberger Straße
Die Bamberger Straße wurde um 1900 nach der oberfränkischen Stadt benannt.

Nr.9
Die Gedenktafel wurde am 31. August 1997 auf Privatinitiative der Bewohner des Hauses im Hausflur links neben dem Eingang angebracht:
“Jeder Mensch hat einen Namen
Die folgenden früheren Bewohner dieses Hauses sind als jüdische Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933-1945 bekannt:
Helene Berger, geb. Brunck, geb. am 11.9.1874 in Berlin, im 99. Alterstransport vom 10.1.1944 nach Theresienstadt deportiert, dort verstorben im Oktober 1944.
Amalie Cohn, geb. Peiser, geb. am 11.7.1872 in Posen, im 30. Alterstransport vom 27.7.1942 nach Theresienstadt; Todesort: Minsk, verschollen.
Amalie Lippmann, geb. Haase, geb am 20.9.1868 in Kurnik, Posen; im 30. Alterstransport vom 27.7.1942 nach Theresienstadt, Todesort: Minsk, verschollen.
Georg Schmulowitz, geb. am 15.10.1877 in Berlin, in Sonderaktion gegen Juden vom 27./28.5.1942 als Geisel genommen, Todesort Sachsenhausen am 28.5.1942
Elisabeth Mendelssohn, geb. 1898 in Kaunas, seit 1927 in Berlin, 1935 Flucht nach Leningrad, gestorben 1990 in St. Petersburg
Lydia Passikowa geb. Mendelssohn, geb. am 18.5.1922 in Leningrad, seit 1928 wohnhaft in der Bamberger Str. 9, 1935 Flucht nach Leningrad, heute St. Petersburg.
Berlin, im August 1997”
Bei diesem Haus handelte es sich um ein so genanntes “Judenhaus”. Die Nationalsozialisten richteten solche Häuser ein, die jüdischen Bürgerinnen und Bürgern zugewiesen wurden, nachdem sie aus ihren eigenen Wohnungen vertrieben worden waren. Die “Judenhäuser” waren nur Zwischenstationen auf dem Weg zur Deportation in die Vernichtungslager.

Nachodstraße, Foto: KHMM

Nachodstraße, Foto: KHMM

Nachodstraße
Die Straße hat ihren Namen 1890 nach der Schlacht bei Nachod erhalten. 1866 haben die Preußen in der Nähe der böhmischen Stadt die Österreicher besiegt.
Hier ist gut sichtbar, wie nach Plänen aus den 60er Jahren die Nachodstraße einmal verbreitert und zur Schnellstraße ausgebaut werden sollte, die dann weiter über die Bundesallee hinweg und durch die Meierottostraße zum Kurfürstendamm geführt hätte. Wenn diese Pläne einer autogerechten Stadt realisiert worden wären, wäre unermesslich viel Altbausubstanz zerstört worden. Die Neubauten wurden hier zurückgesetzt, um Platz für die Straße zu machen. Als die Pläne in den 80er Jahren aufgegeben wurden, hat man dann an der Ecke Prager Straße auch wieder neue Häuser bis an die normale Straßenfluchtlinie heran gebaut.

Motzstraße
Die Straße wurde 1901 nach Friedrich Christian Adolph von Motz benannt. Er lebte von 1775 bis 1830 und reformierte als preußischer Finanzminister von 1825 bis 1830 die Finanzverwaltung.

Fest der Nationen auf dem Prager Platz, Foto: KHMM

Fest der Nationen auf dem Prager Platz, Foto: KHMM

Prager Platz
Der Prager Platz wurde 1870 von Johann Anton Wilhelm von Carstenn-Lichterfelde angelegt. Dieser Platz hieß zunächst Halberstädter Platz, 1888 wurde er dann in Prager Platz umbenannt. Er war in den 20er Jahren ein kulturelles Zentrum im Berliner Westen; gelegen in dem zu Wilmersdorf und Schöneberg gehörenden Bayerischem Viertel, der sogenannten “Jüdischen Schweiz”. Hier lebten viele jüdische Bürger, Künstler und Intellektuelle. Bert Brecht traf sich in der “Prager Diehle” mit russischen Emigranten.
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Platz und fast die gesamte Randbebauung vollständig zerstört. 1986 wurde er in Anlehnung an seine historische Form wieder neu gestaltet als ovaler verkehrsberuhigter Platz mit fünf Straßeneinmündungen, gepflasterter Fahrbahn, Mittelinsel mit Rasenfläche, Randrabatten, Heckengrün hinter Sitzbänken und einem Fontänenbrunnen in einer flachen Steinschale. 1987 wurde der Platz als Teil der Internationalen Bauaustellung “IBA” zum besonderen Stadtplanungs- und Architekturprojekt, das im Juni 2002 mit der Eröffnung der “Prager Passage” abgeschlossen wurde. Die neuen Gebäude am Prager Platz zeigen mit modernen Formen das traditionelle architektonische Stilmittel der Eckbekrönung zur Betonung der Kopfbauten an den Straßeneinmündungen.
Alljährlich feiern wir hier das traditionelle “Fest der Nationen”. In diesem Jahr werden wir dabei tatkräftig von einer Reihe von Partnerstädten und Partnerlandkreisen unterstützt.

Morgen gibt es um 13.00 Uhr eine Talkrunde zur Berliner Wahl unter der Moderation von Ulli Zelle. Alle Parteien des Abgeordnetenhauses werden vertreten sein.

Prinzregentenstraße
Die Straße wurde am 16.3.1888, sieben Tage nach dem Tod von Kaiser Wilhelm I. zur Erinnerung an dessen Prinzregentenzeit benannt. Der Begriff bezeichnet die Regentschaft eines Verwandten, wenn der Monarch selbst nicht dazu in der Lage ist.

Carstenn-Villa, Prinzregentenstraße 72, Foto: KHMM

Carstenn-Villa, Prinzregentenstraße 72, Foto: KHMM

Prinzregentenstraße 72
Haus der Musikschule
Die Musikschule veranstaltet heute in ihrem Haus und Hof Prinzregentenstr. 72 einen Tag der offenen Tür und feiert ein Jubiläum: 10 Jahre ist die älteste Musikschule Deutschlands jetzt in ihrem jüngsten Gebäude, der Carstennvilla in der Prinzregentenstaße.
Im Bezirksamt Wilmersdorf hatten wir lange überlegt, wie wir diese Villa für die Kultur im Bezirk erhalten können. Es ist die einzige Villa aus der ursprünglichen Carstenn-Bebauung, die in Wilmersdorf übrig geblieben ist. Sie zeigt, wie Johann Anton Wilhelm von Carstenn sich um 1870 die Landhausbebauung in Wilmersdorf vorstellte, nachdem er zuvor bereits Lichterfelde gegründet hatte. Schließlich ist es uns gelungen, den Unterhalt der Villa für die Musikschule zu finanzieren, und im September 1996 war es schließlich soweit. Die Musikschule konnte ihr Haus mit einem wunderschönen Konzert in Besitz nehmen, und die Mitglieder des Bezirksamtes waren stolz, dass es gelungen war. Besonders der damalige Finanzstadtrat Werner Kleist und der damalige Leiter der Musikschule, Christian Höppner, durften sich zu Recht über den Erfolg ihres großen Engagements freuen. Christian Höppner kämpft heute als Generalsekretär des Deutschen Musikrates wie ein Löwe für die musikalische Breitenbildung.
In den zehn Jahren seither hat sich dieses Haus als großer Gewinn für unsere Musikschule herausgestellt. Vor allem für die Ensemblearbeit bietet es viele Möglichkeiten, sowohl für die tagtäglichen Proben also auch für öffentliche Konzerte wie zum Beispiel die regelmäßig stattfindenden Sonntagskonzerte.
Das heutige Programm bietet einen schönen Einblick in die Arbeit der Musikschule. Zahlreiche Ensembles der Musikschule musizieren im Haus und auf dem angrenzenden Hof. Es dürfen Instrumente ausprobiert werden und es gibt einen Informationsstand der Musikschule. Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt. Es gibt Kaffee, Kuchen, Gegrilltes und Getränke. Die Einnahmen sind für den Förderkreis der Musikschule bestimmt. Das Geld wird für die Anschaffung von Musikinstrumenten und für Stipendien für Kinder aus einkommensschwachen Familien gebraucht.
Musikalische Bildung ist nicht nur ein wunderschönes Hobby, sondern eine wichtige Voraussetzung für unser Zusammenleben. Ohne Musik ist unser Leben nicht vorstellbar. Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass die Menschen Musik gemacht haben, bevor sie sprechen lernten. Daniel Barenboim, der mit seinem israelisch-palästinensischen Orchester bewundernswert gegen die Verzweiflung vieler im Nahen Osten ankämpft, sagt: Wer Musik macht, der muss, während er selbst singt oder ein Instrument spielt, gleichzeitig intensiv auf den anderen hören. Nur so kann Harmonie entstehen.
Das sollten auch alle Politikerinnen und Politiker bei ihren Verhandlungen praktizieren und vielleicht einfach einmal gemeinsam ein Lied singen.
Wir dürfen unseren Kindern den Schatz der Musik nicht vorenthalten. Ich danke allen Mitgliedern unserer Musikschule, den Lehrerinnen und Lehrern und ihren Schülerinnen und Schülern für ihr tagtägliches musikalisches Engagement und für die Organisation dieses Festes. Und ich wünsche unserer Musikschule noch viele erfolgreiche, harmonische Jahre in dieser Villa, und ich wünsche uns allen noch einen schönen Nachmittag mit unserer Musikschule.