Nürnberger Straße
Lietzenburger Straße
Bis zur Bezirksfusion 2001 war die Lietzenburger Straße die Grenze zwischen Charlottenburg und Wilmersdorf. Sie wurde 1890 nach dem ursprünglichen Namen des Schlosses Charlottenburg benannt. Der Name Lietzenburg wurde von dem Dorf Lietzow abgeleitet, das 1720 nach Charlottenburg eingemeindet wurde.
Nürnberger Str. 33: Hotel-Neubau
Hier residierten bis zu ihrem Umzug an den Theodor-Heuss-Platz die “Wühlmäuse” von Dieter Hallervorden, eines der bekanntesten Kabarett-Theater Berlins. Dieter Hallervorden gründete die Wühlmäuse 1960 in der damaligen Schöneberger Scala und präsentierte gemeinsam mit Schauspielerkollegen ein politisch-satirisches Kabarettprogramm. An der Lietzenburger Straße blieb das Theater bis 1999. Im März 2000 eröffnete es am Theodor-Heuss-Platz im früheren Naafi-Haus seine neue Spielstätte. Hier zog dann vorübergehend das Berliner Kriminal-Theater ein. Inzwischen wurde das Haus abgerissen, und ein Hotel-Neubau entsteht.
Spichernstraße
Die Straße wurde 1888 benannt, nach einem kriegerischen Ereignis, wie so viele Straßen damals. Spicheren ist eine Gemeinde in Lothringen, und im deutsch-französischen Krieg wurden 1870 die stark befestigten Spicherer Höhen durch deutsche Truppen eingenommen – wenn auch mit schweren Verlusten.
Spichernstr. 16 Helene Weigel, Bert Brecht
Hier hing bis vor kurzem eine Gedenktafel für Bertolt Brecht und Helene Weigel. Sie wurde am 6. Mai 1989 hier enthüllt. Barbara Brecht-Schall musste noch einen Ausreiseantrag stellen, bevor sie zur Gedenktafelenthüllung von Buckow hierher reisen durfte. Nach der Fassadenrenovierung wurde die Gedenktafel noch nicht wieder angebracht. Wir haben die Eigentümerin, die Tizian Wohnen GmbH, dazu aufgefordert. Der Text auf der Tafel lautet:
In dem früher hier stehenden Haus lebten
BERTOLT BRECHT
10.2.1898 – 14.8.1956
Schriftsteller
HELENE WEIGEL
12.5.1900 – 6.5.1971
Schauspielerin
Brecht schrieb hier den Text der “Dreigroschenoper”.
Beide emigrierten 1933, zuletzt in die USA.
Lebten seit 1948 in Berlin (Ost)
und gründeten dort 1949 das “Berliner Ensemble”.
Richtigerweise müsste auf der Tafel eigentlich zuerst Helene Weigel genannt werden, denn sie lebte hier, als Brecht 1924 nach Berlin kam und überließ ihm schließlich großzügigerweise ihre Wohnung, was er als selbstverständlich voraussetzte.
Helene Weigel war die Tochter des Prokuristen einer Textilfirma und der Inhaberin eines Spielwarengeschäftes, jüdischen Glaubens. Nach der Schauspielausbildung in Wien ging sie 1919 nach Frankfurt am Main und 1922 nach Berlin. Hier studierte sie Dramaturgie bei Max Reinhardt, trat an der Volksbühne und am Deutschen Theater auf, wo sich ihr Ruhm begründete. 1923 lernte sie Bertolt Brecht kennen. Der 26jährige Dramatiker schrieb ihr am 18. Juni 1924 von einer Italienreise: “Ich freue mich sehr auf Berlin und die Spichernstraße.” In Italien war Brecht noch mit seiner damaligen Ehefrau Marianne Zoff unterwegs. Nur wenige Wochen später übersiedelte er von München nach Berlin hierher in die Spichernstraße 16, wo Helene Weigel seit 1922 das Dachatelier des großen Mietshauses bewohnte. Als im November 1924 der gemeinsame Sohn Stefan geboren wurde, bat Brecht Helene Weigel, sich eine andere Wohnung zu nehmen, da der Säugling dem Vater die Ruhe zum Arbeiten raubte.
Der guten Beziehung tat diese Bitte keinen Abbruch. Bereitwillig räumte Helene Weigel ihr schönes Domizil und zog mit dem Sohn in die nahe gelegene Babelsberger Straße 52.
Brecht war in den 20er Jahren Stammgast in den Künstlerlokalen des Berliner Westens hier in Charlottenburg und Wilmersdorf, vor allem in der Prager Diele am Prager Platz. Als Brecht im Dezember 1927 vom Finanzamt Wilmersdorf schriftlich aufgefordert wurde, endlich die säumige Steuererklärung abzugeben, antwortete er: “Ich schreibe Theaterstücke und lebe, von einigen äußerst schlecht bezahlten Nebenarbeiten abgesehen, ausschließlich von Vorschüssen der Verlage, die in der Form von Darlehen an mich gegeben werden.
Da ich mit den Stücken vorläufig beinahe nichts einnehme, bin ich bis über den Hals meinen Verlagen gegenüber in Schulden geraten. Ich wohne in einem kleinen Atelier in der Spichernstraße 16 und bitte Sie, wenn Sie Reichtümer bei mir vermuten, mich zu besuchen.”
Der große Erfolg der “Dreigroschenoper”, die am 31. August 1928 im Theater am Schiffbauerdamm uraufgeführt wurde, sanierte das Brechtsche Budget und ermöglichte den Umzug in eine größere Wohnung in der Hardenbergstraße 1A am heutigen Ernst-Reuter Platz, wo endlich die ganze Familie Brecht-Weigel ausreichend Platz fand.
1929, nach der Scheidung Brechts von seiner ersten Frau, heirateten er und Helene Weigel, und 1930 kam die Tochter Barbara zur Welt. Aber auch Helene Weigel sollte Bertolt Brecht in ihrer langjährigen Ehe nie für sich alleine haben.
Die Frauengestalten im Werk des Dichters sind von ihr beeinflusst, fast alle hat sie verkörpert. In der Uraufführung des Stückes Die Mutter spielte sie 1932 ebenso die Titelrolle wie in Brechts Die Gewehre der Frau Carrar fünf Jahre später in Paris. Die Brechts lebten nach der Machtergreifung Hitlers 1933 in der Emigration, wo es für Helene Weigel keine Möglichkeit gab, als Schauspielerin zu arbeiten. Die Rolle der stummen Kattrin in “Mutter Courage und ihre Kinder” hatte Brecht extra für sie geschrieben, damit sie ohne Sprachschwierigkeiten auftreten könne, allerdings brachte damals kein Theater den Mut auf, das Stück des antifaschistischen Deutschen auf den Spielplan zu setzen. “Helli“, wie sie von allen genannt wurde, wechselte für fünfzehn Jahre in die Rolle einer „Nur“-Ehefrau und „Nur“-Mutter.
Brecht hatte für den Regisseur Fritz Lang für dessen Widerstandsdrama “Auch Henker sterben” das Drehbuch geschrieben und Helene Weigel war zuerst mit einer Nebenrolle bedacht worden, doch Lang besetzte diese im letzten Augenblick um. Dies war das Ende der Freundschaft zwischen Lang und Brecht und Letzterer betrat nie wieder ein Hollywood-Studio.
Nach der Rückkehr aus den USA spielte Helene Weigel 1948 die Titelrolle in der Uraufführung von Brechts “Die Antigone des Sophokles” in der Schweiz. Im gleichen Jahr ging das Künstlerpaar nach Ost-Berlin, wo mit der Premiere von Mutter Courage und ihre Kinder im Deutschen Theater eine neue Theaterära begann: 1949 wurde Helene Weigel Intendantin des neu gegründeten Berliner Ensembles, Brecht dessen künstlerischer Leiter. Mit ihm gemeinsam führte sie das Theater zu Weltruhm.
1950 war Helene Weigel Gründungsmitglied der Deutschen Akademie der Künste in Ost-Berlin, für die SED trat sie 1954 als Kandidatin für die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus an, dreimal wurde sie mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. 1956 starb ihr Mann Bertolt Brecht, 1960 wurde sie zur Professorin ernannt und 1965 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Silber ausgezeichnet. Der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die Tschechoslowakei 1968 ließ sie an der DDR verzweifeln. Ihr letzter Auftritt war 6 Wochen vor ihrem Tod am 3. April 1971 in Nanterre (bei Paris) in ihrer Paraderolle als “Die Mutter” im gleichnamigen Stück. Sie wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin neben ihrem Mann beigesetzt.