Station 1.1: Joachimsthaler Platz
Der Joachimsthaler Platz ist ein Denkmal-Ensemble und wurde 1936 nach dem ehemaligen Joachimsthalschen Gymnasium benannt, das von 1880 bis 1912 in der Bundesallee 1-12 residierte. Es wurde 1607 in dem im Barnim liegenden Joachimsthal 1607 als Fürstenschule für begabte Jungen gegründet.
Der Joachimsthaler Platz wurde gleichzeitig mit dem Bau des Allianz-Verwaltungsgebäudes 1953 bis 1955 von den Architekten Werner Klenke, Werner Düttmann und Bruno Grimmek mit Verkehrskanzel, Telefonzellen, Kiosk und U-Bahn-Zugang angelegt. Damals wurde auch noch ein Parkplatz eingerichtet, wie es der Idee der autogerechten Stadt entsprach. Die Verkehrskanzel sollte an die berühmte Ampel am Potsdamer Platz von 1925 erinnern, die dort als Replik wieder errichtet ist. Sie wurde aber nur von 1955 bis 1959 genutzt: Jeden Morgen stieg ein Verkehrspolizist in die Kanzel und bediente die Ampeln der Kreuzung. Wegen der starken Verkehrszunahme war die Verkehrsregelung nach 1959 von Hand nicht mehr möglich.
2000/01 wurde von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ein Wettbewerb zur Neugestaltung des Platzes ausgeschrieben. 2002 wurde der Platz nach den Plänen des Zürcher Landschaftsarchitekten Guido Hager umgestaltet. Dabei fiel der Parkplatz weg, stattdessen wurde eine Freifläche mit Bodenplatten und einem Raster aus farbigen Kunststoffstreifen geschaffen. Am 19.12.2003 wurde die 27 m hohe Skulptur Pendelobelisk von Karl Schlamminger eingeweiht. Der Obelisk befindet sich auf einer Kugel mit 3 m Durchmesser. Der Pendelobelisk lässt sich mit vereinten Kräften in Bewegung versetzen. Der 1935 in Deutschland geborene Künstler Karl Schlamminger hat in Istanbul und Teheran gelehrt. Seit 1979 lebt er in München. Skulpturen von Schlamminger gibt es weltweit in vielen Städten, darunter in Athen, Lissabon, London, Teheran, Riad, Salt Lake City, Leipzig und München. Der Pendelobelisk stellt nach Auskunft des Künstlers einen Widerspruch in sich dar,
denn [ich zitiere] seitdem Obelisken in den Himmel blicken, sind sie starr und unbewegt. Ein Pendel hingegen ist nach seiner Bewegung definiert.
Die Skulptur wurde dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf von dem Bauunternehmer Thomas Grothe gestiftet. Er und sein Vater Hans Grothe sind Bauherren einiger Großprojekte in der City-West, darunter das neue Ku’damm-Eck und das Sofitel an der Ecke Augsburger Straße.
Am heutigen Standort des Allianz-Hochhauses befand sich bis 1937 die legendäre Kakadu-Bar. Um 1919 oder kurz zuvor gegründet, wurde sie in der Weimarer Republik ein bedeutender Treffpunkt von Künstlern, Stars und Wirtschaftsführern, aber auch von Prostituierten und ihrer Klientel. 1928 wurde die Bar umgebaut. Regie führten die Architekten Oskar Kaufmann und Richard Wolffenstein, die künstlerische Gestaltung übernahm Max Ackermann. Nach dem Umbau hatte die Kakadu-Bar mehr als 400 m² und angeblich den längsten Tresen Berlins. Ihren guten Ruf konnte sie lange kultivieren, aber es gab auch Beschwerden. So beklagt sich ein Nachbar über den Lärm [ich zitiere] durch die Jazzkapelle unter Schreien und Johlen betrunkener Gäste verursachten Radau, der bis 3 Uhr nachts, mitunter auch länger andauert.
1938 wurde an dieser Stelle die Konditorei Thier angesiedelt, die wegen erster Arbeiten für die neue Hauptstadt „Germania“ aus Tiergarten wegziehen musste. 1943 wurde das Gebäude beschlagnahmt und in eine Unterkunft für den Reichsarbeitsdienst umfunktioniert. Bomben zerstörten es später so stark, dass es abgerissen wurde.
An seiner Stelle entstand von 1953 bis 1955 das von den Architekten Alfred Gunzenhauser und Paul Schwebes geplante Ensemble für den Allianz-Versicherungskonzern. Es besteht aus einem 14-geschossigem Hochhaus und einem 6-geschossigen Gebäude, das in einen etwas höheren, schmalen Kopfbau am Kurfürstendamm mündet, und wenn Sie sich die großen Fenster am Ende dieses Kopfbaus betrachten, dann werden Sie feststellen, dass die Verkehrskanzel sich architektonisch darauf bezieht.
Station 1.2: Kudamm-Eck
Da, wo heute das Kudamm-Eck steht, betrieb der Kaufmann Max Loewinsohn in einem Wohnhaus der Gründerzeit von 1913 an sein Modehaus Maison Paris. Im Dachgeschoss mit Dachterrasse wohnte Fritz Grünfeld mit seiner Frau und den drei Kindern. Grünfeld gab 1928 Otto Firle den Auftrag, das Haus zu einer Filiale des Wäschehauses Grünfeld umzubauen, einem der renommiertesten Kaufhäuser Berlins in den 20er-Jahren. Während man im Stammhaus in der Leipziger Straße auf Tradition setzte, wurde hier am Kurfürstendamm die Moderne inszeniert, mit einer gläsernen Schaufensterfront und einem gläsernen Fahrstuhl, beides damals absolute Neuheiten. Hier kaufte die Prominenz aus Film, Theater, Kunst und Mode und ausländische Touristen. Die “Grünfeld-Ecke” wurde schnell zum Begriff in Berlin.
Fritz Grünfeld hat in seinen Erinnerungen beschrieben, wie er das Problem löste, als er im Jahr der Olympiade 1936 aufgefordert wurde, das Haus zu beflaggen [ich zitiere]:
Ein unbeflaggtes Haus an dieser prominenten Ecke hätte das ‘Anderssein’ des jüdischen Unternehmens zu deutlich gemacht. Andererseits konnten wir auch nicht die Hakenkreuzfahne hissen. So kam ich auf den Gedanken, die ganze attraktive Fassade mit Wimpeln wie bei einer Regatta ausschmücken zu lassen – und zwar abwechselnd in den zwei Farben ‘Wäsche-Weiß’ und ‘Grünfeld-Blau’. Das waren auch die Farben der zionistischen Bewegung. Sehr festlich wirkte der Anblick auf die Besucher der Olympiade zu Berlin.
Im Jahr darauf, 1937, wurde das 75-jährige Firmenjubiläum in großem Rahmen begangen. Unmittelbar nach diesem Erfolgs-Jubiläum begann die Hetzkampagne der Nazis gegen die Firma. Das Personal wurde unter Druck gesetzt, Grünfeld zu verlassen. Die Presse druckte keine Anzeigen mehr, Lieferanten boykottierten das Unternehmen und die Banken sperrten die Kredite. Die Firma war nicht mehr zu halten. Die Grünfelds mussten einen Käufer suchen. Walther Kühl, Inhaber der Berliner Einzelhandelsfirma Max Kühl, kaufte das Unternehmen weit unter Wert, ein klarer Fall von „Arisierung“! Und selbst dieser Verkaufserlös wurde der Familie Grünfeld von den deutschen Behörden wieder abgenommen, bevor sie – gerade noch rechtzeitig – nach Palästina auswandern konnte. Am 15. Oktober 1938 meldete Die Textil-Zeitung: “Grünfeld in arischem Besitz!” Das Haus Grünfeld wurde zunächst von Kühl weitergeführt, im Krieg beschlagnahmt und als Heereskleiderkasse zur Lagerung und Ausgabe
von Uniformen benutzt. In den letzten Kriegstagen im April 1945 wurde das Gebäude von SS-Leuten angezündet, wahrscheinlich um zu verhindern, dass der Feind in den Besitz der Uniformen gelangte. Max Kühl führte das Wäschekaufhaus in der Nachkriegszeit am Kurfürstendamm / Ecke Fasanenstraße weiter. Die Ruine des Wäschehauses Grünfeld wurde noch bis in die 1960er-Jahre als dreistöckiger Behelfsbau genutzt und dann abgerissen.
1969 bis 1972 errichtete der Senatsbaudirektor Werner Düttmann das Kudamm-Eck. Es wurde schon bald nach seiner Fertigstellung als „überdimensionierter Schandfleck“ empfunden. In dem verwinkelten Gebäude konnte sich kein Nutzer auf Dauer erfolgreich behaupten, und viele wünschten sich schon in den 80er-Jahren einen möglichst baldigen Abriss. Dazu kam es schließlich 1998. In den folgenden drei Jahren bis 2001 bauten die Architekten Gerkan, Mark und Partner (gmp) das heutige runde Kudamm-Eck. Entstanden ist ein 10-geschossiges, 45 m hohes Geschäftshaus mit einer 70 m² großen elektronischen Werbewand. Oben an der Fassade wurde ein Skulpturenensemble von Markus Lüpertz aufgestellt: Das Urteil des Paris. Die drei Göttinnen sind an der Ecke Kurfürstendamm zu erkennen. Paris hält sich etwas im Hintergrund an der Einmündung der Augsburger Straße in die Joachimsthaler. Falls Sie sich nicht mehr genau an diese Episode aus der griechischen Mythologie erinnern: Alle Götter
waren zur Hochzeit des Peleus und der Thetis eingeladen, außer Eris, die Göttin der Zwietracht. Natürlich rächte sie sich, indem sie Zwietracht säte. Sie warf einen goldenen Apfel mit der Aufschrift „Für die Schönste“ unter die Hochzeitsgesellschaft. So kam es zum Streit zwischen Aphrodite, Pallas Athene und Hera. Daher stammt übrigens der Ausdruck “Zankapfel”. Der kluge Zeus wusste, dass mit einer Entscheidung in dieser Frage nichts zu gewinnen war. Er forderte den jungen Paris, den Sohn des trojanischen Königs Priamos auf, den Schiedsrichter zu spielen. Jede der Göttinnen versuchte, ihn zu bestechen. Hera versprach ihm die Herrschaft über die Welt, Athene Weisheit und Aphrodite die Liebe der schönsten Frau der Welt. Paris entschied sich für Aphrodite. Die schönste Frau der Welt war allerdings Helena, und sie war bereits mit Menelaos, dem König von Sparta, verheiratet. Der Raub der Helena zur Erfüllung des Versprechens der Aphrodite war schließlich der
Auslöser des Trojanischen Krieges.
Station 1.3: Neues Kranzler Eck
Unter der Bezeichnung Neues Kranzler Eck errichtete von 1998 bis 2000 der Architekt Helmut Jahn auf dem 20.000 Quadratmeter großen sogenannten Victoria-Arial einen neuen Baukomplex. Hauptgebäude ist ein 16-geschossiger, 60 Meter hoher verglaster Baukörper mit einer Passage von der Kantstraße zum Kurfürstendamm. Den markanten Blickfang bildet eine spitz zulaufende 54 m hohe Kante mit der Lichtinstallation Lichtburg von Yann Kersalé.
Am 27. Dezember 2000 erfolgte die Wiedereröffnung des Café Kranzler unter altem Namen, ausschließlich im Bereich der Rotunde tagsüber als Café, abends als Bar. Ende 2015 wurde es allerdings wieder geschlossen. Ein Jahr später wurde das neue Café Kranzler wiedereröffnet und wird nun als Filiale der Berliner Kaffeerösterei The Barn betrieben. Da das Gebäude nach wie vor unter Denkmalschutz steht, hat sich äußerlich kaum etwas verändert. Die Innenräume wurden jedoch komplett erneuert.