Dieser von Florence Moehl (Berlin) gespendete Stolperstein wurde am 21.4.2016 verlegt.
Stolpersteine Sybelstraße 36
Bild: Gattel-Stiftung
Gertrud Nanny heiratete 1900 den Bankbeamten und späteren Geschäftsführer Eugen Ropaschinski. Das Ehepaar hatte zwei Kinder, Johanna, geboren 1900, Kontoristin, und Erich Bruno, geboren 1901, kaufmännischer Angestellter.
Nach 1933 wurde die Familie Gattel durch den nationalsozialistischen Rassenwahn schwer getroffen: Enteignung – Entrechtung – Isolierung – Verfolgung – Deportation – Vernichtung. Nur wenige überlebten:
Gertrud Nannys Schwester Hedwig Ohrenstein, geb. Gattel konnte mit einem Sohn nach England fliehen, Hedwig Ohrensteins zweiter Sohn Fritz wurde mit seiner Frau Gertrud, geb. Lesser 1942 in Auschwitz ermordet. Für sie liegen an der Nachodstraße 22/23 in Schöneberg Stolpersteine. Ihre Neffen Hellmuth Pollaczek, Herbert Pollaczek und dessen Frau Bianka wurden 1942 und 1943 in Litzmannstadt und Auschwitz ermordet. Für sie werden später Stolpersteine verlegt.
Ihre Cousins Max und Richard Gattel führten die Hutfabrik bis zur Enteignung weiter. Max wurde mit seiner Frau Anneliese 1942 nach Riga deportiert und dort bei der Ankunft ermordet, Richard und seine Frau Ella, geb. Pinthus wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie 1943 bzw. 1944 ums Leben kamen. Ihre Cousinen Ella Gattel, Chemielaborantin, und Lucie Blumberg, geb. Gattel, und deren Ehemann Erich nahmen sich 1942 angesichts der drohenden Deportation mit Schlafmittel das Leben. Für Richard und Ella Gattel, geb. Pinthus liegen Stolpersteine an der Prinzenallee 58 vor der ehemaligen Hutfabrik, für Ella Gattel an der Nazarethkirchstr. 49 in Wedding. Für Max und Annelise Gattel, Lucie und Erich Blumberg werden demnächst Stolpersteine verlegt.
Es ist kaum vorstellbar, wie die betagte Gertrud Nanny Ropaschinski, die in der Sybelstraße 36 wohnte, die Schrecken ertragen konnte, als um sie herum ihre Angehörigen einer nach dem anderen verschwanden. Ihr Mann starb 1942 an einer Leuchtgasvergiftung – der Tod wurde von der Polizei als Unfall deklariert. Kurz nach dem Ehemann starb auch noch ihre Tochter Johanna an „Sepsis“. Ihr letzter verbliebener Verwandter, ihr einziger Sohn Erich, wurde 1944 als „Mischling 1. Grades“ zur Zwangsarbeit in den Untertagebau nach Jena verschleppt, wo er glücklicherweise überlebte. Mit dem Tod ihres nichtjüdischen Ehemanns war Gertrud Nanny völlig schutzlos. Am 10. Januar 1944 wurde sie 73jährig in einem Güterzug mit 372 Menschen nach Theresienstadt deportiert. Dort kam sie am 27. Februar 1944 ums Leben.
In der Nacht vor der Deportation schrieb sie eine Postkarte an ihren Sohn Erich und dessen Frau:
bq. Meine geliebten Kinder, ein Abschiedsgruß aus Berlin. Es ist sicher das letzte, was ich schreibe. Ich bin nicht mehr fähig, diese schweren Schicksalsschläge durchzuleben. Morgen Montag fahren wir. Bleibt mir alle tapfer: 1000 Grüße und Küsse Euch und allen Lieben Eure stets in Gedanken bei euch Eure Mutter
Text: Florence Moehl
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