HIER WOHNTE
ANNI PNIOWER
JG. 1887
DEPORTIERT 12.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
Anni Pniower, Biancas viertes Kind, wurde Sekretärin. Sie war Buchhalterin bei Lehmann & Kronheim in Berlin Mitte, Hoher Steinweg, mit einem Gehalt von 288 RM im Monat, bis sie zum 1. Januar 1939 als Jüdin entlassen wurde und Zwangsarbeit leisten musste.
Im April 1938 erfuhr Bianca, dass sie und ihre Tochter Anni die 2-Zimmer-Wohnung in Halensee, Hektorstr. 15 (Gartenhaus Parterre) zu räumen hätten, damit dort eine NS-Parteigenossin einziehen könne. Die gesamte Einrichtung, zusammen mit Kleidung und Schmuck, mussten sie dort lassen und durften nur einen Sessel mir Plüschbezug, einen kleinen Spieltisch und eine Nähmaschine mitnehmen. Bianca und Anni zogen dann in die Steifensandstraße 6 in Charlottenburg, wo sie zur Untermiete bei Goldsteins wohnten. Wir wissen nicht, ob die Frauen Freundinnen oder Bekannte der Goldsteins waren – es ist möglich, aber es gab rechtliche Zwänge, was die Aufnahme von Untermietern anging, und nicht jedes Untermietverhältnis war freiwillig.
Als Familie Goldstein im Laufe von 1942 aus dem Haus in der Steifensandstraße auszog, mussten vermutlich dann die beiden Frauen auch ausziehen. Bianca bekam ein Zimmer im Hause Weinmeisterstraße 3 bei Lautermanns (die einige Monate später nach Riga in den Tod geschickt wurden). Ihre Tochter Lucie schickte Lebensmittel aus der Schweiz, die Schwager Fredy Kubitzky „bis zuletzt“ in die Weinmeisterstraße brachte. Von dort wurde Bianca am 11. Juni 1942, im Alter von 77 Jahren, mit dem „IV. Alterstransport“ zusammen mit 49 anderen alten Menschen nach Theresienstadt deportiert. Von dort wurde sie am 19. September 1942 „in den Osten“ deportiert, also nach Treblinka, wo sie ermordet wurde.
Anni wurde ein Zimmer in Mitte, im Hause Dragoner Straße 10 (IV rechts), zugeteilt — in der heutigen Max-Beer-Straße, wo sich bis in die 1930er Jahre das Jüdische Volksheim
befunden hatte. Von dort aus wurde sie am 12. Januar 1943 mit dem 26. Osttransport, zusammen mit 1189 anderen Menschen, deportiert und in Auschwitz ermordet.
Das Todesdatum der beiden Frauen wurde in den 50er Jahren vom Amtsgericht in Berlin zuerst als den 8. Mai 1945, dann als 31. Dezember 1945 festgelegt. Offensichtlich fand man erst später und allmählich, wenn überhaupt, die eigentlichen Todesdaten heraus.
Recherche und Text: Kate Sturge, Quellen: Adressbücher, ancestry.com, Arolsen Archives, Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO)
https://www.jmberlin.de/berlin-transit/orte/en/juedischesvolksheim.php