Stolpersteine Fasanenstraße 32

Hausansicht Fasanenstraße 32

Diese Stolpersteine wurden am 13.07.2019 verlegt.

Stolperstein Johann Eduard Henoch

HIER WOHNTE
JOHANN EDUARD
HENOCH
JG. 1887
FLUCHT 1939 LETTLAND
INTERNIERT JULI 1941
GHETTO RIGA
ERMORDET

Eduard, Rolph und Peter

Eduard, Rolph und Peter

Johann Eduard Henoch wurde 1887 als drittes von vier Kindern des Ehepaares Abraham und Hedwig Henoch in Berlin geboren.
Sein Vater starb schon mir 47 Jahren und Hedwig musste ihre Kinder allein aufziehen.
Glücklicherweise hinterließ er seine Familie gut versorgt, denn er hatte ein erfolgreiches Unternehmen, das elektrische Installationen und die Einrichtung von Telefonen durchführte, was damals neue und Erfolg versprechende Technologien waren.
Johann Eduard, genannt Eddy, verbrachte als junger Mann viel Zeit in England und Frankreich.
Eddy baute auch ein Geschäft zur Fabrikation von Büromaterial wie Büroklammern auf in der Nähe des Berliner Messegeländes, aber das Geschäft ging während der großen Weltwirtschaftskrise Bankrott.
Danach wechselte er zum Börsengeschäft. (Sein Sohn Peter erinnerte sich oft daran, wie sein Vater die Börsenzeitung las.)
Als die Nazis an die Macht kamen, wurde diese Art den Lebensunterhalt zu verdienen zunehmend problematisch, denn die strengen Rassegesetze verboten Handel zwischen Juden und Nichtjuden.

Eddy heiratete Lilli Therese Aufseesser (1899-1935), die Tochter eines Weinhändlers und bedeutenden Kunstsammlers. Sie heirateten 1921 und hatten 2 Söhne, Rolph, geboren1922 und Peter 1926. Es war eine stürmische Ehe, denn Lilli war oft krank in den letzten zwei Jahren ihres Lebens und starb am 31. Dezember 1935 zu Hause in der Bayerischen Straße 3.
Eddy und seine Söhne zogen in die Fasanenstrasse, wo sie lebten, bis die Jungen am 8. Januar 1939 Berlin noch gerade verlassen konnten. Eddy nahm seinem Sohn Rolph das Versprechen ab, niemals den Kontakt zu seinem Bruder Peter zu verlieren, auch wenn sie in verschiedene Länder emigrierten, ein Versprechen, das Rolph hielt, indem er Briefe und später E- Mails. schrieb.
Einige Monate danach wurde Eddy mit der Hilfe von Freunden aus Deutschland hinausgeschmuggelt. Er fand zunächst Schutz in Riga in Litauen, wo er Bekannte hatte. Die Stadt war zu der Zeit unter sowjetischer Besatzung. Als Hitler den Hitler-Stalin-Pakt brach und die Sowjetunion angriff, marschierten die deutschen Truppen am 30. Juni in Riga ein.
Von Eddy hörte man nie wieder etwas.

Nach dem Ende des Krieges versuchten seine Söhne, ihn mit Hilfe des Suchdienstes des Roten Kreuzes zu finden. Sie nahmen auch Kontakt auf zu Juden, die ihn gekannt hatten und fliehen konnten. Aber niemand war in der Lage zu sagen, was ihm zugestoßen war.

Die Geschichte der Schandtaten gegenüber der jüdischen Bevölkerung in Riga ist gut dokumentiert. Es gab sofortige Verhaftungen und Pogrome und die Errichtung des Ghettos für Juden in Riga. Im November und Dezember 1941 wurde die jüdische Bevölkerung Riga in Massenerschießungen im Wald von Rumbula ausgelöscht.

English below

Rolph Eduard Henoch was born in Berlin on June 11, 1922. He was the eldest of two sons born to Johann Eduard Henoch (1887-1941) and Lilli Therese (nee Aufseesser) (1899-1935).

The family moved several times in and around Berlin. Lilli died on December 31, 1935, prompting Eddy to move his two sons to the family’s final Berlin home, an apartment at Fasanenstr 32.

As a child Rolph, loved bicycle riding, swimming and ice skating in Berlin’s parks. The family had many parakeets. He loved the Jewish run school he attended and his uncle’s large art collection.
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Rolph emigrated on January 8, 1939 when he was 16. He went first to England, with his brother Peter. His sponsorship papers for the US were delayed, so he was brought to England temporarily by St Matthews Church and the Worthing Refugee Committee who were his brother’s sponsors.

Rolph supported himself by working in a machine shop in northern England while waiting for his documents, which only arrived after war broke out. It was a very lonely and difficult time for him. His formal schooling never resumed. Although both boys’ lives were saved, their father and uncle were missing. His father moved to Riga hoping to be safer there and was never heard from again after the German army arrived in 1941.

Rolph crossed to the US alone at the age of 17. After living a short time in Albany NY with his sponsors, he made his home with Vera and Elsie Stein in Manhattan, NY. They became his family and support. Rolph became a skilled draftsman.

He became a US citizen and joined the US army in 1942. He performed valuable service as a translator to the army colonel, bravely returning to Germany to fight with the Allies.

Rolph married Liesel (Elizabeth) Karpfen on October 12,1948, and in 1955 they had a daughter, Monica, who later became a doctor. The family lived for many years in Queens NY.

Rolph went into business with Liesel’s family, becoming first manager then owner of Elite Creations Inc., a company that specialized in dolls and their clothing. He enjoyed many trips to Japan and Germany on business, long before most people were traveling internationally. Thanks to his business travels, the family were sushi eaters long before it gained worldwide popularity.

In their later years, Rolph and Liesel enjoyed living by the ocean in Isla del Sol/St Petersburg, Florida.

Rolph’s passions were stamp collecting, which he began as a child in Berlin and continued throughout his life, and playing cards. Even in his later years, he used his computer to pursue this hobby. He and Liesel loved traveling, art, music and worldwide cuisine – Liesel was a great cook and Rolph loved to eat. He was an adoring and proud father to Dr Monica Henoch.

Rolph died at the age of 89, on October 7, 2011, three months after Liesel, who passed away on July 4, 2011.

Stolperstein Peter Henoch

HIER WOHNTE
PETER HENOCH
JG.1926
FLUCHT 1939 MIT HILFE
ST MATTHEW’S CHURCH
WORTHING
ENGLAND

Passfoto Peter 1938

Passfoto Peter 1938

Ernst Peter Henoch wurde am 6.Juni 1926 als zweiter Sohn von Johann Eduard Henoch und Lilli Therese Aufseesser geboren. Sein Vater war Geschäftsmann und verkaufte Büromaterial. Die Familie zog in Berlin –Charlottenburg mehrmals um, nach dem frühen Tod der Mutter Lilli im Dezember1935 zog der Vater mit den beiden Söhnen in die Fasanenstraße 32.
Nach dem Tod seiner Mutter hielt sich Peter nach der Schule oft bei seinen Tanten und Cousins auf. Dann unternahm die Familie Ausflüge in den Zoo oder in den Grunewald.
Als das Leben für Juden in Deutschland wegen der vielen Restriktionen und Verbote immer schwieriger wurde, gelang es den beiden Jungen noch am 8. Januar 1939, von Tempelhof aus nach England zu entkommen.
Peters Auswanderung war eine glückliche Fügung zwischen Zufall und schnellem Handeln durch Peters Tante Frieda. Sie war in London, als sie einen Zeitungsartikel über die St. Matthew’s Church in Worthing las, deren Mitglieder bereit waren, ein deutsches jüdisches Kind zu adoptieren. Sie nahm Kontakt auf und bat sie Peter aufzunehmen.
Das Flüchtlingskomitee von Worthing finanzierte das Einreisevisum seines Bruders, obwohl es insgesamt nicht genügend finanzielle Mittel gab, um beide Jungen dauerhaft zu unterstützen.
Peter fand sich in einer völlig anderen Welt wieder in dieser kleinen Stadt an der Küste von England, umgeben von Kirchgängern und im Internat, wo er wegen seiner noch schwachen Englischkenntnisse gehänselt wurde.
Bei Miss Mary Maynard, der Vorsitzenden des Flüchtlingskomitees, fand er aber doch ein angenehmes Zuhause, wo er während der Schulferien bleiben konnte.
Er vermisste die Briefe seines Vaters, die nach der Besetzung Litauens durch deutsche Truppen nicht mehr kamen. Nach einiger Zeit machte er in der Schule Fortschritte und bemühte sich, Stipendien zu bekommen, mit deren Hilfe er seine Ausbildung finanzieren konnte. Er gewann dann sogar ein Stipendium für die Universität von Cambridge und wurde Historiker.
Nachdem er die Schule verlassen hatte, meldete er sich als Freiwilliger für den Dienst in der Armee. Dort musste er auch seinen Namen anglisieren und nannte sich Peter Hennock.
Peter begegnete einer Schottin, Elspeth Rodger, bei der Christlichen Kirche der Union in Cambridge. Er war Christ geworden und seine Religion blieb sein ganzes Leben lang wichtig für ihn. Sie heirateten 1954 und hatten drei Kinder: John 1957, Mary 1958 und Martin 1960 geboren.
Peter lehrte an verschiedenen Universitäten und beschäftigte sich mit dem deutschen und britischen Wohlfahrts- und Sozialsystem.

Er heiratete noch ein zweites Mal, Elizabeth Zuckermann, geflüchtet aus Wien, mit der er sich wegen der gemeinsamen kulturellen Wurzeln besonders gut verstand. Er starb im Alter von 86 Jahren.

Stolperstein Rolph E. Henoch

HIER WOHNTE
ROLPH E. HENOCH
JG.1922
FLUCHT 1939 MIT HILFE
ST MATTHEW’S CHURCH
WORTHING
ENGLAND

Rolph Eduard Henoch wurde am 11. Juni 1922 in Berlin geboren als erster Sohn von Johann Eduard Henoch und seiner Frau Lilli Therese geborene Aufseesser.
Die Familie zog in Berlin mehrmals um und nachdem die Mutter nach längerer Krankheit im Dezember 1935 gestorben war, zog Johann Eduard Henoch mit seinen beiden Söhnen in die Fasanenstraße 32.
Als Kind liebte Rolph Rad fahren, schwimmen und Eislaufen auf den Seen in den Berliner Parks. Er ging gern zur jüdischen Schule und mochte die Kunstsammlung seines Onkels.

Nachdem die Einschränkungen für die jüdische Bevölkerung immer stärker wurden, konnte Rolph mit 16 Jahren fast im letzten Augenblick fliehen – mit Hilfe der Mitglieder der St. Mattews Church in Worthing, die sich um seine Papiere für die USA kümmerten. Für seinen Bruder übernahmen Mitglieder der Gemeinde die Vormundschaft.

Rolph verdiente seinen Lebensunterhalt, indem er in einer Maschinenfirma arbeitete, während er auf seine Papiere wartete. Es war eine einsame und schwierige Zeit für ihn, zumal ab 1941 auch die Briefe seines Vaters ausblieben.
Mit 17 emigrierte er allein in die USA, konnte nach kurzer Zeit bei Vera und Elsie Stein in Manhattan leben, die seine Familie und Unterstützung wurden.
Er wurde US Staatsbürger und als Armeeangehöriger leistete er wertvolle Übersetzungsarbeit an der Seite eines Generals. Er kehrte nach Deutschland zurück, um mit der US Armee gegen die Nazis zu kämpfen.
Nach dem Krieg heiratete er Liesel Karpfen und sie bekamen eine Tochter, Monica, die später Ärztin wurde. Die Familie lebte lange in Queens, NY.
Rolph schloss sich dem Unternehmen von Liesel an, eine Firma, die sich auf Puppen und Kleidung spezialisierte, deren Geschäftsführer und Eigner er später wurde. In dieser Funktion reiste er oft nach Deutschland und Japan, lange bevor Reisen international üblich wurde.
Rolph und Liesel lebten in Isla del Sol in Florida, St. Petersburg.
Er sammelte Briefmarken, ein Hobby, das er schon als Kind in Berlin begonnen hatte. Er liebte es, mit seiner Frau Liesel zu reisen, sie mochten sehr die Kunst, Musik und die internationale Küche. Er war für Monica ein stolzer und liebenswerter Vater. Rolph hatte ein glückliches Leben mit Frau und Tochter. Er wurde 89 Jahre alt, starb drei Monate nach seiner Frau im Jahr 2011.

English below

Peter Henoch (Hennock) – 1926-2012

Ernst Peter Henoch was born in Berlin on 6 June 1926, the younger of two sons of Johann Eduard Henoch (1887-1941) and Lilli Therese Aufseesser (1899-1935).

His father “Eddy” was a businessman whose company made office equipment. The family lived in several different apartments in Wilmersdorf-Charlottenburg; they moved to Fasanenstr 32 after Lilli’s early death on December 31,1935.

After his mother’s death, Peter spent much of his free time staying with his aunts and cousins. On weekends, the family went to operetta, or the zoo, and took walks in the Grunewald.

Peter and Rolph left for England from Tempelhof Airport on January 8, 1939.

Peter’s emigration was the result of a lucky coincidence and quick action by his Aunt Frieda. She was in London when she saw a newspaper article about how members of St Matthew’s Church, Worthing had decided to adopt a German Jewish child. She immediately got in touch and persuaded them to take Peter. Worthing Refugee Committee also sponsored Rolph’s entry visa, though there were not enough funds to support both boys.

Transplanted to a small town on the south coast of England, Peter found himself living a puzzlingly different life, surrounded by elderly churchgoers and bullied at boarding school for his poor English.

Peter eventually found a stable home with Miss Mary Maynard, the Secretary of Worthing Refugee Committee, and stayed with her during school holidays. His father’s letters ceased in 1941 after German troops captured Riga, where he had gone to escape the Nazis.

Peter enjoyed lessons and soon started to do well, though he was always under immense pressure, constantly needing to win scholarships to continue his education. He eventually won a scholarship to Cambridge University and became a professional historian.

First, however, he volunteered for Army service as soon as he left school. As the army required German refugee volunteers to Anglicize their names, he became Peter Hennock.

Peter met Elspeth Rodger, a Scottish woman, in the Christian Union at Cambridge. Peter had become a sincere Christian, and his religion remained important to him for the rest of his life. They married in 1954 and had three children – John, in 1957, Mary in 1958, and Martin in 1960.

Peter enjoyed teaching at Sussex University during the 1960s when it pioneered inter-disciplinary studies. Later he moved to Liverpool University as professor of history and head of department. Peter never fully stopped working. He published a comparative history of the British and German welfare systems when he was 80.

He separated from Elspeth around 1980. Later, he began a second relationship with Elisabeth Zuckerman, another former refugee, who was originally from Vienna. He adored being part of her extended family of two adult daughters, five grandchildren, and several great grandchildren. Peter also had four grandsons as John and Martin each had two boys.

Peter and Elisabeth were together for 24 years till her death in 2004. They both loved music and spent hours listening to Mozart, Beethoven, Bach and Schubert together. Their shared cultural roots were a huge part of their relationship, and something they celebrated.

Peter died on 10 September 2012, aged 86.

Texte von Mary Henoch, Enkelin, Tochter und Nichte