Tegeler Weg 17-20: Landgericht
Das Landgericht wurde 1901-06 von Hermann Dernburg und Ernst Petersen gebaut. 1912-15 baute Waldemar Pattri den Erweiterungsbau an der Herschelstraße. In einer Baubeschreibung aus dem Jahr 1916 heißt es: “In landschaftlich schöner Umgebung, im Angesicht des Charlottenburger Schloßparks wurde das Königliche Landgericht III Berlin in Charlottenburg errichtet.”
Den Bauplatz für das neue Gerichtsgebäude hatte die Stadt Charlottenburg kostenlos zur Verfügung gestellt. Ich hatte bereits erwähnt, dass Charlottenburg ein großes Interesse an diesem Bau hatte und dass er dann tatsächlich auch zur Initialzündung für die Entwicklung dieses Wohngebietes wurde.
Die Bildhauerarbeiten stammen von Hermann Engelhardt, die Kunstschmiedearbeiten von Julius Schramm.
Entstanden ist ein neoromanisches, burgähnliches Gebäude auf unregelmäßigem Grundriss mit 8 verschieden großen Höfen. Die Fenster- und Portalsäulen sind teilweise mit Löwen besetzt.
Die burgenartigen Fassaden sind im Anklang an die norditalienische und deutsche Romanik gestaltet. Verwendet wurde Jerxheimer Roggenstein in rotbrauner Tönung und grauer Rothenburger Kalkstein. Insgesamt vermittelt die Fassade den Eindruck einer wehrhaft-romanischen Burg.
Die Hauptseite am Tegeler Weg wird bestimmt von dem Haupteingang in einem überhöhten, vorspringenden Mittelbau mit steilem Dreiecksgiebel und hohem Satteldach. Am Mittelgiebel gibt es zwei Inschriftplatten: rechts mit einem Adler, darunter: “Suum cuique” (Jedem das Seine), links der Reichsapfel, darunter: “Anno Domini MCMV” (1905)
Der romanische Stil ist sehr ungewöhnlich für ein Gerichtsgebäude.
Justizbauten wurden entweder im Stil der Renaissance, des Barock oder auch der Gotik gebaut, niemals aber im romanischen Stil. Es war der vom damaligen Kaiser Wilhelm II bevorzugte Baustil, den er beispielsweise für die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und die darum herumliegenden Bauten vorgeschrieben hatte.
1987 wurde nach 4jähriger Bauzeit der Erweiterungsbau von Gerd Rümmler an der Straßenfront des Tegeler Weges übergeben. Der Neubau wurde harmonisch mit dem 80 Jahre älteren Hauptgebäude abgestimmt.
Das Landgericht ist eine Institution der Zivilgerichtsbarkeit. In erster Instanz ist es zuständig für nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten und solche ab einem bestimmten Streitwert, in zweiter Instanz hinsichtlich möglicher Rechtsmittel gegen amtsgerichtliche Entscheidungen in Zivilprozessen und in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs im Jahre 1871 entstanden in Berlin drei Landgerichte: Das Landgericht I war für den Stadtkreis Berlin zuständig und wurde 1905 in dem neu gebauten Gebäudekomplex an der heutigen Littenstraße in Berlin Mitte untergebracht. Das Landgericht II in einem Gebäude an der Möckernstraße in Kreuzberg war für die stadtnahen Kreise südlich von Berlin zuständig. Schließlich wurde 1899 die Errichtung eines Landgerichts III beschlossen, das für die nördlich gelegenen stadtnahen Kreise von Nauen über Bernau bis Straußberg zuständig wurde. Dazu gehörten damals die selbständigen Gemeinden Charlottenburg, Wedding, Spandau, Lichtenberg, Pankow und Weißensee.
Im Juli 1933 wurden die drei Landgerichte zu einem Landgericht Berlin verschmolzen und in Mitte untergebracht. Hier wurden bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs das Arbeitsgericht und danach ein Teil des Bezirksamtes Charlottenburg und ein Postamt untergebracht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Landgericht im Westteil Berlins zunächst in mehreren Zehlendorfer Villen untergebracht. Es war mit amerikanischer Unterstützung gebildet worden als Gegengewicht zu dem von der sowjetischen Besatzungsmacht im Ostteil Berlins eingerichteten Bezirksgericht. Die Zuständigkeit des Landgerichts wurde schnell auf alle Westsektoren Berlins ausgedehnt, und Ende 1950 bezog es dieses Gebäude des ehemaligen Landgerichts III, wo es bis heute seinen Sitz hat. Nach dem Fall der Mauer hat das Landgericht die Zahl seiner Dienststellen auf drei erweitert. Sämtliche Berufungs- und Beschwerdekammern sind 1993 in das Justizgebäude an der Littenstraße in Mitte umgezogen. Die Gerichtsverwaltung und die erstinstanzlichen Zivilkammern sind hier in Charlottenburg geblieben.
Tegeler Weg
Der Tegeler Weg wurde 1884 benannt, zuvor hieß er “Weg nach Spandau”.
Am 4. November 1968 fand rund um das Landgericht die sogenannte “Schlacht am Tegeler Weg” statt, eine militante Konfrontation zwischen linken Demonstranten und der Polizei. Anlass war das Berufsverbot für den damaligen APO-Anwalt Horst Mahler. Das Datum gilt als wichtiger historischer Wendepunkt in der Entwicklung der außerparlamentarischen Opposition der 68er Bewegung hin zur gewaltsamen Auseinandersetzung.
Die nächste Straße, die nach der Osnabrücker Straße in den Tegeler Weg mündet, ist die Mindener Straße.