Stolpersteine Waitzstraße 6

Hausansicht Waitzstr. 6

Die Stolpersteine für Rosa Jacob und Leo Jacob wurden am 23. Oktober 2019 verlegt.

Stolperstein Rosa Jacob

HIER WOHNTE
ROSA JACOB
GEB. PAECHTER
JG. 1883
DEPORTIERT 23.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 26.10.1942

Stolperstein Leo Jacob

HIER WOHNTE
LEO JACOB
JG. 1873
DEPORTIERT 23.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 25.12.1942

Passfoto Leo Jacob

Passfoto Leo Jacob

Leo Jacob wurde am 16. Mai 1878 geboren und war der älteste Sohn des Kaufmanns Nathan Jacob. Er wuchs mit fünf (Halb-)Geschwistern in Preussisch Holland auf, bis die Familie um die Jahrhundertwende herum nach Berlin zog.

Leo Jacob hat am 9. Oktober 1909 in Berlin Rosa geb. Paechter geheiratet. Sie war am 5. Mai 1883 in Crossen / Oder geboren worden und somit 10 Jahre jünger als ihr Ehemann. Sie hatte eigenes Vermögen in die Ehe eingebracht und sammelte Kunst. Am 13. August 1910 wird als erstes ihrer drei Kinder die Tochter Ilse geboren. Die Geburtsurkunde nennt als Wohnanschrift der Familie die Pestalozzistraße 50. Später wohnte die Familie in (Berlin-) Charlottenburg, Waitzstraße 6. Der Sohn Fritz wird am 6. November 1912 geboren, und am 27. Juni 1916 als jüngstes Kind sein Bruder Alfred. Die Wohnung in der Waitzstraße umfasste sechs Zimmer und war gutbürgerlich eingerichtet. Im Bauernzimmer wohnte die Mutter von Rosa, Frau Friederike Paechter, geb. Meyer, die am 28. Mai 1860 geboren worden war.
Leo war zu einem Drittel Teilhaber der Firma Jacob & Mannheim OHG, zusammen mit seinem Bruder Julius Jacob und Julian M. Mannheim. Es handelte sich um eine Textil-Großhandelsfirma, die zugleich die Fabrikation von Wäsche, Schürzen und Badeartikel betrieb. Sitz der Firma war in der Heiligengeiststraße 15. Die Firma hatte an der Straßenfront einen größeren Geschäftsraum. Aufgrund des Novemberpogroms 1938 wurde die Firma „von heute auf morgen“ geschlossen.

Rosa Jacob hatte am 31. März 1939 ihrer Bank zwei Couverts mit Schmuckgegenständen zur Verwahrung gegeben. Nach der Abgabepflicht von Juwelen und Schmuck hat Rosa die Bank am 26. Oktober 1939 angewiesen, die verschlossenen Einlagen dem städtischen Leihhaus zu übergeben und den Erlös ihrem Konto gutzuschreiben; ob das geschehen ist, ist nicht mehr nachprüfbar.
Leo und Rosa Jacob verfügten über ein Konto bei der Deutschen Bank, von dem im Mai und Juni 1942 Beträge an die Jüdischen Kultusvereinigung Berlin überwiesen worden sind, sowie im September 1942 der Betrag von 400 RM mit dem Vermerk „Altersheim-Verpflegung“. Es wird sich dabei um Zahlungen für die Deportation nach Theresienstadt gehandelt haben. Der Restbetrag ihres Kontos in Höhe von 1.046,- RM wurde am 15. Oktober 1942 auf das Sonderkonto „H“ der Reichsvereinigung der Juden überwiesen.
Leo und Rosa Jacob sowie die 82-jährige Friederike Paechter wurden am 23. September 1942 mit dem 65. „Alterstransport“ in das KZ Theresienstadt deportiert. Rosa Jacob verstarb dort bereits am 26. Oktober 1942; Leo starb zwei Monate später am 25. Dezember 1942. Friederike Paechter erlag den unmenschlichen Lebensumständen im Lager am 23. September 1943.
Den Kindern Ilse, Fritz und Alfred Jacob gelang es in den 30er Jahren Deutschland zu verlassen. Als Alfred, dem jüngsten der Geschwister, eine weitere berufliche Tätigkeit in Deutschland verwehrt wurde, konnte er im Jahr 1934 im Alter von 17 Jahren nach Johannesburg auswandern. Auch sein Bruder Fritz konnte sich nach Südafrika durchschlagen. Im Jahr 1946 folgte schließlich Ilse, die 1936 nach Basel gegangen war, ihren Brüdern aus der Schweiz nach Südafrika. Die drei Kinder hatten versucht, ihre Eltern zum Verlassen von Deutschland zu bewegen. Das gelang ihnen aber nicht. Leo und Rosa müssen geäußert haben, schlimmer könne es gar nicht mehr kommen; womöglich haben sie aber auch Leos Mutter nicht im Stich lassen wollen, die zu gebrechlich für die Emigration war.
Alfred Jacob ist 1961 nach England gezogen und wurde 1964 britischer Staatsbürger.

Der Text beruht auf: Heinz Burghardt, Familie Nathan Jacob aus Preussisch Holland, Spuren vom sozialen Aufstieg einer Familie, von ihrer Ächtung, von der Vernichtung und vom Entkommen, Eigenverlag 2019, Am Markt 17, D 14542 Werder (Havel)

Weitere Quellen:
Akten des Landesentschädigungsamtes Berlin Nr. 260.784; 335.805; 335.806; 378.439; 379.019;
502.082
BLHA, Rep. 36 A (II), Karteikarten der „Vermögensverwertungsstelle“ zu Leo Jacob und Rosa
Jacob geb. Paechter; Rep. 36 A Nr. 1872.
WGA-Akten Landesarchiv Berlin, B Rep. 025-05, 2295/55; 2296/55; 2299/55; 2302/55.