Über Joost Pinto ist weitaus weniger bekannt. Er wurde am 29. Januar 1903 in Amsterdam als Sohn von Isodore Louis und Sophie Pinto geboren. Er hatte noch eine Schwester mit Namen Annie. Über sein Leben in Berlin, seine journalistische Tätigkeit und die Umstände der Begegnung mit Hella Weissfeld existieren keinerlei überlieferte Informationen. Im niederländischen „Algemeen Handelsblad“ erschien am 1. März 1932 eine Anzeige, in der die Verlobung von Flora Ockersen und Joost Pinto bekannt gegeben wurde. Über eine spätere Eheschließung existieren allerdings keine Dokumente. Flora Ockersen wurde 1942 im Alter von 31 Jahren in Auschwitz ermordet.
Joost Pintos Familie mütterlicherseits kam aus einer uralten portugiesisch – spanischen Familie, deren Geschichte sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Es waren die Jessuruns. Joosts Mutter trug den klangvollen Mädchennamen Sophie Jessurun d’Oliveira. Die Nachkommen der Jessuruns siedelten sich in Hamburg und Amsterdam an.
Joosts Familie brachte interessante Persönlichkeiten hervor. Sein Großvater mütterlicherseits, Abraham de Jessurun d’Oliveira war Textschreiber und Librettist, seine erste Frau Sophia Jonkers Operettensängerin. Außerdem nahm er 1908 als Turner an den Olympischen Spielen teil.
Die Gestapo ergriff Hella und Joost in Amsterdam zu unterschiedlichen Zeitpunkten, zuerst wurde Hella am 7. November 1942 verhaftet und in Westerbork interniert, danach Joost am 20. April 1943.
Hella Pinto verbrachte nur drei Tage im Ghetto. Am 10. November 1942 wurde sie nach Auschwitz deportiert und am 13. November ermordet.
Joost Pinto blieb sieben Tage in Westerbork gefangen. Am 27. April 1943 wurde er in das Vernichtungslager Sobibór im südöstlichsten Polen deportiert und am 30. April 1943 ermordet. Insgesamt waren es 30000 Menschen, die zwischen Anfang März und Ende Juli mit 19 Transporten von Westerbork nach Sobibór verschleppt wurden.
Die drei Tage zwischen dem Beginn der Deportation und ihrer Ermordung werden Hella und Joost in den überfüllten Viehwaggons Richtung Polen verbracht haben. Sie wurden mit Sicherheit gleich nach ihrer Ankunft in den Lagern umgebracht.
Das „Polizeiliche Judendurchgangslager Westerbork“ war ein von den nationalsozialistischen Besatzern in den Niederlanden eingerichtetes zentrales Durchgangslager für die Deportation niederländischer und sich in den Niederlanden aufhaltender deutscher Juden in andere Konzentrations- und Vernichtungslager. Westerbork war der Ort, an dem von der SS fast alle Transporte zusammengestellt wurden.
Hellas Bruder Leopold Weissfeld überlebte in München die Verfolgung. Er war bis in die letzten Kriegstage als Elektroingenieur in einer wohl kriegswichtigen Branche tätig und schien von einflussreichen Personen geschützt worden zu sein.
Ihre Schwester Stephanie wurde im Februar 1945 nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte die Befreiung durch die russische Armee nur wenige Tage. An Typhus erkrankt, starb sie am 18. Mai 1945 in Theresienstadt.
Der Halbbruder Norbert wurde von Drancy/Frankreich aus deportiert und 1942 in Auschwitz ermordet.
Die Halbbrüder Siegbert und Günther emigrierten mit ihrer Mutter in die USA.
Die Familie Pinto verlor 1943 mehrere Mitglieder in den Gaskammern von Sobibór.
Recherche und Text: Karin Sievert
Quellen:
- Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945…
- Bundesarchiv Berlin
- Entschädigungsamt Berlin
- Erinnerungszentrum Kamp Westerbork
- Berliner Adressbücher
- Landesarchiv Berlin, Historische Standesamtseintragungen
- Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941-1945“
- Familienaufzeichnungen und Foto von Sylvie Kervella-Perlberger
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www.jewishencyclopedia.com/articles/8615-jesurun