Stolpersteine Waitzstraße 7

Hausansicht Waitzstr. 7

Die Stolpersteine für Berta und Ludwig Mannheim wurden auf Wunsch von Angehörigen der Ermordeten, die namentlich nicht genannt sein möchten, am 28. September 2016 verlegt.
Die Stolpersteine für Otto Iwan, Henriette und Martha Driesen wurden am 12. Mai 2023 verlegt.

Stolperstein Berta Mannheim

HIER WOHNTE
BERTA MANNHEIM
GEB. KLOPFER
JG. 1886
DEPORTIERT 12.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Ludwig Mannheim

HIER WOHNTE
LUDWIG MANNHEIM
JG. 1886
DEPORTIERT 12.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Berta Mannheim, geb. Klopfer, wurde am 23. Dezember 1885 in München geboren, von wo sie nach Berlin zog. Hier heiratete sie Ludwig Mannheim, geboren am 23. Oktober 1885, der aus Berlin stammte und einen kaufmännischen Beruf erlernt hatte. Beide waren deutsche Staatsbürger. Sie hatten einen Sohn namens Hans, der den Holocaust durch Emigration überlebte und dort noch lange gehofft hatte, seine Eltern ins Exil nachholen zu können. Dazu kam es jedoch nach Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht mehr, obwohl auch die beiden in den vielen auszufüllenden Formularen angaben, dass ihr Ziel sei, zu ihrem Sohn ins Ausland auszuwandern.

Ludwig Mannheim musste in den Ersten Weltkrieg wie so viele, die im Dritten Reich deportiert und ermordet wurden. Er arbeitete nach der Rückkehr als kaufmännischer Angestellter in der Glühlampenherstellung bei der Auer-Gesellschaft (Firma DEGEA), Abteilung Glühlampen – Typ Osram, bis er unmittelbar nach Hitlers Machtergreifung als jüdischer Mitarbeiter noch 1933 dort entlassen wurde. Da es erklärtes politisches Ziel war, Menschen mit jüdischer Herkunft zunächst wirtschaftlich, später physisch, auszuschalten, gelang es ihm in der Folgezeit nicht mehr, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen, so dass Berta Mannheim beginnen musste, möblierte Zimmer in der gemeinsam bewohnten Wohnung gewerblich zu vermieten, um der Familie ein Einkommen zu ermöglichen. Zu diesem Zeitpunkt waren sie bereits von der Dahlmannstraße 24, Berlin-Charlottenburg, im selben Kiez in die erste Etage der Waitzstraße 7 gezogen. Aber auch diese Tätigkeit musste sie nach der Reichspogromnacht ab Ende 1938 aufgeben. Ab diesem Zeitpunkt war ihr nur noch gestattet, Zimmer an jüdische Mieter abzugeben, die keine eigene Wohnung mehr hatten. Die bekannteste Untermieterin war Frau Dr. Hanna Katz, eine Juristin mit internationalen Kontakten, der es als einziger von allen Bewohnern noch gelang, erst im Jahr 1941 nach New York zu emigrieren und dadurch zu überleben.

In der Zwischenzeit war Ludwig Mannheim mit Beginn des Zweiten Weltkriegs ab Herbst 1939 dazu verpflichtet worden, Zwangsarbeit im sogenannten geschlossenen Einsatz als Spezialmaschinenarbeiter in der Metallbaufirma Marcus, Kolonnenstraße 35, Berlin-Schöneberg, zu leisten. Dieser Betrieb stellte Fenster, Türen, Tore und Kunstschmiedewerk her; diese Tätigkeit übte er sogar noch bis Januar 1943 aus, als die Eheleute ebenso wie ihre Bewohnerinnen und Bewohner unfreiwillig in die Sammelstelle Große Hamburger Straße gebracht wurden. Von dort aus wurden Berta und Ludwig Mannheim am 12. Januar 1943 im von den Nazis so bezeichneten 26. Osttransport nach Auschwitz deportiert. Ihr Sohn Hans sollte im Exil nie wieder von ihnen hören. Die Recherche beim Deutschen Roten Kreuz nach Ende des Zweiten Weltkriegs ergab lapidar, dass sie das Konzentrationslager Auschwitz nicht überlebt hatten; mit Kriegsende wurden sie daher staatlicherseits zum 08. Mai 1945 für tot erklärt.

Bei den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern der Waitzstraße 7, für die hier bisher keine Stolpersteine existieren, handelt es sich um:

  • Ary Aron Doctor, geboren am 13.05.1864, deportiert nach Theresienstadt am 17.08.1942, Todesdatum: 14.12.1942.
  • Jenny Doctor, geb. Sobersky, geboren am 16.10.1881, deportiert nach Theresienstadt am 17.8.1942, Todesdatum: 21.10.1942.
  • Tana Anne Kristeller, geboren am 19.10.1897 in Berlin, deportiert nach Auschwitz am 12.1.1943, Todesdatum nicht bekannt.
  • Bruno Landsberg, geboren am 25.10.1889 in Frankfurt/ Main, deportiert nach Auschwitz am 12.1.1943, Todesdatum nicht bekannt.
  • Max Silberberg, geboren am 15.01.1890 in Büren/ Westfalen, deportiert nach Theresienstadt am 29.1.1943, von dort nach Auschwitz, Todesdatum nicht bekannt.
  • Meta Sommerfeld, geb. Hessberg, geboren am 11.2.1883 in Bamberg, deportiert nach Auschwitz am 12.1.1943, Todesdatum nicht bekannt.
  • Marie Tworoger, geb. Bick, geboren am 27.07.1888, deportiert am 9.12.1942, Tod im Dezember 1942.
  • Max Tworoger, geboren am 15.04.1897, deportiert am 9.12.1942, Tod im Dezember 1942.

Dieser Text stammt von einem Urenkel von Berta und Ludwig Mannheim. Die Verlegung der Stolpersteine wurde von Angehörigen der Ermordeten initiiert und mit Unterstützung der Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf ausgeführt.

Stolperstein Otto Iwan Driesen

Stolperstein Otto Iwan Driesen

HIER WOHNTE
OTTO IWAN
DRIESEN
JG. 1875
FLUCHT 1939 FRANKREICH
INTERNIERT DRANCY
DEPORTIERT 25.3.1943
SOBIBOR
ERMORDET

Otto Iwan Driesen kam am 1. März 1875 in Segnitz/Unterfranken als erstes Kind des Lehrers Jakob Driesen und seiner Ehefrau Henriette, geb Herzstein, zur Welt. Zwei Jahre später wurde sein Bruder Wilhelm geboren. Die Familie zog nach Tauberbischofsheim, wo Otto Driesen das Großherzogliche Badische Gymnasium besuchte.

Ab 1893 studierte er in Berlin, Paris und Heidelberg zunächst Rechts- und Staatswissenschaften, wechselte 1895 das Studienfach zu Geschichte und Neueren Sprachen und und legte 1900 in Straßburg das Staatsexamen für die Lehrbefähigung in den Fächern Geschichte, Französisch, Englisch, Latein, Deutsch und Erdkunde ab. Danach absolvierte er ein Probejahr am Großherzoglichen Gymnasium in Karlsruhe, wohin seine Eltern inzwischen gezogen waren, und betrieb weitere Studien. 1901 wurde er in Straßburg in romanischer Philologie mit seiner Dissertation „Der Ursprung des Harlekins” promoviert.

Otto Driesen heiratete 1901 die am 24.6.1876 in Paris geborene Henriette Rosenbaum und lebte mit ihr und den Kindern Martha (geb. 1902) und Reinhold (geb. 1906) in der damals noch unabhängigen Stadt Charlottenburg. Bis 1907 verdiente er den Lebensunterhalt als Privatgelehrter und veröffentlichte Aufsätze in Zeitschriften und Lexika. 1908 wurde er zunächst als Oberlehrer an einer Realschule in Charlottenburg angestellt, ab 1910 als stellv. Schulleiter der Charlottenburger Waldschule, die kränkelnden Großstadtkindern Erholung am Rande der Stadt mit gleichzeitigem Schulbesuch ermöglichte. Zu dieser Zeit entwickelte er Vorstellungen, wie man moderne Medien – damals Kinematograph und Grammophon – in Wissenschaft und Unterricht nutzen könnte.

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges engagierte sich Otto Driesen zudem mit ziemlichem Erfolg bei der Sammlung von Gold für die Kriegskasse. Im März 1916 wurde er zunächst als „ungedienter Landsturmmann” einberufen, wechselte aber schon bald in das Kriegspresseamt in Berlin und setzte seine Karriere nach Stationen im Presseamt beim Reichskanzler und in der Waffenstillstandskommission in der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes fort. Ende 1919 schied er aus dem preußischen Staatsdienst aus.

Im April 1921 trat er auf Empfehlung des Rabbiners Julius Galliner die Stelle als Direktor des Philanthropins, einer Schule der Israelitischen Gemeinde, in Frankfurt/Main an, und Familie Driesen zog nach Frankfurt. Die zahlreichen Reformprojekte, mit denen Otto Driesen das Philanthropin in der Schullandschaft konkurrenzfähiger machen wollte, führten 1922 zur Gründung einer angegliederten Frauenschule und mündeten 1925 in der Anerkennung als Realgymnasium. Ab 1928 war es ein „Schulwerk” vom Kindergarten bis zum Abitur, bzw. zum Abschluss der damals einzigen Schule für jüdische Frauen in Deutschland. Die Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 verhinderte die weitere positive Entwicklung der Schule unter Leitung von Otto Driesen. Das Philanthropin wurde von den Nazis 1941/1942 geschlossen.

In diesen Frankfurter Jahren musste Familie Driesen schwere Schicksalsschläge erleben. Der Sohn Reinhold verunglückte im April 1921 tödlich. Die Tochter Martha, die als Schriftstellerin in Berlin lebte, wurde 1926 dort in einer Nervenheilanstalt untergebracht. Nach einem halben Jahr wurde sie wieder entlassen und zog zu ihren Eltern nach Frankfurt. Sie erkrankte aber erneut und lebte seit März 1937 in der Israelitischen Jacoby’schen Heil-und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn in der Nähe von Koblenz. Von dort wurde sie 1942 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.

Otto Driesen

Otto Driesen ging zum 1. April 1937 im Alter von 62 Jahren in den Ruhestand und zog im September 1937 mit seiner Frau nach Berlin.
Dort wohnte das Ehepaar Driesen in der Pension Stadthagen in der Konstanzer Straße 7 in Wilmersdorf bis es die Wohnung in der Waitzstraße 7 beziehen konnte. Die zunehmend bedrohlicher werdenden Verfolgungsmaßnamen der Nationalsozialisten veranlassten Otto und Henriette Driesen am 27. April 1939 nach Paris, der Geburtsstadt von Henriette, zu fliehen. Sie lebten in der Rue Gart No. 9 in St. Mandé, einer östlichen Vorstadt von Paris.

Nach der Besetzung Frankreichs durch die Deutsche Wehrmacht im Juni 1940 wurden Otto und Henriette Driesen verhaftet und im berüchtigten „Sammel- und Durchgangslager” Drançy bei Paris interniert, wo heute auf der „Mauer der Namen” an sie erinnert wird. Von dort wurden sie am 25. März 1943 mit dem Transport Nr. 53 zusammen mit weiteren 1006 Inhaftierten in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und unmittelbar nach der Ankunft am 27./28. März 1943 ermordet.

Seit 2004 liegt für Otto Driesen ein Stolperstein vor seinem Geburtshaus in Segnitz.

Biographische Zusammenstellung: Gisela Morel-Tiemann auf der Grundlage der Recherche von Dr. Dorothee Hoppe

Quellen:
- https://frankfurter-personenlexikon.de/node/8375?treffer=Driesen, Verf. Dorothee Hoppe.
- Philanthropin (Frankfurt am Main) – Wikipedia
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Berliner Gedenkbuch der FU
- Waldschule – Wikipedia
- Mémorial de la Shoah (memorialdelashoah.org)
- Sammellager Drancy – Wikipedia
- Vernichtungslager Sobibor – Wikipedia

Stolperstein Henriette Driesen

Stolperstein Henriette Driesen

HIER WOHNTE
HENRIETTE
DRIESEN
GEB. ROSENBAUM
JG. 1876
FLUCHT 1939 FRANKREICH
INTERNIERT DRANCY
DEPORTIERT 25.3.1943
SOBIBOR
ERMORDET

Stolperstein Martha Driesen

Stolperstein Martha Driesen

HIER WOHNTE
MARTHA DRIESEN
JG. 1902
SEIT 1937
JACOBY’SCHE ANSTALT
BENDORF-SAYN
DEPORTIERT 14. 6. 1942
SOBIBOR
ERMORDET

Martha Driesen kam am 24. Juni 1902 als Tochter des aus Segnitz/Unterfranken stammenden Otto Driesen und seiner in Paris geborenen Ehefrau Henriette Rosenbaum, in der damals noch unabhängigen Stadt Charlottenburg zur Welt. Vier Jahre später wurde ihr Bruder Reinhold geboren, der 1921 im Alter von 15 Jahren tödlich verunglückte.

Familie Driesen wohnte damals in Charlottenburg, zog aber – bedingt durch das berufliche Fortkommen des Vaters – 1921 nach Frankfurt/Main, wo Otto Driesen die Leitung des Philanthropin, einer Schule der Israelitischen Gemeinde, übernommen hatte. Vermutlich zog sie nicht mit ihren Eltern und ihrem Bruder nach Frankfurt, sondern blieb in Berlin. Es ist bekannt, dass sie 1926 als Schriftstellerin in Berlin lebte und wegen eines Nervenleidens in einer Heilanstalt untergebracht wurde. Dort blieb sie ein halbes Jahr, wurde entlassen und zog dann zu ihren Eltern nach Frankfurt.

Martha Driesen erkrankte erneut und lebte seit März 1937 in der Jacoby’schen Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn in der Nähe von Koblenz, einem Kranken- und Pflegeheim für jüdische gemüts- und nervenkranke Menschen. Ihre Eltern, die im September 1937 nach Berlin zurückgezogen waren, entschlossen sich wegen der immer bedrohlicher werdenden Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialisten Deutschland zu verlassen. Im April 1939 flohen sie nach Frankreich, konnten aber der Verfolgung nicht entkommen. Sie wurden nach der Besetzung Frankreichs durch die Deutsche Wehrmacht im berüchtigten „Sammel- und Durchgangslager” Drançy bei Paris interniert und am 25. März 1943 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.

Martha lebte weiterhin in der Jacoby’schen Anstalt, die – nach der Flucht der Familie Jacoby im Juni 1940 nach Uruguay – Ende des Jahres beschlagnahmt und formal der „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland” übertragen wurde. Die Reichsvereinigung war eine Institution, der alle jüdischen Gemeinden und Verbände ab Mitte 1939 zwangsweise angehören mussten und die ausschließlich auf Anordnung der Nationalsozialisten handeln konnte. Tatsächlich wurde das Heil-und Pflegeheim nach der „Wannseekonferenz” vom Januar 1942 zu einem Ort der “Endlösung der Judenfrage” gemacht. Zwischen März und November 1942 wurden mit fünf Transporten 573 Menschen in die Vernichtungslager „im Osten” deportiert. Die Staatspolizei versuchte – wie in so vielen Fällen – auch hier, das Ziel dieser Verschleppungen zu verschleiern. Auf der Deportationsliste vom 15. Juni 1942, auf der Martha Driesen unter der Nummer 57 zu finden ist, wurde z. B. vermerkt: “Es wird hiermit bestätigt, dass die in der vorstehenden Liste aufgeführten Juden auf Grund der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.11.1941 – RGBl I S. 722 – am 15. Juni 1942 ausgewandert sind und somit, soweit sie die deutsche Staatsangehörigkeit besessen haben, diese verloren haben.”

Martha Driesen wurde am 14. Juni 1942 aus der Heilanstalt Bendorf-Sayn nach Koblenz „überstellt” und am folgenden Tag in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.

Recherche und Text: Gisela Morel-Tiemann in Ergänzung der Recherche zu Otto Driesen von Dr. Dorothee Hoppe

Quellen: – https://frankfurter-personenlexikon.de/node/8375?treffer=Driesen, Verf. Dorothee Hoppe.
- Jacoby’sche Heil- und Pflegeanstalt – Wikipedia
- Jacoby’sche Anstalt | Startseite (bendorf.de)
- 3. Deportation am 15. Juni 1942 (mahnmal-koblenz.de) Martha Drießen Nr. 57