108. Kiezspaziergang am 11.12.2010

Vom Roseneck zum Hagenplatz

Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen, 11.12.2010, Foto: KHMM

Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen, 11.12.2010, Foto: KHMM

Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen

Treffpunkt: Roseneck am Betty-Hirsch-Platz Rheinbabenallee und Hundekehlestraße

Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem 108. Kiezspaziergang. In den letzten Jahren haben wir im Dezember meist einen der Weihnachtsmärkte in unserem Bezirk besucht und die Weihnachtsbeleuchtung auf dem Kurfürstendamm oder in anderen Geschäftsstraßen begutachtet. Heute möchte ich mit Ihnen gemeinsam einmal in den Weihnachtswald gehen, und ich freue mich, dass der Leiter des Forstamtes Grunewald, Oberförster Elmar Kilz, uns begleitet. Er wird uns unterwegs auch sein Forstamt vorstellen, aber wir müssen uns ein wenig sputen, damit wir uns nicht womöglich bei einbrechender Dunkelheit im Wald verirren.
Wir werden von hier aus den Hohenzollerndamm überqueren, die Robert-Stolz-Anlage besichtigen und durch die Waldtiersiedlung über den Eichhörnchensteig zunächst zum Abenteuerzentrum im Grunewald gehen, das uns der Leiter Axel Wagner vorstellen wird. Dann gehen wir am Grunewaldsee vorbei zum Forstamt und schließlich wieder aus dem Wald hinaus auf die Koenigsallee und zum Hagenplatz. Von dort aus können Sie entweder mit dem Bus 186 hierher zurück zum Roseneck fahren oder mit der Linie M19 zum Kurfürstendamm. Wenn Sie Glück haben, können Sie dann doch noch den weihnachtlich beleuchteten Boulevard vom Doppeldeckerbus aus genießen.
Bevor wir starten möchte ich Ihnen den Treffpunkt für den nächsten Kiezspaziergang mitteilen. Wie Sie wissen finden die Kiezspaziergänge immer am zweiten Samstag eines Monats ab 14.00 Uhr statt. Das wollen wir auch im nächsten Jahr – zumindest bis zur Wahl im September so beibehalten. Der Treffpunkt ist also am Sonnabend, dem 8. Januar, um 14.00 Uhr am Bahnhof Zoo an der großen Uhr an der Hardenbergstraße.
Wir wollen schauen, was sich in der City-West rund um den Bahnhof Zoo neues tut, dann das Amerika Haus besuchen, in dem inzwischen das Regionalmanagement City West untergebracht ist. Von diesem Büro wird das Jubiläumsjahr 125 Jahre Kurfürstendamm mit vorbereitet. Und zum Schluss wollen wir die Staatsoper im Schiller-Theater besuchen, schließlich gehört sie jetzt für einige Jahre zu Charlottenburg-Wilmersdorf – und das Schiller-Theater ist als alte Charlottenburger Bühne endlich einen Besuch wert. Ich bin sehr gespannt darauf. Wir werden also nach dem heutigen Waldspaziergang im Januar wieder interessante Ziele mitten in der City haben.

Betty-Hirsch-Platz
Am 8.3.2008 haben wir nach einem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung den bis dahin namenlosen Platz zwischen Rheinbabenallee und Hundekehlestraße nach der erblindeten dänisch-deutsch-jüdischen Sängerin und Pädagogin benannt, die 1914 die erste Kriegsblindenschule in Berlin gegründet hatte, um anderen Späterblindeten zu helfen, in ihre alten Berufe zurückzukehren. Sie lebte vom 15.1.1873 bis zum 8.3.1957. Der Platz wird von unserem Grünflächenamt gemeinsamt mit dem Allgemeinen Blinden- und Sehbehinderten-Verein ABSV zu einem Duft- und Tastgarten umgestaltet, der auch für Blinde und Sehbehinderte entsprechende Natur-Erlebnisse möglich machen soll.

Rheinbabenallee
Die Rheinbabenalle wurde 1905 nach dem Politiker Georg Freiherr von Rheinbaben benannt. Er lebte von 1855 bis 1921, wurde 1899 preußischer Innenminister und 1901 preußischer Finanzminister. Seit 1913 war er Vorsitzender der Goethe-Gesellschaft.

Hundekehlestraße
Die Hundekehlestraße wurde 1891 nach dem in der Nähe liegenden Hundekehlesee benannt. Hundekehle ist eine alte Bezeichnung für die Sammelstelle der Hundemeute bei einer Treibjagd. Wir dürfen also annehmen, dass die kurfürstlichen Jagdgesellschaften sich am Hundekehlesee trafen, bevor sie dann die Ergebnisse im Jagdschloss Grunewald begutachteten. Das Jagdschloss übrigens gehört zum Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Die Bezirksgrenze verläuft zwischen dem Grunewaldsee, der noch zu Charlottenburg-Wilmersdorf gehört, und dem Jagdschloss.

Am Roseneck, 11.12.2010, Foto: KHMM

Am Roseneck, 11.12.2010, Foto: KHMM

Roseneck
Um 1900 befand sich gegenüber am Hohenzollerndamm die Endhaltestelle verschiedener Linien der Großen Berliner Straßenbahngesellschaft. Zwischen Hagenstraße und Teplitzer Straße wurde eine Kehre für die Straßenbahnen angelegt. Der dabei entstandene Platz wurde mit Rosen angelegt und erhielt den Namen Roseneck.
Das Hochhaus mit 15 Stockwerken wurde 1959 als erstes Berliner Hochhaus gebaut.

Hohenzollerndamm
Der Hohenzollerndamm wurde von 1899 bis 1901 als große Verbindungsstraße Richtung Potsdam ausgebaut und nach dem preußischen (Berlin-Potsdamer) Herrscherhaus benannt. Geplant war ein lebendiger Boulevard nach dem Vorbild des Kurfürstendammes, der sich 10 Jahre früher geradezu explosionsartig entwickelt hatte. Aber dieser Erfolg lies sich nicht wiederholen. Hier am Roseneck ist noch am ehesten etwas daraus geworden, ansonsten ist der Hohenzollerndamm heute eher eine Autobahn.

Clayallee
Die Verlängerung des Hohenzollerndammes in Richtung Zehlendorf hieß früher “Kronprinzenallee”. 1949 wurde sie nach dem amerikanischen Politiker und General Lucius Dubignon Clay benannt. Er war seit April 1945 Stellvertreter von Dwight D. Eisenhower als Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte in Europa. Bis 1947 war er stellvertretender Militärgouverneur und danach bis 1949 Militärgouverneur und Hoher Kommissar der USA in Deutschland. Er initiierte 1948 während der Berliner Blockade die Luftbrücke. 1950 überbrachte er die Freiheitsglocke für das Rathaus Schöneberg. 1961/62 war er Sonderbeauftragter von US-Präsident Kennedy in Berlin-Fragen. 1962 wurde er Ehrenbürger von Berlin. Er lebte von 1897 bis 1978.

Grunewaldbaude, 11.12.2010, Foto: KHMM

Grunewaldbaude, 11.12.2010, Foto: KHMM

Clayallee 1: Grunewaldbaude
Die Grunewaldbaude wurde 1929/30 von Erich Schwiertz vom Hochbauamt Zehlendorf errichtet. Der Kiosk aus weißgefugtem Backstein ist einer der letzten seiner Art. Inzwischen wurden hier bereits mehrere Restaurants betrieben. Jetzt trägt das Haus den Namen “Roseneck” und wird gerade für ein neues Restaurant renoviert.

Waldmeisterstraße
Die Waldmeisterstraße wurde 1922 nach der wohlschmeckenden Pflanze benannt.

Robert-Stolz-Anlage, 11.12.2010, Foto: KHMM

Robert-Stolz-Anlage, 11.12.2010, Foto: KHMM

Robert-Stolz-Anlage
Die Robert-Stolz-Anlage wurde kurz nach dem Tod des berühmten Komponisten 1975 auf Anregung seiner Witwe gestaltet.
Der Text auf der Holztafel lautet:
1880 Robert Stolz 1975
Von 1924-1936 verbrachte Robert Stolz
in Berlin glückliche u. arbeitsreiche Jahre.
Der begnadete Tonschöpfer u. Dirigent
schuf hier eine Vielzahl
seiner unvergänglichen Melodien
half vielen Mitbürgern in schwerer Zeit
und trug nach dem letzten Krieg viel
zur Versöhnung der Menschen bei.

An dem Haus Paulsborner Straße 81 ist eine Gedenktafel aus Kupfer angebracht. Dort lebte Robert Stolz von 1929 bis 1935.
Der 1880 in Graz geborene Komponist und Dirigent ging 1924 nach Berlin und lebte dann einige Jahre in Wien und Berlin. Er gilt als letzter Meister der Wiener Operette. Viele Stücke aus seinen Werken sind bis heute populär, darunter “Die ganze Welt ist himmelblau”, “Mein Liebeslied muss ein Walzer sein”, “Adieu, mein kleiner Gardeoffizier”. Er lehnte den Nationalsozialismus ab und verließ nach dem sogenannten Anschluss Österreichs 1938 seine Heimat. Er ging zunächst nach Paris, später nach New York.
Robert Stolz war fünfmal verheiratet, zuletzt mit Yvonne Louise Ulrich, genannt „Einzi“. Er wurde am 4. Juli 1975 unter Anteilnahme Zehntausender Trauergäste in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt. Seine Witwe kümmerte sich um seinen Nachlass und sorgte dafür, dass zahlreiche Straßen und Plätze nach ihm benannt wurden, darunter auch diese Anlage. Am 18. Januar 2004 starb sie in Wien und wurde an seiner Seite begraben.

Durch die Waldtiersiedlung, 11.12.2010, Foto: KHMM

Durch die Waldtiersiedlung, 11.12.2010, Foto: KHMM

Waldtiersiedlung
Seit 1939 wurde hier, am Rande des Grunewalds, eine Siedlung in unterschiedlichen Bauformen und in einfachster Bauweise errichtet. Sie waren vorrangig für solche Berliner gedacht, deren Häuser den Staatsbauten im Charlottenburger Hochschulviertel weichen mussten. Der südliche Zipfel ragt nach Dahlem hinein. Dort befindet sich das Brücke-Museum, das bereits zum Bezirk Steglitz-Zehlendorf gehört. Die Straßen wurden nach Waldtieren, bzw. Wildtieren benannt, und auch die Siedlung firmiert unter beiden Bezeichnungen, also Waldtiersiedlung oder Wildtiersiedlung: wobei die in Ost-West-Richtung verlaufenden kurzen Straßen alle die Endung ‘-steig’ (Rehkitz-, Frischling-, Wildenten-, Fischotter-, Biber-) und die beiden längeren von Norden nach Süden verlaufenden die Endung ‘-weg’ erhielten: Luchsweg und Goldfinkweg.
Nach 1945 wurde die Siedlung von den US-Streitkräften für ihre Angehörigen genutzt. Sie gingen nach dem Abzug der Alliierten in Bundesbesitz über, standen jahrelang leer und wurden 2006 verkauft. Wegen der schlechten Bausubstanz wurden die meisten Häuser durch Neubauten ersetzt. Einige am Luchsweg wurden auch erhalten, renoviert und neu vermietet. Sie stehen nicht unter Denkmalschutz.

Wald-Kita im Abenteuerzentrum, links Axel Wagner, 11.12.2010, Foto: KHMM

Wald-Kita im Abenteuerzentrum, links Axel Wagner, 11.12.2010, Foto: KHMM

Abenteuerzentrum Grunewald
Das frühere Jugendfreizeitzentrum Eichhörnchensteig wurde vor einigen Jahren von den Pfadfindern übernommen und als Abenteuerzentrum Grunewald neu eröffnet. Ich freue mich, dass der Leiter des Abenteuerzentrums, Axel Wagner, heute extra für uns gekommen ist und uns seine Einrichtung vorstellt.

Grunewaldsee, 11.12.2010, Foto: KHMM

Grunewaldsee, 11.12.2010, Foto: KHMM

Grunewaldsee
Der Grunewaldsee ist mit 17,5 ha der größte See in unserem Bezirk und ein beliebtes Ausflugsziel. Ständigen Konfliktstoff bieten vor allem im Sommer leider die Hunde, für die es eine Badestelle gibt, die aber leider oft auch dort frei laufen, wo sie angeleint werden müssten.

Forstamt Grunewald, 11.12.2010, Foto: KHMM

Forstamt Grunewald, 11.12.2010, Foto: KHMM

Forstamt Grunewald
Hier ist Oberförster Elmar Kilz zuhause, und hier veranstaltet er morgen einen ganz speziellen Weihnachtsmarkt mit Wildschweinverkauf. Aber dazu wird er Ihnen gleich selbst etwas sagen. Ich hatte ja gehofft, dass diese Aktion heute stattfinden würde, Sie hätten Ihren Sonntagsbraten vom Kiezspaziergang mit nach Hause nehmen können. Aber nun müssen Sie selbst entscheiden, ob Sie morgen wiederkommen.

Koenigsallee
Die Koenigsallee wurde 1895 nach dem Bankier Felix Koenigs benannt, einem Mitbegründer der Villenkolonie Grunewald. Koenigs schrieb sich mit “oe”, nicht mit “ö”.

Koenigsallee 83, 11.12.2010, Foto: KHMM

Koenigsallee 83, 11.12.2010, Foto: KHMM

Koenigsallee 83: Brigitte Mira
In ihrem “Hexenhäuschen” in der Koenigsallee 83, direkt am Grunewald, ein paar Schritte vom Hundekehlesee entfernt, lebte Brigitte Mira. Sie wurde 1910 in Hamburg geboren und wuchs in Düsseldorf auf. Nach der nationalsozialistischen Definition galt sie als „Halbjüdin“.
In einer als NS-Propagandaserie gedachten Filmreihe mit dem Titel „Liese und Miese“, die als Vorprogramm zu den Wochenschauen lief, spielte sie die Miese. Dabei war die „Liese“ die „Gute“, die im Sinne der Nazi-Propaganda alles richtig machte. Dagegen machte die „Miese“ alles falsch, hörte Feindsender und hortete Lebensmittel. Brigitte Miras „Miese“ fand aber beim Publikum mehr Anklang als „Liese“, die von Gisela Schlüter gespielt wurde. Das blieb auch dem Propagandaministerium nicht verborgen, und es setzte die Serie wieder ab.
Ihr erster Spielfilm war 1948 „Berliner Ballade“. Bekannt wurde sie vor allem 1974 durch ihre Rolle in Rainer Werner Fassbinders Film „Angst essen Seele auf“ und seit 1977 in der Fernsehserie Drei Damen vom Grill. Ende der 1990er Jahre begann sie eine Chanson-Tournee mit Evelyn Künneke und Helen Vita unter dem selbstironischen Titel Die drei alten Schachteln.
Die drei traten bis zum Tod der beiden jüngeren 2001 gemeinsam auf. Brigitte Mira starb 2005 im Alter von 94 Jahren. Sie wurde auf dem Luisenfriedhof III am Fürstenbrunner Weg begraben.

Koenigsallee 65, 11.12.2010, Foto: KHMM

Koenigsallee 65, 11.12.2010, Foto: KHMM

Koenigsallee 65: Gedenktafel für Walter Rathenau
Die Villa wurde 1910 gebaut. Der Text der Gedenktafel am Zaun lautet:
Dieses Haus erbaute
und bewohnte von
1910 -1922
WALTHER
RATHENAU
Reichsaußenminister

Rathenau selbst hat das Haus gemeinsam mit seinem Freund Johannes Kraaz entworfen. Alfred Kerr schrieb über das “Jagdhaus”: “Es war beileibe weder schlicht noch ein Jagdhaus – sondern barg im Innern, was das Herz begehrte… Wilhelm kam hier oft vorbei, wenn er nach Potsdam fuhr. Walthers Freunde schoben ihm eine List unter: der Kaiser sollte beim Vorüberfahren aufmerksam werden und nach dem Besitzer des “Jagdhauses” fragen, das in brandenburgischem Spartanertum von den prunkreichen Villen des Grunewalds ruckartig abstach.”
Am 24. Juni 1922 wurde Walther Rathenau auf dem Weg zum Außenministerium in der Koenigsallee Ecke Erdener Straße im offenen Wagen von Rechtsradikalen ermordet. Auf einem kleinen Platz in der Kurve der Koenigsallee erinnert ein Gedenkstein an ihn.

Hagenplatz
Der Hagenplatz wurde 1934 nach dem Landesforstmeister Otto von Hagen benannt, der von 1817 bis 1880 lebte. Bis 1934 hatte der Platz den Namen Kurmärker Platz.