Joachimstaler Str. 13: Synagoge und jüdische Buchhandlung
1901 baute Siegfried Kuznitzky das Quergebäude im Hof für die jüdische Loge B’nai B’rith (Bne Briss) historisierend mit Stilelementen der Renaissance und des Barock. 1925 wurde eine jüdische Volksschule eingerichtet. 1935 begründete der Bildungsverein der Jüdischen Reformgemeinde hier die Joseph-Lehmann-Schule, um den aus den deutschen Schulen ausgeschlossenen jüdischen Kindern Schulunterricht geben zu können. Außerdem befand sich hier die Private Handelsschule der Jüdischen Gemeinde und die Holdheim-Schule, die 1936 in die Nürnberger Straße 66 umzog. 1938 wurde das Quergebäude für den Gottesdienst der Liberalen und der Reformgemeinde umgebaut.
Der Betraum wurde nach 1945 wieder genutzt und 1955 renoviert. 1960 wurde der ehemalige große Logensaal im Erdgeschoss als Synagoge nach orthodoxem Ritus für 300 Personen eingerichtet. Im Souterrain wurde ein rituelles Tauchbad eingebaut. Nach dem Bau der Mauer 1961 bezogen verschiedene Niederlassungen von jüdischen Organisationen das Haus, darunter der jüdische Nationalfonds und die Women’s International Zionist Organisation WIZO.
Außerdem waren hier die Sozialabteilung, die Kultusverwaltung, die Büros der Rabbiner und das Jugendzentrum der Jüdischen Gemeinde untergebracht.
Im Erdgeschoss des Vorderhauses bietet die Literaturhandlung eine Auswahl an historischen, kulturhistorischen, theologischen und liturgischen Judaica in deutscher und englischer Sprache an. Und bei Salomon Bagels können Sie traditionelle jüdische Köstlichkeiten genießen.
Ich freue mich sehr, dass Rabbiner Ehrenberg sich bereit erklärt hat, uns heute am Sabbath seine Synagoge vorzustellen.
Joachimstaler Straße 31-32: Hotel 10
Hier wird in einem ehemaligen Klinkerbau der Technischen Universität und in einem damit verbundenen Neubau in wenigen Tagen ein Hotel der weltweit präsenten Gruppe H10 Hotels eröffnet. An dem restaurierten Altbau befindet sich das historische Stadtwappen Charlottenburgs.
Joachimstaler Str. 20: Gedenktafel für Friedrich Ebert
Am ehemaligen ÖTV-Haus erinnert eine Gedenktafel an Friedrich Ebert:
“Hier im ehemaligen West-Sanatorium
starb am 28. Februar 1925
der Sozialdemokrat
Friedrich Ebert
(* 4. Februar 1871)
Der erste demokratisch gewählte
Reichspräsident der Weimarer Republik.”
Die alte Bronzetafel mit dem Relief Eberts, die früher an dem Haus angebracht war, befindet sich jetzt im Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn.
Aus der ÖTV wurde die Gewerkschaft Verdi, und diese ist 1995 an den Engeldamm in Mitte umgezogen, das Haus hat sie verkauft. Nach langem Leerstand werden hier jetzt Betten und Schlafsysteme verkauft.
Lietzenburger Straße
Bis zur Bezirksfusion 2001 war die Lietzenburger Straße die Grenze zwischen Charlottenburg und Wilmersdorf. Sie wurde 1890 nach dem ursprünglichen Namen des Schlosses Charlottenburg benannt. Der Name Lietzenburg wurde von dem Dorf Lietzow abgeleitet, das 1720 nach Charlottenburg eingemeindet wurde.
Meinekestraße
Die Meinekestraße wurde nach einem früheren Direktor des Joachimsthalschen Gymnasiums benannt. Johann Albrecht Friedrich August Meineke wurde 1790 in Soest geboren. Er war Gymnasialprofessor in Danzig und schließlich von 1826 bis 1857 Direktor des Joachimsthalschen Gymnasiums. Meineke starb 1870 in Wernigerode. Er schreibt sich übrigens nur mit “k” im Gegensatz zu dem berühmten Historiker Friedrich Meinecke.
Meinekestr. 10: Gedenktafel Palästinaamt
Die Berliner Gedenktafel wurde 1986 am Haus Meinekestraße 10 enthüllt. Der Text lautet:
“In diesem Haus befanden sich
PALÄSTINAAMT der Jewish Agency
das bis zu seiner Schließung 1941
etwa 50000 Menschen zur Auswanderug verhalf
ZIONISTISCHE VEREINIGUNG FÜR DEUTSCHLAND
JÜDISCHE RUNDSCHAU
sowie andere zionistische Organisationen”
1925 hatte die “Jüdische Rundschau” das Haus an der Meinekestr. 10 gekauft und darin nicht nur die eigenen Redaktionsräume untergebracht, sondern auch eine Reihe anderer zionistischer Organisationen. Zeitweise befanden sich darin 30 verschiedene Organisationen. Die wichtigste war das Palästinaamt, das die Auswanderung der Juden nach Palästina propagierte und förderte.
Seit 1933 wurde es für viele Juden lebensrettend. Das Palästinaamt zog 1938 um in die Kantstr. 158, schräg gegenüber dem Theater des Westens.
Meinkestr. 7: Fünf Stolpersteine
Hier wurden im Oktober 2008 fünf Stolpersteine für Julius und Flora Berger, Adolf Löwenstern, Hans G. Bernhardt und Heinrich Knap verlegt.
Der 1862 in Zempelburg geborene Julius Berger und seine 1868 ebenfalls in Zempelburg geborene Frau Flora Berger wurden am 14. September 1942 nach Theresienstadt deportiert. Dort wurde Flora am 18.10.1942 und Julius am 13.7.1943 ermordet. Julius Berger hatte 1905 die Firma Julius Berger Tiefbau AG gegründet, 1914 war er zum Königlich Preußischen Kommerzienrat ernannt worden.
Der 1858 in Adelebsen geborene Adolf Löwenstern wurde am 14. September 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort am 16. Februar 1943 ermordet.
Der 1879 in Kreuzburg geborene Hans G. Bernhardt wurde am 4. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Der 1881 in Berlin geborene Heinrich Knap wurde am 19. Oktober 1942 nach Riga deportiert und dort nach der Ankunft am 22. Oktober 1942 ermordet.
Meinekestr. 6: Gedenktafel für Irmgard Keun
Die Gedenktafel für Irmgard Keun wurde 2006 enthüllt. Der Leiter des Literaturhauses, Ernest Wichner, der uns nachher sein Haus vorstellen wird, hatte diese Gedenktafel gemeinsam mit seinem Kollegen vom Literaturhaus in Köln angeregt und finanziert. Der Text lautet:
“Geburtshaus von
IRMGARD KEUN
6.2.1905 – 5.5.1982
Schriftstellerin
In ihren Romanen
“Das kunstseidene Mädchen”, “Gilgi, eine von uns”
zeichnete sie lebendige Portraits ihrer Heimatstädte
Berlin und Köln
Ihre Werke wurden von den Nationalsozialisten verboten”
Irmgard Keun ist eine wichtige Chronistin ihrer Heimatstädte Berlin und Köln in den 20er Jahren und auch im Nationalsozialismus.
Die City-West war schon im wilhelminischen Kaiserreich und dann vor allem in den 20er Jahren Anziehungspunkt für Prominente aus Kultur und Wissenschaft. Man sprach vom “Zug nach Westen”, und damit war der Umzug gemeint in die Villenkolonien Westend oder Grunewald oder in die neue City rund um den Kurfürstendamm. Wer up to date sein wollte, der musste hier leben, nicht im alten Berliner Zentrum, das für die Tradition stand, während hier die Moderne in all ihren Formen experimentierte und immer neue Moden, Stile und Lebensformen hervorbrachte. Genau davon handeln die Romane Irmgard Keuns.
Ihre ersten beiden Romane “Gilgi, eine von uns” und “Das kunstseidene Mädchen” wurden 1931 und 1932 zu Bestsellern, und Irmgard Keun wurde zum Liebling der Berliner Literaturszene. Beide Bücher handeln von jungen Frauen, deren Emanzipation mit dem Umzug nach Berlin beginnt, man könnte auch sagen mit der Flucht nach Berlin, und natürlich erleben sie das moderne, pulsierende Berlin vor allem im Neuen Westen, hier in den Tanzhallen, Varietees, Kabaretts, Bars und Literatencafes rund um den Kurfürstendamm.
Im “Kunstseidenen Mädchen liest sich das so:
“Der Gloriapalast schillert – ein Schloss, ein Schloss – es ist aber Kino und Kaffee und Berlin W – um die Kirche sind schwarze eiserne Ketten – und drüben das Romanische Café mit den längeren Haaren von Männern! Und da verkehrte ich einmal Abend für Abend mit einer geistigen Elite, was eine Auswahl ist, was jede gebildete Individualität aus Kreuzworträtseln weiß. Und wir bildeten alle einen Kreis.
Und das Romanische Café ist eigentlich nicht anzuerkennen. Und jeder sagt: Gott, dieses Lokal, wo diese herabgekommenen Literaten sitzen, man sollte da nicht mehr hingehn. Und gehen dann doch hin. Ich bildete mich ungeheuer, und es war, als wenn ich eine fremde Sprache lerne.”
In den Büchern von Irmgard Keun können wir nachlesen, wie der Boulevard damals funktionierte. Sie erzählt nicht nur von seinen Schokoladenseiten, sondern schonungslos auch von seinen Gefährdungen, und das kunstseidene Mädchen muss am Ende für sich erkennen, dass aus der erträumten Filmkarriere nichts wird. Der letzte Satz des Buches lautet: “Auf den Glanz kommt es nämlich vielleicht gar nicht so furchtbar an.”