Sie mokierte sich über die Absurdität dieser „Theorie“ und bekannte sich offensiv zu ihrer jüdische Abstammung väterlicherseits. Danach war sie natürlich in größter Gefahr, verließ ihr Heim am Hohenzollerndamm 81 und ging in den Untergrund, um die Familie nicht zu gefährden. Gelegentlich kam sie heimlich in das Haus zurück, um einige wenige Dinge mitzunehmen, die ihr wichtig waren. Bald darauf floh die 22-jährige nach Palästina.
1935 heiratete Clarissa Boschwitz, die zum jüdischen Glauben konvertierte, Moshe Kagan (Cohen). Aus dieser Ehe ging am 23. Mai 1938 die Tochter Esther hervor. Zwei Jahre später wurde die Ehe geschieden und Clarissa ging als Lehrerin in einen Kibbuz. Sie vermisste zeitlebens ihre Familie, ihre deutsche Heimat, Berlin und die Welt, die sie hinter sich lassen musste. Sie konnte sich kaum in die Kultur und in das soziale Leben dieses für sie fremden Landes Palästina integrieren und fühlte sich oft sehr allein. Es wurde ihr aber auch nicht leicht gemacht, denn manche Kibbuzniks hatten ihr gegenüber Vorbehalte, da sie nach jüdischen Regeln nicht jüdisch geboren war.
Im Kibbuz arbeitete Clarissa als Biologielehrerin im Gymnasium und baute ein Labor auf, das damals einzigartig in Palästina war. Biologielehrer aus dem ganzen Land kamen um sich inspirieren zu lassen. Sie lernte den Geschichtslehrer Itzchak Salzberg kennen, der mehrere Jahre als Lehrer mit Janusz Korczak im jüdischen Waisenhaus in Warschau zusammengearbeitet hatte. Die beiden heirateten 1942. Tochter Reuella wurde 1943 geboren, Sohn Doron folgte 1948. Zwischen Clarissas erstem Mann Moshe und Itzchak entwickelte sich eine enge Freundschaft. Beide waren hochgebildete Intellektuelle, die vor allem Literatur und Poesie liebten und häufig gemeinsam ins Theater oder zu Lesungen gingen. Moshe gehörte ganz selbstverständlich zur Familie.
Tagebücher von Clarissa Boschwitz sind erhalten, denen sie – teils in deutscher Sprache, teils in Ivrith – ihre Gedanken, Gefühle, Sehnsüchte, Ängste und Sorgen anvertraute. So schrieb sie im November 1946, als sie immerhin schon 13 Jahre lang in Israel lebte: