Stolpersteine Mommsenstraße 10

Hausansicht Mommsenstr. 10

Diese Stolpersteine wurden am 07.09.2017 auf Wunsch der Familie verlegt. Zahlreiche Mitglieder waren anwesend.

Stolperstein Rosalie Gertrud Bach

HIER WOHNTE
ROSALIE GERTRUD
BACH
GEB. LEWISOHN
JG.1887
FLUCHT 1939 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 6.7.1943
SOBIBOR
ERMORDET 9.7.1943

Rosalie Gertrud Heidemann geb. Lewisohn wurde am 8. April 1887 in Berlin geboren. Ihre Mutter Regina, geb. Kolski und ihr Vater Leo Oktober 1911 heiratete sie den Hermann Heidemann (geb. 11.01.1886). Aus der Ehe gingen zwei Jungen hervor: Rudolf 1912, Günther 1913. Lewisohn (1857 – 1926) gehörten zum Kreis der assimilierten Berliner Juden.

Hermann, von Beruf Fabrikant, wurde 1915 zum Kriegsdienst eingezogen. Am 4. Januar 1916 fiel er in einem blutigen Wintergefecht um den Hirzstein am Südhang des Hartmannsweiler Kopf in den Vogesen. Als Todesursache wurde Artilleriebeschuss festgestellt. Getrud zog mit ihren beiden drei- und vierjährigen Söhnen zurück in die Wohnung des Vaters Leo Lewisohn in der Goethestraße 82 in Berlin-Charlottenburg. Drei der vier Brüder des Gefallenen (Arthur, Max, Georg) wohnten mit ihren Familien ebenfalls in Charlottenburg-Wilmersdorf und Onkel Max muss zeitweise eine Art Vaterersatz für Rudolf und Günther gewesen sein.

Arthur Heidemann, sein Sohn Hermann und seine Tochter Selma („Selli“), die zweite Ehefrau von Arthur Frieda, sowie Sellis Cousins Rudolf und Günther und deren Mutter Gertrud Heidemann. Arthur, Rudolf, Günther und Gertrud wurden von den Nazis ermordet, Selli und Hermann konnten rechtzeitig nach Palästina auswandern. (Foto Berlin Sommer 1925)

Arthur Heidemann, sein Sohn Hermann und seine Tochter Selma („Selli“), die zweite Ehefrau von Arthur Frieda, sowie Sellis Cousins Rudolf und Günther und deren Mutter Gertrud Heidemann. Arthur, Rudolf, Günther und Gertrud wurden von den Nazis ermordet, Selli und Hermann konnten rechtzeitig nach Palästina auswandern. (Foto Berlin Sommer 1925)

1926 starb Vater Leo Lewisohn. Zwei Jahre später, 1928, zog der Amtsgerichtsrat Arthur Bach (geb. 1875) in die ehemals elterliche Wohnung mit ein, 1930 heirateten Gertrud und Arthur. Trauzeugen waren ein älterer Bruder von Gertrud, Arthur Lewisohn aus Bielefeld und eine jüngere Schwester von Arthur, Lucia Kristeller, geb. Bach. 1934 wurde Arthur von den Nazis als Amtsgerichtsrat auf Grund seiner jüdischen Abstammung gekündigt. Die Kinder Rudolf und Günther, sowie die Schwager Arthur, Max und Benno verließen Berlin zwischen 1933 und 1938 nach Holland-Amsterdam. Einige Monate nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 flüchteten Gertrud und Arthur Bach zu den Söhnen von Gertrud nach Zaandam bei Amsterdam, wo sie zunächst bei Sohn Günther wohnten. Noch vor der Besetzung Hollands durch die Reichswehr im Mai 1940 zog das Paar nach Amsterdam. Am 23. Februar 1943 wurde sie zusammen mit ihrem Ehemann Arthur ins KZ-Sammellager Westerbork überstellt und von dort am 6. Juli 1943 in den üblichen Viehwagen ins Vernichtungslager Sobibor transportiert, wo beide unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet wurden.

In Westerbork traf sie ihre beiden Söhne Rudolf und Günther, die sich beide in diesem Zeitraum mit ihren jeweiligen Ehefrauen ebenfalls in Westerbork befanden. Rudolf wurde bereits Ende Mai nach Sobibor deportiert, Günther im September nach Auschwitz. So nahm die Mutter in Westerbork für immer Abschied von ihren beiden Söhnen, die sie unter schwierigen Bedingungen als Alleinerzieherin groß gezogen hatte. Ihr erster Ehemann und Vater der beiden Söhne Hermann Heidemann hatte sein Leben im Ersten Weltkrieg als Soldat im Dienste seines deutschen Vaterlandes verloren. Das Vaterland hat es ihm gedankt, indem es seine Kinder und seine Frau ermorden ließ. 12 000 deutsche jüdische Soldaten hatten ihr Leben im Krieg gelassen. Wie hatte Kaiser Wilhelm den Gefallenen und ihren Familien 1915 zugerufen? „Der Dank des Vaterlandes ist Euch gewiss!“

Text: Maya Mosler, geb. Span-Borchert

Stolperstein Arthur Bach

HIER WOHNTE
ARTHUR BACH
JG. 1875
FLUCHT 1939 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 6.7.1943
SOBIBOR
ERMORDET 9.7.1943

Arthur Bach ist am 11. Juli 1875 in Nordhausen (Harz) geboren. Er stammte aus einer alten jüdischen Familie in Nordhausen. Sein Vater war Julius Bach, seine Mutter Agnes Bach, geb. Hahn. Arthur studierte Jura, nachdem sich in den Jahrzehnten nach der Reichsgründung die beruflichen Aufstiegschancen für Juden verbessert hatten. Im Juli 1898 wurde er als Referendar vereidigt. Ab September 1909 war er als Amtsrichter in Gelsenkirchen eingesetzt: dort ab 1918 Amtsgerichtsrat; ab November 1925 wurde er in Berlin-Mitte als Amtsgerichtsrat am dortigen Amtsgericht tätig.

In dieser Zeit lernte er die verwitwete Hausfrau und Mutter Gertrud Heidemann, geb. Lewisohn kennen. 1928 zog er in die Wohnung von Gertrud in der Goethestraße 82 in Berlin-Charlottenburg mit ein. Im Januar 1930 heiratete er die 13 Jahre jüngere Gertrud, die aus erster Ehe zwei Jungen im Alter von 16 und 15 Jahren hatte. Trauzeugin war seine jüngere Schwester, Lucia Kristeller, geb. Bach.

Im April 1933 verlor Arthur Bach auf Grund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ seinen Beruf als Amtsrichter. In dem von Hans Bergemann verfassten Buch über „Jüdische Richter in der Berliner Arbeitsgerichtsbarkeit“ findet sich folgender Absatz zu Arthur Bach: „Ab April 1933 zwangsweise beurlaubt. Er fällt als „Altbeamter“ unter die Ausnahmeregelungen des Gesetzes; im September 1933 wird ihm mitgeteilt, dass er „im Interesse des Dienstes“ „in den Ruhestand versetzt“ werden soll. Bach bittet in einem Schreiben eindringlich darum, im Justizdienst bleiben zu dürfen, er würde ggf. eine Versetzung der Pensionierung vorziehen; dennoch zum Februar 1934 Berufsverbot nach § 6 BBG, mit Ruhegehalt.“ Arthur Bach war einer von 574 Amtsrichtern, die 1933/34 entlassen wurden. Das Berufsverbot richtete sich gegen Amtsrichter jüdischer Herkunft oder/und Richter, die Mitglied der SPD waren. 1938 wurden die Ruhestandsbezüge jüdischer Pensionisten um ein Viertel gekürzt.

Selli mit Tante Gertrud, Berlin Sommer 1925

Finanzielle Not hat mit dazu beigetragen, dass Arthur Bach im März 1939 in die Niederlande emigrierte. Aber die Flucht vor den Nazis nach Holland erwies sich als Falle, nachdem die Reichswehr im Mai 1940 die Niederlande besetzt hatte. Die Zerstörung der beruflichen Existenz war nur die Vorstufe der Vernichtung des Lebens. Am 6. Juli 1943 wurde Arthur Bach zusammen mit seiner Frau Gertrud Bach ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und nach Ankunft sofort ermordet.

Für Arthur Bach, von dem kein Foto existiert, liegt von einem jüngeren Bruder Siegfried Bach (geboren 1880) ein Wiedergutmachungsantrag aus dem Jahr 1960 vor.
2010 hat der Deutsche Richterbund vor seinem Sitz in Berlin in der Kronenstraße eine Gedenktafel mit den 698 Namen der Richter und Staatsanwälten jüdischer Herkunft errichten lassen, die nach 1933 „Opfer der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft“ wurden. Arthur Bach ist einer von ihnen.

Text: Maya Mosler, geb. Span-Borchert

Siehe auch die Stolpersteine für Arthur und Anna Heidemann und Henreitte Minna in der Windscheidstr. 9