Bei den fünf Menschen, die in diesen beiden Häusern (Nr.72 und Nr.74) lebten, geht es um Angehörige der Familie von Georg Heidemann (1884-1936), einem von vier Brüdern von Arthur Heidemann (1891-1942). Von den fünf Brüdern Hermann, Benno, Arthur, Max und Georg besaß der älteste, Georg, ein Elektrogroßhandelsgeschäft in der Uhlandstraße 58 (Ecke Düsseldorfer Straße) in Wilmersdorf. Er und seine Frau Lisbeth, geb. Danziger, hatten zwei Töchter, Hilde (1911-1943) und Ursel (1916-2003).
Hilde Heidemann, geboren am 10. August 1911 in Berlin, heiratete 1936 den wohlhabenden Geschäftsmann Paul Böhm, geboren am 16. März 1895 in Zempelburg (Westpreußen), sie wohnten in der Düsseldorfer Straße 74 in einer geräumigen 5-Zimmer-Altbauwohnung. Anfang 1942 beschlagnahmte die Gestapo die Wohnung, samt der meisten Möbel und Wertsachen, um selbst dort einzuziehen. Hilde und Paul wurden in ein „Judenhaus“ in der Xantener Straße 2 eingewiesen.
Ihre Großmutter Selma Danziger lebte nebenan in der Düsseldorfer Straße 72. Die Deportation der Berliner Juden begann zwar schon im Oktober 1941, aber die „Rüstungsjuden“, zu denen auch Lisbeth und Hilde gehörten, blieben zunächst „unbehelligt“. Als erste wurde am 24. Juli 1942 die Großmutter Selma geholt und mit einem von den nationalsozialistischen Bürokraten so genannten „Alterstransport“ nach Theresienstadt gebracht. Sie packte ihren Koffer in der Annahme, es ginge in einen Sanatoriumsaufenthalt. Am 18. August 1942 kam sie in Theresienstadt um.
Im August erfuhren Paul und Hilde von ihrer bevorstehenden Deportation and beschlossen, in den Untergrund zu gehen. Sie kamen zunächst bei Verwandten und Bekannten in Berlin unter und besorgten sich gefälschte Ausweise. Als nächster ging Paul bei der Suche nach einer Unterkunft in Steglitz ins eng geknüpfte Netz der Menschenjäger. Ein Polizist erkannte ihn wegen seiner Körpergröße und auffälligen Erscheinung auf offener Straße. Am 14. September 1942 wurde er zunächst nach Theresienstadt deportiert. Von dort wurde er am 6. Oktober 1944 nach Auschwitz gebracht und sofort ermordet. Hilde und ihre Mutter Lisbeth kamen eine Zeitlang in Luckenwalde außerhalb Berlins unter. Beide wurden Ende November 1943 verraten und am 7. Dezember 1942 von Berlin nach Auschwitz gebracht und dort sofort ermordet.
Am 3. Dezember 1942 schrieben Hilde und Lisbeth aus dem Berliner Übergangslager in der Großen Hamburger Straße 26 noch eine Postkarte an ihre jüngere Schwester Ursel, die zu diesem Zeitpunkt bereits ihr erstes Kind Robert geboren hatte. Sie machten sich Sorgen, ob die Zurückgebliebenen und ihr Baby den großen Bombenangriff vom 22./23. November 1943 heil überstanden hätten.
bq. Mit Ausnahme des Schicksals meines Großvaters Arthur Heidemann und dessen damaliger Frau und Kind war bis vor wenigen Jahren nicht zu ahnen, wie die rassistische Mordmaschine der Nazis in unserer Familie gewütet hat. Meine Mutter Selma Heidemann und ihr Bruder Hermann (Zwi) haben nicht darüber gesprochen und ich habe als junge Frau nicht gefragt. Vor zwei Jahren haben wir erfahren, dass eine Cousine meiner Mutter den Holocaust überlebt hat und dass ich zwei Cousinen zweiten Grades in New York habe,
sagte Maya Mosler-Cohen zu der Stolpersteineverlegung.
Text: Maya Mosler-Cohen (Frankfurt a.M.)
Zu der Stolpersteinverlegung an der Düsseldorfer Straße 74 hielt Maya Mosler-Cohen (Frankfurt a.M.) diese Ansprache:
bq. Hier verlegen wir vor ihrer früheren Wohnung die Stolpersteine für Paul Böhm und Hilde Böhm, geb. Heidemann.
Ich stütze mich bei meiner Erzählung jetzt auf das bereits erwähnte Interview mit Ursel Heidemann-Dowleh sowie ein Interview mit Alfred Böhm, dem Bruder von Paul. Alfred hat mit Hilde und Paul hier zusammengewohnt und hat in der Illegalität in Berlin überlebt.
Hilde und Paul lernten sich schon 1928 in einem Berliner Großbetrieb kennen. Paul war dort als Manager tätig, Hilde als Stenotypistin.
1936 heiratete Hilde dann den wohlhabenden Geschäftsmann Paul
Böhm. Sie wohnten gleich nebenan in der Düsseldorfer Straße 74 in
einer geräumigen 5-Zimmer-Altbauwohnung, zusammen mit Pauls Bruder Alfred.
Die beiden Brüder hatten ein enges Verhältnis miteinander. Paul besaß neben mehreren Immobilien und einer Baufirma u.a. eine Yacht am Stößersee, ein Sommerhaus in Gatow und eine Luxuslimousine. Nach 1938 blieben ihm nur noch persönliche Wertsachen.
Die Deportation der Berliner Juden begann zwar schon im Oktober 1941, aber die „Rüstungsjuden“, zu denen auch Lisbeth und Hilde gehörten, wurden zunächst zurückgestellt. Anfang 1942 beschlagnahmte die Gestapo die Wohnung, samt der meisten Möbel und Wertsachen, um einen SS-Offizier dort einziehen zu lassen. Hilde, Paul und Alfred wurden in ein „Judenhaus“ in der Xantener Straße 2 eingewiesen.
Im August 1942 erfuhren Paul, Hilde und Alfred von ihrer bevorstehenden Deportation und sie beschlossen, in den Untergrund zu gehen. Sie kamen zunächst bei Verwandten und Bekannten in Berlin unter und besorgten sich gefälschte Ausweise.
Als nächster ging Paul bei der Suche nach einer Unterkunft in Steglitz am 3. September 1942 den Menschenjägern ins Netz. Ein Polizist erkannte ihn wegen seiner Körpergröße und auffälligen Erscheinung auf offener Straße. Am 14. September 1942 wurde er
zunächst nach Theresienstadt deportiert. Von dort wurde er am 6. Oktober 1944 nach Auschwitz gebracht und sofort ermordet.
Ursel drängte nach Pauls Deportation darauf, dass auch die Mutter Lisbeth Heidemann mit in den Untergrund genommen wird. Auch sie erhielt falsche Papiere und verließ die Düsseldorfer Straße 72.
Hilde und Alfred lebten als Geschwister zusammen und alle drei kamen eine Zeitlang in Luckenwalde außerhalb Berlins unter.
Hilde arbeitete unter dem Decknamen Hilde Banger als Stenotypisten in einem nahen Rüstungsbetrieb, Lisbeth, auch unter falschem Namen, in einer Luckenwalder Hutfabrik.
Beide wurden um den 20. November 1943 verraten und am 7.12.42 mit dem von den NS-Behörden so bezeichneten 47. Osttransport von Berlin nach Auschwitz gebracht und dort sofort ermordet. Am 3. Dezember schrieben Hilde und Lisbeth aus dem Übergangslager in der Großen Hamburger Straße 26 in Berlin noch eine Postkarte an ihre jüngere Schwester, bzw. Tochter Ursel, die zu diesem Zeitpunkt bereits ihr erstes Kind (Robert)geboren hatte. Sie machten sich Sorgen, ob die Zurückgebliebenen und das Baby den großen Bombenangriff vom 22./23. November 1943 heil überstanden hätten.
Alfred Böhm konnte sich knapp dem Zugriff der Häscher entziehen, weil ihn der Wirt eines Gasthauses, das zugleich Treffpunkt der drei war, gewarnt hatte. Zu Alfred Boehm und seine Mitarbeit in einer Widerstandsgruppe gibt es bereits eine Dokumentation in der Gedenkstätte Stille Helden.