88. Kiezspaziergang am 11.4.2009

Vom Bahnhof Jungfernheide zum Ruhwaldpark

Start mit Wirtschaftsstadtrat Marc Schulte am Bahnhof Jungfernheide, Foto: KHMM

Start mit Wirtschaftsstadtrat Marc Schulte am Bahnhof Jungfernheide, Foto: KHMM

Wirtschaftsstadtrat Marc Schulte
am Samstag, dem 11.4.2009, ab 14.00 Uhr
Treffpunkt: S-Bahnhof Jungfernheide, Ausgang Olbersstraße

Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem 88. Kiezspaziergang. Mein Name ist Marc Schulte, ich bin Bezirksstadtrat für Wirtschaft, Ordnungsangelegenheiten und Weiterbildung. Und ich vertrete heute Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen, die über Ostern nicht in Berlin ist. Ich tue das sehr gern und freue mich auf einen schönen Osterspaziergang entlang der Spree und über einen Höhenweg, der viel zu wenig bekannt ist, bis zum Ruhwaldpark am Spandauer Damm. Von dort kommen Sie am besten mit dem Bus M45 weiter, oder Sie gehen noch ein Stückchen durch Westend zur Reichsstraße und zum U-Bahnhof Neu-Westend.
Unser Weg vom Schlosspark zum Ruhwaldpark ist Teil des Europawanderweges E11, der vom Ruhwaldpark aus weiter über das Olympiastadion, den Teufelsberg und Teufelssee zum Grunewaldturm und weiter nach Zehlendorf führt.
Ich freue mich ganz besonders darüber, dass wir auf die Schleuseninsel gehen können. Der Leiter der Außenstelle Spandau des Wasser- und Schifffahrtsamtes Berlin, Herr Matthias Moneke, erwartet uns gegen 14.30 Uhr an der ansonsten verschlossenen Tür, von der ein Weg über das alte Wehr zur alten Charlottenburger- Schleuse führt. Er wird uns hineinlassen und fachmännische Informationen zur Schleuse geben und erzählen, was dort in Zukunft geplant ist.

Zuvor aber möchte ich Ihnen mitteilen, wo der Treffpunkt für den nächsten Kiezspaziergang sein wird. Wie Sie wissen, immer am zweiten Samstag des Monats, also am 9. Mai, um 14.00 Uhr. Und im Mai wird Frau Thiemen zu einem Besuch in unserer kroatischen Partnerstadt Split sein. Deshalb wird dann Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler den Kiezspaziergang übernehmen. Er wird Sie durch die City West führen und Ihnen zeigen, was dort derzeit und in den nächsten Jahren Neues entsteht, vom Charlottenburger Tor über das Aussichtsrad bis zum Zoofenster. Treffpunkt ist am U-Bahnhof Ernst-Reuter-Platz, und zwar am Ausgang Straße des 17. Juni.

S-Bahnhof Jungfernheide
Bevor wir losgehen jetzt noch einige Informationen zu unserem Standort. Der S-Bahnhof Jungfernheide wurde am 1. April1894 als Ringbahnhof eröffnet und später auch als Vorortbahnhof genutzt. 1980 wurde der S-Bahnhof stillgelegt während gleichzeitig der U-Bahnhof Jungfernheide eröffnet wurde. Nach einem Neubau des Bahnsteigs wurde der S-Bahn-Betrieb im April 1997 wieder aufgenommen, und seither können Sie hier von der U-Bahn in die S-Bahn umsteigen und umgekehrt.

Mierendorffplatz-Kiez
Wir befinden uns streng genommen auf einer Insel. Wenn Sie mit der U-Bahn gekommen sind, haben Sie es wahrscheinlich nicht gemerkt, aber Sie sind auf jeden Fall unter einem Wasserweg hindurch gefahren. Wenn Sie in den Stadtplan schauen, werden Sie feststellen, dass diese Insel eine fast quadratische Form hat und im Süden und Westen von der Spree begrenzt wird, im Norden vom Westhafenkanal und im Osten vom Charlottenburger Verbindungskanal. Kaum jemand kennt heute noch den alten Charlottenburger Stadtteil Kalowswerder. Dabei handelt es sich genau um diese Insel. Heute sprechen wir eher vom Mierendorffplatz-Kiez.
Für den Spielplatz gleich hier gegenüber hat sich der Name Kalowswerder noch erhalten. Die Insel Kalowswerder wurde erst relativ spät in größerem Stil bebaut, und zwar in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. Zunächst gab es nur eine einzige Brücke, und zwar eine Zugbrücke, die heutige Schlossbrücke, die Kalowswerder mit der Stadt Charlottenburg verband. König Friedrich Wilhelm II betrachtete das Gelände als eine Art erweiterten Schlossbezirk und wollte vom Schloss her über die Spree hinweg freie Aussicht behalten. Im 19. Jahrhundert nannte man das Gebiet “Über der Spree”, womit die Sicht aus der Schlossperspektive gemeint war. So wurden zunächst lediglich Holzplätze und Holzhandlungen hier geduldet. Später entstanden einige kleinere Produktionsanlagen wie etwa die Gottschalk’sche Zichorienfabrik und eine Ätherfabrik der Firma Schering, heute das Gelände des Berlin Biotech Parks.
Die Eröffnung des Bahnhofs Jungfernheide am 1. April 1894 war ein wichtiger Termin für die Entwicklung der Insel. Damit hielt zum ersten Mal ein Zug in Kalowswerder. Zunächst allerdings stiegen hier vor allem die Leute aus, die am Wochenende die Jungfernheide besuchen wollten. Aber der Bahnhof war eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Justizverwaltung das Angebot Charlottenburgs annahm, ein Grundstück am Tegeler Weg kostenlos für den Bau des Landgerichts zu nutzen. Die Stadt versprach sich davon einen Aufschwung des Stadtteils, und sie sollte Recht behalten. Der Bau des Landgerichts von 1901 bis 1906 und der damit verbundene Straßenbau und Anschluss an die Kanalisation sorgten dafür, dass in der Folge bis 1914 das Viertel zwischen dem Tegeler Weg und der heutigen Mierendorffstraße Mietshäusern bebaut wurden.

Im Hintergrund die Gustav-Adolf-Kirche, Foto: KHMM

Im Hintergrund die Gustav-Adolf-Kirche, Foto: KHMM

Gustav-Adolf Kirche
Die Kita hier am Bahnhof Jungfernheide gehört zur Gemeinde der Gustav-Adolf-Kirche, die Sie am Ende der Herschelstraße von hier aus sehen können. Bereits 1915 wurde die damalige Gemeinde “Luisen-Nord” als vierte Tochtergemeinde der Luisenkirche in Charlottenburg gegründet. Sie wurde später in “Gustav-Adolf-Kirchengemeinde” umbenannt und blieb lange ohne eigenen Kirchenbau, bis 1934 die Kirche mit Gemeinde- und Schwesternhaus nach einem Entwurf von Prof. Otto Bartning mit Anklängen an die Neue Sachlichkeit und den Expressionismus in Form eines Kreissegments gebaut wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche stark zerstört, 1950-60 durch ihren Erbauer Otto Bartning vereinfacht wieder aufgebaut.

1984 wurde an der Kirche eine Gedenktafel enthüllt, die an den am Bau beteiligten Architekten Pali Meller erinnert: ZUM MAHNENDEN GEDENKEN AN DIPL.ING. PALI MELLER
  • 18.6.1902 + 31.3.1943
    ARCHITEKT BEIM BAU DIESER KIRCHE
    UMGEBRACHT IM ZUCHTHAUS BRANDENBURG
    VOM NATIONALSOZIALSITISCHEM REGIME
    AUS RASSISCHEN GRÜNDEN
Berlin Biotech Park, Foto: KHMM

Berlin Biotech Park, Foto: KHMM

Berlin Biotech Park
Wenn wir jetzt gleich Richtung Tegeler Weg gehen, werden Sie rechts hinter den Gleisen den Berlin Biotech Park sehen. Nachdem Schering 1999 seine Flüssigarzneimittelproduktion von seiner 1851 entstandenen Anlage in das Stammwerk nach Wedding verlagerte, wurde das Gelände zum Berlin-Biotechpark entwickelt. Im Juni 2004 wurde der Grundstein für den ersten Neubau gelegt. Die Berlin-Biotechpark Projektentwicklungs-GmbH will auf dem Areal bis 2015 etwa 30 Biotechnologie-Firmen ansiedeln. Wir haben schon angefragt, ob wir das Gelände einmal mit einem Kiezspaziergang besichtigen können, aber die Einlasskontrollen sind aus Sicherheitsgründen so streng, dass wir wohl mehr als zwei Stunden bräuchten, bis wir alle drin wären. Deshalb mussten wir von der Idee leider wieder Abstand nehmen.
Wir gehen jetzt die Olbersstraße vor bis zum Tegeler Weg, dann rechts die Treppen hoch zur Fußgängerbrücke. Wenn wir den Tegeler Weg auf dieser Brücke neben den S-Bahn-Gleisen überqueren, haben Sie nach rechts noch einmal einen Blick auf den Biotech Park und links vor sich sehen Sie den Park von Schloss Charlottenburg mit dem Belvedere. Wir gehen aber nicht in den Schlosspark hinein, sondern gleich wieder die Treppen hinunter und an der Spree entlang bis zu dem Tor, das auf die Schleuseninsel führt. Dort erwartet uns wie bereits erwähnt Herr Moneke und wird uns hineinlassen. Wir gehen also jetzt gewissermaßen von der Insel Kalowswerder zur Schleuseninsel.

Über das Charlottenburger Wehr zur Schleuseninsel, Foto: KHMM

Über das Charlottenburger Wehr zur Schleuseninsel, Foto: KHMM

Schleuseninsel
Ich freue mich sehr, dass Matthias Moneke, Leiter der Außenstelle Spandau des Wasser- und Schifffahrtsamtes Berlin, sich heute am Ostersamstag die Zeit genommen hat, uns auf die Schleuseninsel zu lassen und uns die alte Schleuse Charlottenburg vorzustellen. Herzlichen Dank dafür. Für die neue Schleuse reicht heute die Zeit nicht. Sie war bereits vor drei Jahren im Juni 2006 Thema eines Kiezspaziergangs.

Wir gehen jetzt zurück über das Wehr, dann nach rechts zunächst weiter an der Spree entlang, bis halblinks der Weg zur Gaststätte Vogt’s Tunnel-Eck abzweigt. Dort versammeln wir uns wieder, damit ich Ihnen etwas über die Rudolf-Wissell-Brücke erzählen kann, die wir dann direkt vor uns bzw. über uns haben.

Unter der Rudolf-Wissell-Brücke, Foto: KHMM

Unter der Rudolf-Wissell-Brücke, Foto: KHMM

Rudolf-Wissell-Brücke
Die Brücke wurde 1958-61 als Teil der Bundesautobahn A 100 (Stadtring Berlin) gebaut. Sie ist mit 930 m die längste Brücke Berlins, benannt nach dem Reichsarbeitsminister und Widerstandskämpfer Rudolf Wissell. Die Brücke wird von 12 Stützen getragen und ist bis zu 16 m hoch. Mit einer Frequenz von mehr als 120.000 Fahrzeugen pro Tag ist die Brücke Teil eines der höchstbelasteten Autobahnabschnitts Deutschlands.
Hinter der Rudolf-Wissell-Brücke ist das Ende der Schleuseninsel. Dort trifft die Spree auf den Westhafenkanal, und ab dort ist die Spree Bezirksgrenze zwischen Charlottenburg-Wilmersdorf und Spandau.
Wir gehen jetzt unter der Brücke hindurch, dann links durch den kleinen Fußgängertunnel und an der Vogt’s Tunnel-Eck vorbei. Leider sind wir für einen Besuch der urigen Gaststätte zu viele. Wir gehen dann geradeaus und links unter einer stillgelegten S-Bahn-Trasse hindurch bis zum Fürstenbrunner Weg, wo wir einen weiteren Stopp machen.

Fürstenbrunner Weg
Der Fürstenbrunner Weg wurde 1857 benannt nach einer historischen Quelle, die südlich der Straße entspringt. Sie ist eine der beiden in Berlin noch genutzten Mineralwasserquellen und wurde zum ersten Mal 1719 urkundlich erwähnt. Seit 1888 wird aus der Quelle kohlensaures Tafelwasser gewonnen. Die Quelle soll der Legende nach bereits dem Großen Kurfürsten bekannt gewesen sein. Deshalb stellte 1857 der damalige Besitzer den Antrag für die Namensgebung Fürstenbrunn.

Gegenüber dem Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchhof, Foto: KHMM

Gegenüber dem Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchhof, Foto: KHMM

Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchhof
Der Friedhof der evangelischen Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche wurde 1895/96 angelegt. Die Friedhofsfläche wurde geometrisch eingeteilt. Rechteckige Gräberfelder werden von Linden- und Ahornalleen mit Rondellen gesäumt. Südlich schließt sich der Luisenkirchhof III an, der sich bis zu den DRK-Kliniken Westend am Spandauer Damm erstreckt.
1902/03 wurde die neoromanische Friedhofskapelle nach Plänen des Stadtbaurates Hetzel gebaut. Häufig wird auch Franz Schwechten, der Architekten der Gedächtniskirche, genannt, aber seine Beteiligung an diesem Kirchbau ist nicht nachweisbar. Nach starken Kriegsschäden wurde die Kirche 1952/53 wieder aufgebaut. Bestattet wurden hier vor allem Mitglieder des Wirtschafts- und Bildungsbürgertums des Neuen Westens rund um den Kurfürstendamm. Die neuen Reichen leisteten sich opulente Gräber nahe der Kapelle und an der Südmauer, die einen auffälligen Kontrast zu den Reihengräbern in den gerasterten Gräberfeldern bilden.
Begraben sind hier die 1960 gestorbene Schauspielerin Henny Porten, der 1911 gestorbene Schriftsteller Friedrich Spielhagen, der 1907 gestorbene Geiger und Komponist Joseph Joachim, der 1921 gestorbene Jurist Otto Friedrich von Gierke und die 1943 gestorbene Sozialpädagogin Anna von Gierke. Sie war Mitglied der Bekennenden Kirche. Nach ihr wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die Gierkezeile und der Gierkeplatz benannt.
Hier befindet sich auch das Grab von John Rabe. Er wurde 1882 in Hamburg geboren und zum Kaufmann ausgebildet. Als Chef der Siemenswerke und NSDAP-Mitglied lebte er von 1931 bis 1937 in Nanking. Als die Stadt 1937 von Japanern bombardiert wurde, rettete er mehr als 250.000 Chinesen das Leben. Derzeit läuft ein Film von Florian Gallenberger über das Leben von John Rabe in den Kinos, der von manchen Kritikern mit “Schindlers Liste” von Steven Spielberg verglichen wird. Im Zusammenhang mit diesem Film will die chinesische Stadt Nanking Berlin eine Bronzebüste von John Rabe mit Sockel schenken. Sie soll im Sommer auf dem Grab aufgestellt werden. Die Stadt Nanking will auch die Kosten für die Neugestaltung und Instandhaltung des Grabes übernehmen.

Wir gehen jetzt ein kurzes Stück den Fürstenbrunner Weg nach rechts, biegen aber vor der Fürstenbrunner Brücke links in den Höhenweg ab, der uns zunächst am Friedhof, dann an einigen Sportplätzen entlang führt, hinter denen Sie die beiden Wassertürme erkennen können. Dort treffen wir uns wieder.

Wassertürme
Der 27 Meter hohe Wasserturm-Ost mit 16 Meter Durchmesser wurde 1881 von B. Salbach errichtet, der 60 Meter hohe Wasserturm-West mit 14 Meter Durchmesser einschließlich der verbindenden Wohn- und Verwaltungsbauten 1909/10 von Heinrich Seeling, zum Teil im holländischen Stil. Der höhere Wasserturm-West erweckt den Eindruck eines Wachtturms. Die Hochreservoire besaßen ein Fassungsvermögen von je 500 Kubikmeter und dienten der Wasserversorgung der Villenkolonie Westend.
Die Berliner Wasserbetriebe haben 2008 die nicht mehr benötigten Türme verkauft. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf erteilte im Dezember 2008 die Genehmigung zum Umbau der beiden Türme, in denen Eigentums- und Mietwohnungen eingerichtet werden sollen. Im großen Wasserturm-West soll auf 14 Etagen je eine rund 170 qm große Wohnung entstehen, im kleinen Wasserturm-Ost auf 7 Etagen je eine rund 200 qm große Wohnung. Die Fluchttreppenhäuser und Aufzüge werden in einem separaten Gebäude parallel zu den Türmen errichtet. Jede Wohnung soll auch einen Balkon erhalten.
Wir gehen jetzt weiter auf dem Höhenweg an mehreren Kleingartenkolonien entlang führt. Nach rechts haben Sie einen schönen Blick über das Spreetal und auf das Spandauer Industriegebiet mit der Müllverbrennungsanlage und dem Kraftwerk Reuter West. Direkt unterhalb können Sie rechts noch den stillgelegten ehemaligen S-Bahnhof Siemensstadt-Fürstenbrunn erkennen.
Dieser Höhenweg ist Teil der so genannten Hangkante der Teltowhochfläche. Das ist eine eiszeitliche Grundmoränenplatte von 9 km Länge und 3 km Breite, die das Spreetal hier im Süden begrenzt.
Wir treffen uns wieder auf dem Ruhwaldweg, von dem wir dann hinter der Spreetalallee links in den Ruhwaldpark einbiegen.

An den Kollonaden im Ruhwaldpark, Foto: KHMM

An den Kollonaden im Ruhwaldpark, Foto: KHMM

Ruhwaldpark
1867/68 ließ der Kommerzienrat Ludwig von Schaefer-Voit hier am Teltower Höhenrand durch den Architekten Carl Schwatlo für sich das spätklassizistische “Schloss” Ruhwald bauen und von seinem Obergärtner Duckstein einen großen Park anlegen. Im Park wurden teure amerikanische Nadelhölzer angepflanzt und eine kleine Teichanlage geschaffen. Der Name ist vermutlich entstanden, weil Schaeffer-Voit für seinen 1866 verstorbenen Sohn auf dem Grundstück einen privaten Begräbnisplatz hatte anlegen lassen.
Ludwig Schaefer wurde 1819 in Halberstadt geboren. Er war jüdischer Herkunft und trat zur evangelischen Kirche über. In den 50er Jahren kam er nach Berlin und gründete hier 1854 die iIlustrierte Damen-und Modezeitschrift “Basar”, mit der er zu Reichtum gelangte. Es war die erste deutsche Modezeitung. Seine Frau Margarethe, geborene Voit, unterstütze ihn tatkräftig und redigierte insbesondere die eingesandten Schnittmuster. 1867 wurde Ludwig Schaefer zum Commerzien- und Commissionsrath, später zum Geheimen Kommerzienrat. Als er schließlich in den Adelsstand versetzt wurde, fügte er seinem Nachnamen aus Dankbarkeit den Geburtsnamen seiner Frau hinzu und nannte sich jetzt Ludwig von Schaefer-Voit. In der Literatur taucht häufig auch die Schreibweise “Schaeffer” auf, die er selbst aber nicht verwendet hat. Alle vier Söhne starben vor ihren Eltern: Der 19jährige Leutnant Udo kam 1866 im Krieg gegen Österreich ums Leben, Edgar 1870 im Deutsch-Französischen Krieg.
Der Chronist Monke hat beschrieben, wie Ludwig Schaefer das Grundstück für sein Schloss entdeckt hat:
“Es ist nicht zu verwundern, dass ein Mann wie Ludwig von Schaefer-Voit, der sozusagen vom guten Geschmack lebte und der ihn machte, auch ein feines Verständnis für landschaftliche Schönheit besaß; bald hatte er den schönsten Punkt in der näheren Umgebung Berlins, den Spandauer Berg mit seinem herrlichen Blick über das Spreetal bis zu den Horizontlinien der Barnimer Wälder in blauer Ferne, herausgefunden, und bereits zu Anfang der sechziger Jahre wanderte er oft von Charlottenburg aus, den Feldstuhl unterm Arm zu den Höhen neben der Spandauer Bergbrauerei, um dort die Ruhe und die Fernsicht zu genießen. Damals war das ganze Westendplateau noch völlig unbebaut.”
Leider sind heute alle Aussichten zugewachsen, so dass die wunderbare Lage des Parks nur noch eingeschränkt erfahrbar ist.
Schon sechs Jahre nach dem Bau, 1872 verkaufte Schaefer-Voit sein Schloss an eine Malzfabrik. Wirtschaftlich hatte er dazu keinen Anlass, da sein Geschäft nach wie vor blühte. Grund waren wohl die schmerzlichen Familienereignisse und Ärger mit den Nachbarn, mit denen er wegen eines Wegerechts durch den Park einen langen Prozess führte und verlor.
Die Malzfabrik eröffnete hier einen Restaurantbetrieb. Plünderungen im Park und der Niedergang des Restaurationsbetriebes führten zur Einstellung. (Die Berliner spotteten: “Nun ruhen alle Wälder, vor allem Ruhwald selber.”
1887 wurde im Schloss eine Nervenheilanstalt eingerichtet, der Park als Kurpark genutzt. 1925 erwarb der Bezirk Charlottenburg Schloss und Park. Für einige Zeit hatte der Bezirksbürgermeister Charlottenburgs in dem Schloss seinen Dienstsitz.
1937 wurde das Schloss und seine Nebengebäude mit der Ausnahme von Remise und Wirtschaftsgebäuden wegen angeblicher Baufälligkeit abgerissen. Das Wirtschaftsgebäude wurde als Casino genutzt.
Erhalten sind auch die Arkaden des Kavalierhauses mit einer breiten Freitreppe. Sie gehörten zu dem im Stil der italienischen Frührenaissance erbauten Kavalierhaus, das 1952 abgerissen wurde. In den Kolonnaden rechts und links befinden sich Marmorbüsten des Bildhauers Ludwig Cauer von Ludwig und Margarethe Schaefer-Voit. Der Park wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 1950 wurde die Gartenanlage wiederhergestellt. Seit 1987 steht der Park unter Denkmalschutz. Vor den Kollonaden befindet sich eine Informationstafel.

Wirtschaftsstadtrat Marc Schulte im Ruhwaldpark, Foto: KHMM

Wirtschaftsstadtrat Marc Schulte im Ruhwaldpark, Foto: KHMM

Der Park mit einem kleinen Teich, Fußgängerbrücken und einem schluchtartigen Abgang zum Spreetal ist besonders schön, wenn es im Frühling unter den Bäumen blüht. Auf der großen Wiese stehen zwei Rotbuchen, die als Naturdenkmale eingetragen sind.
In dem früheren Wirtschaftsgebäude, das als einziges noch erhalten ist, wurde eine Kita untergebracht. Sie musste aber vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf im Herbst 2003 wegen der zu hohen Betriebskosten aufgegeben werden. Die Kinder sind umgezogen in ein neues Kitagebäude in der Länderallee. In dem 600 qm großen Gebäude betreibt seit 2005 die jüdisch-orthodoxe Vereinigung Chabad Lubawitsch die Kindertagesstätte Gan Israel.