Bürgerdienstestadtrat Joachim Krüger
Treffpunkt: S und U-Bahnhof Jungfernheide, Ausgang Olbersstraße
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem 105. Kiezspaziergang. Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen ist heute in Peking. Deshalb vertrete ich sie wie bereits im letzten Monat auch heute wieder gerne. Mein Name ist Joachim Krüger, und ich bin Bezirksstadtrat für Bürgerdienste, Ausbildungsförderung und Personal.
Wir wollen heute den Mierendorffkiez erkunden. Die wenigsten werden wissen, dass es sich dabei eigentlich um eine Insel zwischen der Spree und zwei Kanälen handelt, die früher den Namen Kalowswerder trug. Wenn Sie in den Stadtplan schauen, werden Sie feststellen, dass sie eine fast quadratische Form hat und im Süden und Westen von der Spree begrenzt wird, im Norden vom Westhafenkanal und im Osten vom Charlottenburger Verbindungskanal.
Kaum jemand kennt heute noch den alten Charlottenburger Stadtteil Kalowswerder, obwohl der Name hier am Spielplatz noch auftaucht. Wir sprechen heute eher vom Mierendorffkiez.
Gleich am Anfang unseres heutigen Spazierganges stehen drei Besichtigungen hier in unmittelbarer Nähe: Wir werden zuerst das Gottfried-Keller-Gymnasium gleich gegenüber an der Olbersstraße 38 besuchen, wo uns Schulleiter Kreitmeyer seine Schule vorstellen wird. In der Aula werden uns Vertreter des Unternehmerstammtisches Mierendorffkiez die Planungen zum 200. Geburtstag von Kaiserin Augusta im nächsten Jahr vorstellen, in denen die Kaiserin-Augusta-Allee, die Spree und die beiden Kanäle rund um die Insel eine wichtige Rolle spielen. Anschließend werden wir die Gustav-Adolf-Kirche und dann das Landgericht am Tegeler Weg unter fachkundiger Führung besichtigen. Und wenn wir diese drei Termine geschafft haben, werden wir sehen, wie viel Zeit uns noch bleibt, um den Kiez rund um den Mierendorffplatz zu erkunden.
Bevor wir starten möchte ich Ihnen den Treffpunkt für den nächsten Kiezspaziergang mitteilen. Wie Sie wissen finden die Kiezspaziergänge immer am zweiten Samstag eines Monats ab 14.00 Uhr statt, der nächste, den Frau Thiemen wieder übernehmen wird, also am 9. Oktober. Der Treffpunkt ist dann um 14.00 Uhr am Bahnhof Charlottenburg am Stuttgarter Platz vor dem Ausgang an der Kaiser-Friedrich-Straße, und es wird von dort zum Lietzenseeufer gehen, wo das Haus See-Eck neben dem Hotel See-Hof seinen 100sten Geburtstag feiert. Der Besitzer, Herr Jost, hat den Kiezspaziergang dazu eingeladen und versprochen, dass auch 200 Personen in seinem Haus mit dem kleinen Hotel Belle Etage am Lietzensee Platz finden.
Olbersstraße
Die Straße wurde 1910 nach dem Mediziner und Astronom Heinrich Willhelm Matthias Olbers benannt, der von 1757 bis 1840 lebte und in Bremen starb.
Mierendorffkiez
Kalowswerder wurde erst relativ spät in größerem Stil bebaut, und zwar in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. Zunächst gab es nur eine einzige Brücke, und zwar eine Zugbrücke, die heutige Schlossbrücke, die Kalowswerder mit der Stadt Charlottenburg verband. König Friedrich Wilhelm II betrachtete das Gelände als eine Art erweiterten Schlossbezirk und wollte vom Schloss her über die Spree hinweg freie Aussicht behalten. Im 19. Jahrhundert nannte man das Gebiet “Über der Spree”, womit die Sicht aus der Schlossperspektive gemeint war. So wurden zunächst lediglich Holzplätze und Holzhandlungen hier geduldet. Später entstanden einige kleinere Produktionsanlagen wie etwa die Gottschalk’sche Zichorienfabrik und eine Ätherfabrik der Firma Schering, heute das Gelände des Berlin Biotech Parks.
Die Eröffnung des Bahnhofs Jungfernheide am 1. April 1894 war ein wichtiger Termin für die Entwicklung der Insel. Damit hielt zum ersten Mal ein Zug in Kalowswerder. Zunächst allerdings stiegen hier vor allem die Leute aus, die am Wochenende die Jungfernheide besuchen wollten.
Aber der Bahnhof war eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Justizverwaltung das Angebot Charlottenburgs annahm, ein Grundstück am Tegeler Weg kostenlos für den Bau des Landgerichts zu nutzen. Die Stadt versprach sich davon einen Aufschwung des Stadtteils, und sie sollte Recht behalten. Der Bau des Landgerichts von 1901 bis 1906, der damit verbundene Straßenbau und der Anschluss an die Kanalisation sorgten dafür, dass in der Folge bis 1914 das Viertel zwischen dem Tegeler Weg und der heutigen Mierendorffstraße mit Mietshäusern bebaut wurde.
Das Kiezbüro Mierendorffplatz hat eine E-Mail von Frau Müller an mich weiter geleitet. Sie beklagt darin die Veränderungen der Wohnsituation in der alten GSW-Siedlung rund um die Gustav-Adolf-Kirche. Die Wohnungen wurden von der GSW verkauft, und durch die neuen Investoren modernisiert, was den Auszug vieler Mieterinnen Mieter zur Folge hatte, so schreibt Frau Müller. Inzwischen wehrt sich eine “Initiative des Quartiers am Landgericht” gegen die Modernisierung und setzt sich dafür ein, dass die Mieterinnen und Mieter in ihren alten Wohnungen bleiben können.
Im September 2000 wurde der Verein DorfwerkStadt e.V. gegründet, aus dem die Kiez-Initiative Mierendorffplatz entstand, die an der Mierendorffstraße 6 ein Kiezbüro unterhält. Zum Kiezfest auf dem Mierendorffplatz am 5.6.2008 gab der Verein die erste Ausgabe der neuen Kiezzeitung heraus: “Insel-Echo. Zeitung aus dem Mierendorffkiez”.