Stolperstein Schlüterstraße 16

Hausansicht Schlüterstr. 16

Die Stolpersteine für Dr. Richard Benjamin und Charlotte Benjamin wurden am 7. April 2016 verlegt und von der Enkeltochter Ursel Hein, Kiel, gespendet.

Die Stolpersteine für Dr. Max Oppenheim und Helene Oppenheim wurden am 15. Juni 2022 verlegt.

Stolperstein Charlotte Benjamin

HIER WOHNTE
CHARLOTTE
BENJAMIN
GEB. WEINBERG
JG. 1884
DEPORTIERT 28.10.1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Stolperstein Richard Benjamin

HIER WOHNTE
RICHARD
BENJAMIN
JG. 1871
DEPORTIERT 28.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 25.2.1943

Richard Benjamin wurde am 15. Februar 1870 in Dresden geboren.
Verheiratet war er mit Charlotte Benjamin geb. Weinberg, geboren am 3. Oktober 1884 in Berlin.

Er war Arzt und nahm als solcher am Ersten Weltkrieg teil. Dr. med. Richard Benjamin muss eine respektable Persönlichkeit gewesen sein, Die Mutter von Ursel Hein, Sophie Wagner, geboren am 30. September 1904 in Berlin, gestorben 1987, sprach von ihm als „Herr Sanitätsrat“. Die Enkelin Ursel Hein weiß über ihren Großvater, dass er in der Zeit der Judenverfolgung als „Krankenbehandler“ tätig war, der nur jüdische Patienten verarzten durfte: „Er soll Deutschland nicht verlassen haben, weil er sich seinen jüdischen Patienten verpflichtet fühlte, sie konnten zu keinem ’arischen’ Arzt gehen, außerdem waren sie zum Teil verarmt, da sie aus ihren Berufen gedrängt worden waren.“

Richard und Charlotte Benjamin wohnten in der Schlüterstraße 16, kurz vor ihrer Deportation wurden sie in die Kantstraße 130 zwangsweise umquartiert. Sie sind zunächst ins Sammellager Große Hamburger Straße 26 gebracht um am 28. Oktober 1942 vom Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt deportiert worden. Auf der Deportationsliste stand er als „Behandler“, bei ihr war der Vermerk „Pflegerin“ abgebracht.

Richard Benjamin ist am 25. Februar 1943 umgebracht worden, die Ghetto-Ärzte schrieben in den Todesfallanzeige „Herzmuskelentartung“. Charlotte Benjamin, die 60 Jahre alt war, musste noch länger als ein Jahr die unmenschlichen Zustände in Theresienstadt ertragen. In einem der Todeszüge Theresienstadt-Auschwitz am 16. Mai 1944 wurde sie mit 2493 Menschen nach Auschwitz gefahren, wo sie ermordet worden ist. Nur 34 aus diesem Riesen-Transport überlebten.

Ihr Sohn war Gerhard Benjamin, geboren am 8. Juli 1912 in Berlin. Wegen der Rassengesetze von 1935 war eine Heirat mit seiner Verlobten, der Mutter von Ursel Hein, nicht möglich. Gerhard Benjamin soll mit seiner Schwester nach Frankreich gegangen sein, dort verliert sich jede Spur. Gertrud Benjamin, verheiratete Feinstadt, hat überlebt und in Yad Vashem Gedenkblätter für ihre Eltern hinterlegt. Die Tochter Ursel Hein, Enkelin von Richard und Charlotte Benjamin, war am 23. März 1935 in Berlin geboren. Deren Mutter, Sophie Wagner, ist 1987 gestorben.

Text: Helmut Lölhöffel mit Informationen der Enkelin Ursel Hein.
Quellen: Bundesarchiv; Deportationsliste; Opferdatei Theresienstadt.

Im Mai 2024 teilte Peter Benjamin, USA, Enkel von Charlotte und Dr. Richard Benjamin, der Stolperstein-Initiative Charlottenburg Wilmersdorf mit, dass er im August 2023 die Stolpersteine für seine Großeltern vor dem Haus Schlüterstraße 16 besucht habe. Er bat, den Kontakt zu Ursel Hein, Kiel, herzustellen, die ebenfalls Enkelin des Ehepaares Benjamin ist und die Stolpersteine für ihre Großeltern initiiert und gespendet hat. Der Kontakt zwischen dem 73-jährigen Herrn und der 89-jährigen Dame konnte hergestellt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt wussten beide nichts von der Existenz einer Halbschwester bzw. eines Halbbruders. Nun kommunizieren sie miteinander und werden sich hoffentlich auch persönlich kennenlernen.

Peter Benjamin ergänzte die Informationen über den gemeinsamen Vater Gerhard Benjamin, von dessen Verbleib nach seiner Flucht Ursel Hein nichts wusste, wie folgt:

Gerhard Benjamin, der die nicht-jüdische Mutter der 1935 geborenen Ursel Hein – Sophie Wagner (1904-1987) – wegen der nationalsozialistischen Rassegesetze nicht hatte heiraten dürfen, vermählte sich am 28. Februar 1937 in Berlin mit Gerda Hirschowitz, deren Familie ein Möbelhaus in der Brunnenstraße besaß. Zum Zeitpunkt des Novemberpogroms 1938 arbeitete er dort.

Leopold Hirschowitz
Leopold Hirschowitz (01.01.1937)
Leopold Hirschowitz (06.05.1914)
Möbel (Handel)
Eingetragen im Handelsregister/ Gründung 1913
Liquidation ab 1938-12-31 00:00:00
Erloschen 1940
Brunnenstr. 30, Berlin

Mit der Liquidierung des Möbelhauses aufgrund der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben” vom 12. November 1938 war der Familie die Lebensgrundlage entzogen.

Gerhard Benjamin floh am 30. März 1939 mit seiner Frau Gerda, deren Mutter Nathalie und ihrer Schwester Ursula nach Paris.

Mit Beginn des Krieges flohen sie weiter in den Süden Frankreichs und wurden dort einige Monate lang in einem Lager interniert. Nach ihrer Entlassung führte die Flucht weiter über Spanien nach Portugal. Aus Lissabon gelangte Gerhard Benjamin per Schiff im September 1940 nach New York. Die drei Frauen folgten ihm im Januar 1941.

Gerhard (in den USA Gerard) und Gerda Benjamin, deren Sohn Peter 1951 geboren wurde, lebten bis zu ihrem Tod 1994 in New York.

Text: Gisela Morel-Tiemann nach Angaben des Enkels Peter Benjamin
Zusätzliche Quelle:
Datenbank: Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945 (hu-berlin.de)

  • Kennkarte Gerhard Benjamin vom 16.2.1939

    Kennkarte Gerhard Benjamin vom 16.2.1939

Dr.-Max-Oppenheim

Stolperstein Dr. Max Oppenheim

HIER WOHNTE
DR. MAX OPPENHEIM
JG. 1883
FLUCHT 1938 FRANKREICH
INTERNIERT DRANCY
DEPORTIERT 24.8.1942
AUSCHWITZ
ERMORDET 29.8.1942

Die Stolpersteine für Dr. Max Leopold und Helene Oppenheim wurden am 15. Juni 2022 verlegt und von deren Enkel Paul Oppenheim gespendet.

Max Leopold Oppenheim wurde am 12. Februar 1883 als Sohn von Theodor Oppenheim und seiner Frau Hulda geb. Mosse in Berlin geboren.

Er studierte Jura und wurde an der Universität Heidelberg im Jahr 1906 zum Doktor jur. promoviert. Er leistete danach ein Jahr lang seinen Militärdienst in Bayern ab und wurde anschließend als Rechtsanwalt und später auch als Notar in Berlin tätig. Auch nach seiner Studienzeit blieb er aktives Mitglied der antisemitischen Studentenverbindung „Freie Wissenschaftliche Vereinigung“ (FWV).

Am 14. April 1908 heiratete er Helene geb. Liepmann. Sie hatten zwei Söhne, Walter Wilhelm Theodor, der am 24. Februar 1909 zur Welt kam, und Johannes Franziskus, der am 2. Juni 1913 geboren wurde. Familie Oppenheim lebte bis September 1932 in der Schlüterstraße 16, von wo sie in die Dahlmann Straße 29 umzog. Zuletzt wohnte das Ehepaar Max und Helene Oppenheim von April 1938 bis zur Emigration im Dezember 1938 in der Pariser Str. 23.

Helene, Johannes, Walter und Dr. Max Oppenheim 1914

Helene, Johannes, Walter und Dr. Max Oppenheim 1914

Als Jude durfte Dr. Max Oppenheim nicht mehr als Rechtsanwalt und Notar arbeiten. Die Söhne waren schon früher nach Frankreich emigriert, so dass sich das Ehepaar ebenfalls zur Ausreise nach Frankreich entschloss, wo es mit den beiden Söhnen in einem Vorort von Paris zusammenziehen konnte.

Kurz nach Ausbruch des Krieges wurde Max Oppenheim als ausländischer Flüchtling interniert und später freigelassen. Mit der Besetzung Frankreichs durch die deutschen Truppen wuchs für jüdische Ausländer die Gefahr, an die Deutschen ausgeliefert zu werden. Das Ehepaar suchte Schutz bei Nachbarn, aber im Sommer 1942 wurde Dr. Max Oppenheim auf der Straße in Courbevoie von der Polizei festgenommen und in das „Sammellager“ Drancy verschleppt. Von dort aus wurde er am 24. August 1942 nach Auschwitz deportiert.

 Dr. Max Leopold Oppenheim

Dr. Max Leopold Oppenheim

Einen Tag vor dem Abtransport aus Drancy schrieb er seiner Frau Helene eine Abschiedspostkarte in französischer Sprache, in der es heißt: „Wenn Du diese Karte erhalten wirst, werde ich das schöne Frankreich (la belle France) verlassen haben. Mein Schicksal schreitet voran! Es werden wahrscheinlich meine letzten Zeilen sein.“ Er war sich bewusst, welch grausames Schicksal ihn ereilen würde.

Brief Max Oppenheim

Brief Max Oppenheim

Dr. Max Oppenheim wurde am 29. August 1942 – vermutlich also unmittelbar nach Ankunft – im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.
Helene tauchte nach der Verhaftung ihres Mannes unter und überlebte.

Der Sohn Walter konnte die Verfolgung in verschiedenen Lagern in Frankreich und zuletzt als Flüchtling in der Schweiz überleben. Er kehrte Anfang 1954 mit seiner Ehefrau und zwei Kindern nach Deutschland zurück und trat in den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland ein. Er verstarb im Jahr 2008 in Nizza.

Der Sohn Johannes Franziskus (genannt Jean-François) wurde für die französische Fremdenlegion rekrutiert und verbrachte die Kriegsjahre in Algerien, wo er eine Familie gründete. In den späten 1950er Jahren siedelte die Familie nach Frankreich um, wo er zuletzt für die französische Milchwirtschaft tätig wurde. Er verstarb im Jahre 2005 in Aix-en-Provence und hinterließ zwei Söhne.

Recherche und Text: Paul Oppenheim – Berliner Adressbücher – Mémorial de la Shoah: – Mémorial de la Shoah (memorialdelashoah.org)

Stolperstein Helene Oppenheim

Stolperstein Helene Oppenheim

HIER WOHNTE
HELENE OPPENHEIM
GEB. LIEPMANN
JG. 1883
FLUCHT 1938
FRANKREICH
VERSTECKT ÜBERLEBT

Helene Oppenheim geb. Liepmann (genannt Leni) wurde am 27. September 1883 in Oschersleben als Tochter des Kaufmanns William Liepmann und seiner Ehefrau Paula geb. Rinkel geboren.
Am 14. April 1908 heiratete sie den Juristen Dr. Max Leopold Oppenheim und hatte mit ihm zwei Söhne, Walter Wilhelm Theodor, der am 24. Februar 1909 zur Welt kam, und Johannes Franziskus, der am 2. Juni 1913 geboren wurde.
Das Ehepaar Oppenheim lebte mit den Söhnen bis September 1932 in der Schlüterstr.16, zog dann in die Dahlmannstr. 29 um und wohnte von April 1938 bis zu seiner Emigration in der Pariser Str. 23. Am 15. Dezember 1938 konnten Helene und Max Oppenheim nach Paris ausreisen, wohin die Söhne schon Jahre früher emigriert waren.

Nachdem ihr Ehemann von der französischen Polizei aufgegriffen und im Sommer 1942 im „Sammellager“ von Drancy (20 km von Paris) interniert und von dort in das Vernichtungslager Auschwitz abtransportiert wurde, konnte Helene Oppenheim mithilfe von Bekannten untertauchen und die Zeit der deutschen Besatzung in Paris überleben. Sie blieb über zwei Jahre als „Illegale” bei Bekannten versteckt.

Helene Oppenheim

Helene Oppenheim

Nach dem Krieg erhielt Helene Oppenheim als „Kriegswitwe“ die französische Staatsangehörigkeit und zog nach Nizza, wo sie bis kurz vor ihrem Tod im Jahr 1968 lebte. Sie starb am 30. April 1968 in Bonn-Bad Godesberg, wo ihr Sohn Walter damals mit seiner Familie lebte. Sie wurde dort auf dem Zentralfriedhof beerdigt.

Der jüngere Sohn Johannes Franziskus (genannt Jean-François), der schon vor der Nazizeit zur Ausbildung nach Paris gezogen war, wurde bei Kriegsausbruch für die französische Fremdenlegion rekrutiert, gründete später eine Familie in Algerien und zog in den 1950er Jahren nach Frankreich, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 2005 blieb. Er hinterließ zwei Söhne, die beide in Frankreich leben.

Der Sohn Walter floh nach Abschluss seines Jurastudiums schon 1933 über die Niederlande nach Frankreich. Nach Kriegsausbruch wurde er als Ausländer interniert und in verschiedenen Lagern in der sogenannten „freien Zone“ Frankreichs festgehalten. Um der Auslieferung an die Deutschen zu entkommen, floh er mithilfe kirchlicher Fluchthelfer in die Schweiz, wo er 1947 die ungarische Auschwitz-Überlebende Anikó geborene Mansfeld heiratete. Er kam 1954 nach Deutschland zurück, wo er dem Auswärtigen Amt beitrat. Als deutscher Diplomat vertrat er die Bundesrepublik Deutschland in Lyon, New York und Marseille. Nach seiner Pensionierung war er noch bis 1974 als deutscher Honorarkonsul in Nizza tätig, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 2008 lebte. Er hinterließ eine Tochter und einen Sohn, die in Deutschland leben.

Recherche und Text: Paul Oppenheim
- Berliner Adressbücher