mit Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen und Jochen Köhn (Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner)
Treffpunkt: auf dem Olympischen Platz vor dem Olympiastadion unter den Olympischen Ringen
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem Kiezspaziergang. Heute ist der Begriff Kiez wohl wieder einmal nicht so ganz zutreffend, aber dafür geht endlich ein von vielen lange gehegter Wunsch in Erfüllung, fast könnte man sagen ein Traum. Während der Baumaßnahmen war es zu gefährlich und seit der Neueröffnung gab es bisher keinen freien Sonnabend. Heute also hat es geklappt: Wir können das Olympiastadion besichtigen.
Zuvor aber wie immer der Hinweis auf unseren nächsten Kiezspaziergang und auf die nächsten großen Ereignisse in unserem Bezirk. Wie Sie wissen, befinden wir uns mitten im Jubiläumsjahr “300 Jahre Charlottenburg”. Am nächsten Wochenende gibt es einen der großen Höhepunkte, das Fest vor dem Schloss, auf dem Spandauer Damm und auf der Schloßstraße. Vom Freitag, dem 17. Juni bis zum Sonntag, dem 19. Juni feiern wir dort, wo Friedrich Wilhelm I Charlottenburg vor 300 Jahren gegründet hat, den Geburtstag.
Vom Riesenrad über 6 Bühnen viele Stände bis zum abendlichen Feuerwerk wird vermutlich für jeden etwas dabei sein. Ich lade Sie herzlich dazu ein.
Zwei Wochen danach am ersten Juliwochenende vom 1. bis zum 3. Juli veranstaltet die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten gemeinsam mit der Deag (Deutsche Entertainment AG) zum ersten Mal ein großes Schlossgartenfest, ein Fest für Sophie Charlotte. Im Mittelpunkt wird die Zeit Sophie Charlottes und eine Oper von Henry Purcell stehen. Daneben gibt es viel Musik, Theater, Pantomime, Akrobatik und was sonst alles zu einem Fest gehört. Die Karten für 35.- EUR am Freitag und Samstag und 30.- EUR am Sonntag gibt es an allen bekannten Vorverkaufstellen.
Wenige Tage danach beteiligt sich auch die Deutsche Post an unserem Jubiläum: Am Donnerstag, dem 7. Juli eröffnet sie von 9.00 bis 17.00 Uhr in unserem Heimatmuseum in der Schloßstraße 69 ein Sonderpostamt mit einem Sonderstempel zum Jubiläum. Seit einigen Wochen zeigt unser Heimatmuseum eine Jubiläumsausstellung mit einer eigenen Briefmarkenabteilung, und das Sonderpostamt wird im Rahmen dieser Ausstellung eine ganz besondere Attraktion sein.
Und wiederum zwei Tage danach werden wir am Sonnabend, dem 9. Juli, unseren nächsten Kiezspaziergang haben. Und natürlich wird auch der nächste Kiezspaziergang sich mit unserem Jubiläum beschäftigen, und zwar diesmal mit der Technischen Universität, die sich immerhin bereits seit mehr als 125 Jahren in Charlottenburg befindet. Wir werden den Campus besichtigen, also das Freigelände um die Universitätsbauten zwischen der Straße des 17. Juni und der Hardenbergstraße.
Treffpunkt ist am Sonnabend, dem 9. Juli, um 14.00 Uhr am U-Bahn-Ausgang Ernst-Reuter-Platz vor dem Haus für Berg- und Hüttenwesen der TU zwischen Hardenbergstraße und Straße des 17. Juni. Und wir werden auch dann wieder eine fachkundige Führung haben und alle Geheimnisse dieses Universitätsgeländes kennen lernen.
Jetzt aber freue ich mich sehr darüber, Ihnen Herrn Jochen Köhn vom Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner vorstellen zu dürfen. Vor einem Jahr erschien in der Berliner Zeitung ein Artikel mit der Überschrift “Der Mann, der alles weiß”. Darunter stand zu lesen: “Jochen Köhn plant seit Jahren den Umbau und kennt das Olympiastadion inzwischen wie kaum ein anderer. Er weiß alles über das Stadion. Man kann Jochen Köhn Fragen stellen, er hat die Antworten. Und man kann sich darauf verlassen, dass sie stimmen.”
Vielen Dank, Herr Köhn, dass Sie sich bereit erklärt haben, ohne Honorar heute für uns da zu sein und uns das Olympiastadion zu erklären. Es war ja über Jahre hinweg gewissermaßen Ihr Olympiastadion. Jetzt ist es unser aller Olympiastadion, und ich kann mir ehrlich gesagt nicht ernsthaft vorstellen, seinen Namen zu ändern.
Ich werde mich hüten, etwas zum Stadion zu sagen, was Sie viel besser wissen. Vielleicht nur soviel zur Vorgeschichte, die den wenigsten bekannt ist, weil dieses Stadion natürlich immer sofort verbunden wird mit den Olympischen Spielen von 1936 und das heißt mit der Geschichte des Nationalsozialismus.
Die wenigsten wissen, dass die Geschichte dieses Stadions genau genommen 1909 anfängt. Damals wurde hier eine Galopp- und Hindernisrennbahn eröffnet und gleichzeitig ein Sportstadion für die Olympischen Spiele im Jahr 1916 geplant.
Dieses wurde von Otto March erbaut und als “Deutsches Stadion” 1913 zum 25jährigen Regierungsjubiläum Kaiser Wilhelms II eingeweiht. Seiner Bestimmung konnte es allerdings nicht dienen, denn die Olympischen Spiele von 1916 wurden wegen des Ersten Weltkrieges abgesagt. Als Berlin 1931, also noch während der Zeit der Weimarer Republik, erneut den Zuschlag für die Austragung der Olympischen Sommerspiele erhielt, diesmal für das Jahr 1936, wurde der Sohn von Otto March, Werner March beauftragt, das “Deutsche Stadion” zu überarbeiten. Er ließ es 1934 abreißen und baute bis 1936 das neue Olympiastadion.
Jetzt haben wir wieder ein neues Stadion mit einer faszinierenden Mischung aus alt und neu, mit einer zwiespältigen Geschichte, die wir uns immer bewusst machen sollten, aber auch mit einer großen Zukunft. Wir alle freuen uns auf die Fußballweltmeisterschaft, und jetzt freuen wir uns auf Ihre Führung durch das Stadion, Herr Köhn.
Auf den ersten Blick hat sich nicht viel geändert: Am Rande des Grunewalds im Westen Charlottenburgs ruht inmitten eines weitläufigen Areals das mächtige Oval des Olympiastadions. Der monumentale Bau mit seiner klaren Geometrie und der schnörkellosen Außenfassade aus fränkischem Muschelkalk beeindruckt die Besucher seit seiner Errichtung vor sieben Jahrzehnten. Scheinbar unverändert hat die Sportarena die wechselvolle Geschichte um sich herum überdauert. Aber nur scheinbar, denn tatsächlich verbirgt sich hinter dem klassischen Gebilde eine der modernsten Multifunktionsarenen, die Europa zu bieten hat. Es ist ein Denkmal im High-Tech-Gewand. Vier Jahre hat der Umbau bei laufendem Spielbetrieb bis zu seiner Wiedereröffnung am 31. Juli 2004 gedauert, anderthalb Jahre länger als der Neubau in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts, der an sporthistorischer Stätte errichtet wurde.
Zunächst befand sich hier, auf dem Gelände der damaligen Domäne Dahlem, eine 1909 eröffnete Galopp- und Hindernisrennbahn. Aber schon 1907 hatte man den Bau eines Sportstadions geplant. Als schließlich das Internationale Olympische Komitee Berlin zum Austragungsort für die Olympischen Spiele im Jahr 1916 bestimmte, wurden die Planungen vorangetrieben. Eingeweiht wurde es 1913 zum 25jährigen Regierungsjubiläum Wilhelms II. als “Kaiser-Wilhelm-Stadion”. Nach Abdankung des Monarchen wurde es in “Grunewaldstadion” und nach 1933 in “Deutsches Stadion” umbenannt. Otto March hatte die 30.000 Zuschauer fassende Sportstätte in eine Mulde inmitten der zuvor ebenfalls von ihm erbauten Pferderennbahn gesenkt. Die Aschenbahn wurde von einer Radrennbahn umgeben, und an der Nordgeraden zwischen Radrennbahn und Zuschauerrängen ein Schwimmbad eingebaut. Seiner wichtigsten Bestimmung konnte das Stadion allerdings nicht dienen, da die Olympischen Spiele 1916 wegen des Ersten Weltkrieges abgesagt wurden.
Das Sportgelände lag damals außerhalb Charlottenburgs; erst bei der Eingemeindung der Stadt im Zuge der Bildung Groß-Berlins 1920 wurde es dem neuen Bezirk Charlottenburg zugeschlagen.
Die Brüder Walter und Werner March gewannen 1926 den Wettbewerb zur Errichtung eines Deutschen Sportforums, das ab 1928 nördlich des Stadions gebaut wurde.
Als Berlin 1931 erneut den Zuschlag für die Austragung der Olympischen Sommerspiele erhielt, diesmal für das Jahr 1936, wurde der Sohn von Otto March, Werner March, beauftragt, das Deutsche Stadion dafür konzeptionell zu überarbeiten. Das IOC genehmigte seine Pläne. March erbaute schließlich von 1934 bis 1936 auf dem damaligen “Reichssportfeld” das Olympiastadion für ursprünglich 100.000 Zuschauer.
Hitler persönlich sorgte dafür, dass hinter dem Stadion das Maifeld für Massenaufmärsche angelegt wurde. Das Marathontor stellt die Verbindung her zwischen dem Maifeld und dem Olympiastadion. Abgeschlossen wurde das Maifeld von der Langemarckhalle, die dem militärischen Totenkult des NS-Regimes diente. Sie wurde als nationale Gedenkstätte für die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges errichtet.
Entstanden ist ein Hochbau über einem ovalem Grundriss von 300 mal 230 Metern. Die Kampfbahn und der untere Zuschauerring befinden sich 15 Meter (ursprünglich 12 Meter) unter Bodenniveau. Im Äußeren gibt es einen zweigeschossigen Pfeilerumgang, im Inneren zwei voneinander unabhängig erschlossene Zuschauerränge. Der obere Ring öffnet sich an der Westseite mit dem Marathontor und einer monumentalen Freitreppe zum Maifeld. Auf dem Treppenpodest steht ein bronzener Dreifuß für das Olympische Feuer. Der Haupteingang mit dem Olympischen Tor befindet sich hier auf der östlichen Seite des Stadions. Zum Olympischen Tor gehören links der Bayern- und rechts der Preußenturm sowie Stelen mit Darstellungen der verschiedenen Sportarten und eingravierten Namen deutscher Olympiasieger.
Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Olympiagelände als Hauptquartier der britischen Militärverwaltung in Berlin. Bis zur deutschen Einheit 1990 erfolgten verschiedene Instandsetzungsarbeiten und Umbauten, so beispielsweise 1973 eine Teilüberdachung der Ränge.
1998 beschloss der Berliner Senat die Komplettsanierung, die den historischen Charakter bewahren sollte. Jetzt sind sämtliche 74.400 Zuschauerplätze überdacht und damit vor Regen und Sonne geschützt. Die neue 140 qm große Anzeigetafel ist die größte Europas. Zusätzlich gibt es eine kleinere Anzeigetafel auf der Nordtribüne. Der neue VIP-Bereich erhält 76 Logen und 5.000 Sitze. Im Bereich der Ehrentribüne wurden 18.000 Natursteinplatten entfernt und nach der Sanierung wieder eingesetzt.
Das Olympiastadion steht unter Denkmalschutz. Deshalb mussten in einem schwierigen Verfahren Kompromisse gefunden werden zwischen den Anforderungen sowohl der FIFA für die Ausrichtung internationaler Fußballspiele als auch des Internationalen Leichtathletikverbandes einerseits und den Auflagen des Denkmalschutzes, das Olympiastadion möglichst im Originalzustand zu erhalten, andererseits. Diese Kompromisse hatten zur Folge, dass die Umbauten aufwändiger und teurer wurden als geplant; aber alle Beteiligten stimmen darin überein, dass es sich gelohnt hat. Das Olympiastadion beeindruckt jetzt vor allem durch eine gelungene Kombination von Alt und Neu.
Der Umbau wurde von dem Augsburger Unternehmen Walter-Bau termingerecht während vier Bundesligaspielzeiten bei laufendem Veranstaltungsbetrieb durchgeführt. Die alten Tribünen wurden Segment für Segment abgetragen und erneuert. Der Rasen wurde zwei Meter tiefer gelegt und der Unterring in einem steileren Winkel konstruiert, um zusätzliche Sitzreihen zu gewinnen. Das neue Dach wurde von den Hamburger Architekten Gerkan, Marg und Partner entworfen, und es gilt schon jetzt als ein Meisterwerk der Ingenieur- und Baukunst. Der Dachkranz durfte nicht geschlossen werden, damit die Sicht durch das Marathontor auf das Maifeld und den Turm mit der Olympiaglocke nicht versperrt wird. Die komplexe Technik wurde in das Dach integriert, so dass auf störende Flutlichtmasten oder Lautsprecheranlagen im herkömmlichen Sinne verzichtet werden konnte.
Ein wesentlicher Aspekt der Umbaumaßnahmen war die angestrebte Multifunktionalität der Arena. Das neue Olympiastadion sollte nicht allein eine Spielstätte für Fußball- und Sportveranstaltungen oder Konzerte und sonstige Großereignisse werden, sondern auch “hinter den Kulissen” Räumlichkeiten für die unterschiedlichsten Zwecke und Anlässe bieten. Das Stadion besitzt jetzt 76 edel ausgestattete VIP-Lounges einschließlich der Skyboxen sowie die umgebaute Ehrentribüne mit dem prächtigen “Coubertin-Saal” und der “Ehrenhalle” als Herzstück. Alle VIP-Logen und Säle können durch separate Vorfahrten zu den beiden Tiefgaragen erreicht werden.
Sportliche Großveranstaltungen stehen im Olympiastadion auf der Tagesordnung. So wird das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2006 im Berliner Olympiastadion ausgetragen werden. Bereits seit 1985 stehen sich die männlichen Finalisten des DFB-Pokals im Olympiastadion gegenüber, und auch die Frauen tragen hier das Endspiel um die heiß ersehnte Trophäe aus.
Selbstverständlich werden die Bundesliga-Heimspiele des Hausclubs Hertha BSC im Olympiastadion ausgetragen. Der Verein ist eng verbunden mit der Geschichte des Olympiastadions: Für alle “Herthaner” ist und bleibt es “ihr” Olympiastadion.
Ein weiteres sportliches Highlight ist das Internationale Stadionfest ISTAF, das hier alljährlich stattfindet. Neben den Olympischen Spielen ist es eine der bedeutendsten internationalen Leichtathletik-Veranstaltungen für die Top-Athleten der Welt. Doch nicht nur der Sport zieht die Menschen ins Stadion. Internationalen Stars bietet das Olympiastadion eine unvergleichliche Bühne für Rock- und Popkonzerte.
Nicht verdrängt werden soll, wie die Nationalsozialisten die Olympischen Spiele 1936 für ihre Politik instrumentalisierten. Deshalb wurden im Stadion und dessen Umfeld Informationstafeln aufgestellt, die unterstreichen, dass die Zeit des “Dritten Reiches” nicht verdrängt wird. Kurze, lexikonartige Texte auf deutsch und englisch – von einer Historikerkommission erarbeitet – wurden durch Bilder und Lagepläne ergänzt. Umfassende Aufklärung gibt es am Ort der Information beim Haupteingang am Olympischen Platz.