HIER WOHNTE
NATHAN
OBERZIMMER
JG. 1884
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET
Nathan Oberzimmer wurde am 15. Februar 1884 in Bad Kissingen geboren. Seine Eltern waren Mayer (?) Oberzimmer und Fanny Oberzimmer, geborene Berliner. Beide stammten aus Bad Kissingen und betrieben vermutlich einen Viehhandel. Nathan hatte eine Schwester, Laura, die in den späten 30er Jahren nach Amerika (New York) auswanderte und dort 1943 starb. Außerdem gab es einen sechs Jahre jüngeren Bruder Theobald. Der starb 50jährig am 11. Mai 1940 an einem Gehirntumor in einem Berliner Krankenhaus.
Nathan Oberzimmer war unverheiratet und kinderlos. Zusammen mit seinem Bruder Theobald, der ebenso wie er selbst Kaufmann und Viehzüchter gelernt hatte, baute er in Stolp in Pommern eine Viehzucht und einen Viehhandel auf. Für das Geschäft standen ausgedehnte Weidegebiete und Stallungen zur Verfügung. Die Brüder waren teils zu Pferde, teils mit dem Auto zur Inspektion der Weidegelände unterwegs, schrieb später Martin Walter, ein Neffe von Nathan, in seinem Entschädigungsantrag an das Entschädigungsamt in Berlin.
Im August 1935 traf die Brüder ein schwerer Schlag: Nach einem schweren Autounfall wurde Nathan zum Invaliden. Zwei Jahre lag er in einem Krankenhaus in Deutsch-Krone, auch Theobald erlitt erhebliche Verletzungen. Parallel nahmen die antijüdischen Anfeindungen und Boykott-Maßnahmen aus der Verwaltung und Bevölkerung zu. Daraufhin beschlossen die Brüder 1938 den Betrieb in Stolp aufzugeben und nach Berlin umzusiedeln.
Nathan Oberzimmer wohnte zunächst zur Untermiete bei der Familie Sternfeld in der Traunsteiner Straße 10 in Berlin-Schöneberg. Auf Betreiben der Hausbesitzerin, der Victoria Versicherungsgesellschaft, musste er zum 31. Dezember 1938 das Haus wieder verlassen. Bis zu seiner Deportation im Juli 1942 zog er noch zwei Mal um: Erst in die Wielandstraße 17 in Charlottenburg, wo er im Gartenhaus Parterre von Erna Selig ein 18 Quadratmeter großes Zimmer mietete, später folgte er Erna Selig in die Hektorstraße 15 in Berlin-Halensee. Dort bezog er ein kleines Untermiet-Zimmer.
Am 1. Oktober 1942 kam die Gestapo in die Hektorstraße. Wie alle deportierten Juden wurde Nathan Oberzimmer zu einer „Vermögenserklärung“ gezwungen. Viel schrieb er nicht auf den amtlichen Vordruck: „1 Kleiderschrank, 1 Schreibtisch, 1 Ledersessel, 1 Nachttisch, 1 Bettstelle“. Der amtliche Gerichtsvollzieher schätzte das Inventar später auf 599,75 Reichsmark.
Zwei Tage später wurde Nathan Oberzimmer mit dem sogenannten „dritten großen Alterstransport“ (Zugnummer „Da 523“) nach Theresienstadt deportiert. Hier, im „Vorhof zur Hölle“ (Carlo Ross), den die Nazis als Vorzeige-Altersghetto hinzustellen suchten, verblieb er knappe zwei Jahre. Krank und geschwächt musste er im Oktober 1944 erneut einen Zug besteigen. Dessen Ziel war Ausschwitz. Dort wurde Nathan Oberzimmer am 19. 10. 1944 ermordet.
Für die Nazis war die Akte Nathan Oberzimmer damit noch nicht geschlossen. In der Vermögenserklärung hatten sie einen für sie interessanten Besitz-Vermerk entdeckt: „Ein Acker am unteren Sinnberg in Bad Kissingen“. Diverse Behörden wurden alarmiert. Dann war das Ziel erreicht: „Das Grundstück wird eingezogen und dem Staat übertragen“.
Text und Recherche: Sönke Petersen
Quellen: Brandenburger Landeshauptarchiv; Entschädigungsamt im LAB; Gottwaldt/Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005; Carlo Ross: „Im Vorhof zur Hölle“, dtv