HIER WOHNTE
PAULINE HENRIETTE
OPPENHEIMER
GEB. CAHN
JG.1873
DEPORTIERT 17.7.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET
Henriette Pauline Oppenheimer, geb. Cahn wurde am 2. April 1873 und ihre Schwester Clara Sybilla Cahn drei Jahre später am 9. Oktober 1876 in Düsseldorf geboren. 1883 kam der Bruder Richard zur Welt. Die Eltern waren der geschäftlich gut situierte Kaufmann Jacob Cahn und seine Ehefrau Berta.
Der Bruder berichtet in einem Lebenslauf vom frühen Tod der Eltern und dass er danach bei einem Onkel in Linz am Rhein aufgezogen wurde. Ob die Schwestern auch dort aufgenommen wurden, erwähnt er nicht.
Von Pauline Henriette, manchmal auch Paula genannt, erfährt man erst wieder durch ihre Hochzeit mit dem ebenfalls wohlhabenden Kaufmann Siegmund Oppenheimer 1925 in Berlin. Es war die zweite Ehe Siegmund Oppenheimers. Auch Pauline Henriette Cahn verfügte über Vermögen. So kaufte sie sich 1926/27 ein Grundstück mit Mietshaus in der Greifswalder Straße, verfügte über Bankguthaben, kostbaren Schmuck und wertvolle Bekleidung.
Siegmund und Pauline Oppenheimer wohnten nach der Eheschließung, wie aus dem Berliner Adressbuch von 1930 und 1931 hervorgeht, in einer großen Wohnung in Schöneberg, Innsbrucker Straße 54. Die Wohnung war, wie man den Beschreibungen des Bruders Richard und auch eines Sohnes aus erster Ehe von Siegmund Oppenheimer entnehmen kann, sehr komfortabel und schön eingerichtet, unter anderem mit wertvollen Möbeln, Gemälden und Teppichen, einer Bibliothek, es gab Meissner Porzellan, Tafelsilber und eine für die damalige Zeit sehr modernen Kücheneinrichtung.
Diese Wohnungseinrichtung wurde in einem Güterrechtsvertrag vom Februar 1932 notariell als Paulines alleiniges Eigentum festgelegt. Später zog das Paar in eine 6 – Zimmer – Wohnung in der ersten Etage in die Bregenzer Straße 16.
Doch nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 verschlechterten sich die Zeiten für jüdisches Leben in Deutschland und insbesondere seit 1938 verschärften sich Maßnahmen und Vorgehen immens.
So kam auch im November 1938 der Bruder Richard im Zuge der Reichspogromnacht ins KZ Buchenwald, wurde nach 9 Tagen entlassen mit der Auflage, mit seiner Frau sofort auszuwandern. Da die beiden in Deutschland nun keine Existenzmöglichkeiten mehr hatten, wohnten sie noch kurz bei Pauline und ihrem Mann in der Bregenzer Straße und wanderten dann unter Zurücklassung all ihrer Habe nach Bolivien aus.
Ebenfalls im Verlauf des Jahres 1938 zog Clara Sybille Cahn aus Düsseldorf nach Berlin zu ihrem Schwager und ihrer Schwester in die Bregenzer Straße. Möglicherweise wollte die Familie in Zeiten der Not beieinander sein. Zeitgleich jedoch wurde Siegmund Oppenheimer, so schilderte es sein Sohn Werner aus erster Ehe, „wegen sich verschärfender Erniedrigung und Quälereien durch die Nationalsozialisten in Verzweiflung“ und am 29. Dezember 1938 „in den Freitod getrieben“.
Auch sein Grundbesitz war unter die Verwaltung der Nationalsozialisten gefallen, er musste eine sehr hohe Judenvermögensabgabe zahlen, er hatte keine freie Verfügung mehr über seine „Erträgnisse“ und erlebte, wie die jüdische Bevölkerung total aus dem Wirtschaftsleben verdrängt und deren Arbeits- und Existenzbedingungen drastisch eingeschränkt wurden. Vielleicht trug auch das Schicksal von Schwager und Schwägerin zu diesem furchtbaren Entschluss bei. Nun waren die Schwestern allein und auf sich gestellt.
Ab 1939 wurde der Mieterschutz für die jüdische Bevölkerung aufgehoben, man wurde zum Zwangsumzug in zugewiesene sog. Judenhäuser gezwungen, das Vermögen wurde zu Gunsten des Deutschen Reiches dezimiert, bzw. beschlagnahmt, die Versorgung mit zugeteilten Lebensmitteln eingeschränkt bzw. eingestellt.
So mussten im April 1939 auch Pauline Oppenheimer und Clara Sybilla Cahn die große Wohnung in der Bregenzer Straße verlassen und mit einer 4- Zimmer- Wohnung hier in der Duisburger Straße 16 im dritten Stock tauschen. Von dieser 4 – Zimmer – Wohnung durften sie nur zwei Zimmer bewohnen. In die anderen zwei Zimmer zogen andere, wechselnde Mitbewohner ein. Die Miete der Untermieter wurde auf ein für Pauline nicht zugängliches „Sicherungskonto“ überwiesen. Die Einrichtung der zwei Zimmer von Pauline Oppenheimer und ihrer Schwester in der Duisburger Straße war im Vergleich zu vorher eher karg und funktional. Zum persönlichen Gebrauch, so gab es Pauline in einer Vermögenserklärung von 1942 an, verfügte sie u. a. über 6 Kochtöpfe, 5 Gläser, 8 Teile Speisegeschirr, 2 Paar Schuhe, 5x Wäsche und vier Wollkleider, Clara gab an, u. a. zwei Wollkleider, ein Paar Schuhe, 4 Paar Strümpfe und 19 Taschentücher zu besitzen.
Die Einrichtung aus der Bregenzer Straße wurde, wie später innerhalb von Wiedergutmachungsverfahren festgestellt wurde, „verschleudert“, das heißt, höchstwahrscheinlich bei einer nur formal freiwilligen „Judenauktion“ zu verschwindend geringem Erlös abgegeben. In einem Brief an ihren Bruder in Bolivien schildert Pauline, dass sie eine hohe Judenvermögensabgabe leisten musste und Schmuck, wertvolle Kleidung und elektrische Geräte abzugeben hatte. Auch musste sie eine hohe Reichsfluchtsteuer bezahlen, die zynischerweise auch bei einer Deportation eingezogen wurde. Das Geld aus ihren Erbansprüchen sei auf notariellen Konten festgelegt, sie bekam nur, so berichtet sie, was zum Leben nötig sei.
Zwei „arische“ Freundinnen aus Hamburg, so berichtet der Bruder, hatten sie noch kurz vor der Deportation besucht und ihr Lebensmittel gebracht, denn sie hatte nur noch wenig für ihren Lebensunterhalt, da ihr Eigentum für sie nicht mehr frei verfügbar war.
Der Bruder bemühte sich, die Schwestern nach Bolivien zu holen, gab aber an, dass das nicht gelungen sei, weil der Krieg ausbrach. Innerhalb eines Heimeinkaufsvertrages zwang man Pauline Oppenheimer und höchstwahrscheinlich auch ihre Schwester Clara – wie auch viele andere nach Theresienstadt Deportierte – ca. 21 000 RM für die sog. „Wohnsitzverlegung“, Unterbringung, Verpflegung und ärztliche Versorgung zu bezahlen.
Die Legende, die von den Nationalsozialisten verbreitet wurde, war, dass man ältere jüdische Menschen mit einem sog. Alterstransport in das Altersghetto Theresienstadt, einer Art Altersheim, bringen wolle. In der Realität plante man dieses Lager jedoch als reines Durchgangslager zu den Vernichtungslagern im Osten.
Laut Aussage des Bruders verfügte auch Clara über Geld aus einer Hypothek und Schmuck. Das gesamte Vermögen der Schwestern wurde im Juni 1942 von der Gestapo anhand des Gesetzes über Einziehung von staatsfeindlichem Vermögen zugunsten des Deutschen Reiches beschlagnahmt und eingezogen.
Die Deportation von Pauline Henriette Oppenheimer und ihrer Schwester Clara nach Theresienstadt erfolgte mit einem sog. „Alterstransport“ am 17. Juli 1942.
Das Lager, insbesondere im Jahr 1942, wo gerade Tausende von älteren Juden aus Deutschland zusammengezogen wurden, war total überbelegt. Es herrschten Hunger und Krankheiten und täglich starben mehr als 100 Menschen.
Am 19. September 1942 erfolgte der Weitertransport von Pauline Oppenheimer und Clara Cahn von Theresienstadt nach Treblinka. Treblinka war ein Vernichtungslager, wo die alten Leute, falls sie die Fahrt überlebt hatten, fast sofort von der Rampe weg getötet wurden. Mit dem Hinweis auf den Transport nach dort verliert sich die Spur der beiden Schwestern, wo genau sie den Tod fanden weiß man nicht.
Indem wir diese Stolpersteine legen, soll an Pauline Oppenheimer und Clara Cahn erinnert werden, eine Erinnerung an ihr Leben, das ihnen zugefügte Unrecht, ihr Leid und unsere Verantwortung.
Recherche und Text Angelika Kaufel
Quellen:
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam, Oberfinanzpräsident Berlin- Brandenburg (II),
- Landesarchiv Berlin
- Entschädigungsamt Berlin