HIER WOHNTE
GERTRUD DANIEL
GEB. RAPPAPORT
JG. 1872
DEPORTIERT 14.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 21.2.1944
Gertrud Daniel wurde als Gertrud Rappaport am 2. Januar 1872 in Mislowitz (heute polnisch Myslowice) geboren, einem Dorf in der Nähe von Kattowitz (heute Katovice). Ihr Vater Eduard Rappaport besaß dort eine Mühle und eine Brennerei. Er und seine Frau Charlotte hatten zehn Kinder, acht Mädchen und zwei Jungen. Beide Brüder Gertruds waren im Ersten Weltkrieg Sanitätsoffiziere und erhielten Auszeichnungen für ihre Verdienste.
Während einer jüdischen Migration Ende des 19. Jahrhunderts zog die Familie Rappaport nach Berlin. Eduard Rappaport war ab 1890 im Berliner Adressbuch als „Rentier“ verzeichnet, die Familie lebte zunächst in Schöneberg, dann in der Wallner-Theater-Straße in Mitte. Eduard und Charlotte sind beide in Weißensee begraben.
Gertrud träumte ihr Leben lang davon, Ärztin zu werden, aber das was in jener Zeit für eine Frau nicht möglich. Im Alter von 23 Jahren, 1895, heiratete sie den Kaufmann Leo Daniel und hatte mit ihm zwei Töchter: Lotte, nach Gertruds Mutter benannt, und Edith, was auf Hebräisch „Juwel“ bedeutet.
1915 erlitt Leo, nach langer Krankheit, einen Schlaganfall und starb. Gertrud hatte nun ihre Töchter allein aufzuziehen mit Unterstützung ihrer Geschwister. Die Familie hatte in der Raupachstraße 11 in Mitte gewohnt (zwischen Holzmarkt- und Wallner-Theater-Straße). Bis 1931 war sie im Adressbuch als „Kaufmannswitwe“ mit dieser Adresse angezeigt, danach zog sie in die Frankfurter Allee 93. Aber 1934 verlor sich ihre Spur bis 1939.
In diesem Jahr wurde sie in der sogenannten Ergänzungskartei bei der Volkszählung am 17. Mai erfasst. In diesen Ergänzungskarten wurde registriert, wer wie viele jüdische Großeltern hatte. Obwohl das Statistikgeheimnis zugesichert wurde, kann man wohl nicht ausschließen, dass diese Kartei für die Judenverfolgung missbraucht wurde. Gertrud Daniel wohnte 1939 bereits in der Meinekestraße 4, zur Untermiete bei Jenny Katz.
Wahrscheinlich hatte Gertrud unter den zunehmenden diskriminierenden Maßnahmen des Regimes sich immer mehr einschränken müssen und konnte ihre Wohnung nicht mehr halten. Ihre Tochter Lotte floh 1935 aus Deutschland und ließ sich mit ihrem Mann Simon in Israel nieder, wo sie ihren Sohn Maxi aufzog. Edith blieb in Deutschland und heiratete den Arzt Dr. Kronisch. 1937 bekamen sie eine Tochter, die sie Monika nannten. Edith wollte mit dem kleinen Kind nicht aus Deutschland auswandern und 1938 verließ Dr. Kronisch seine Famile und flüchtete allein. Edith war gelernte orthopädische Krankenschwester und arbeitete nun im jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße. Wegen der starken Arbeitsbelastung wuchs ihre Tochter Monika bei der Großmutter in der Meinekestraße auf. Noch heute hat Monika, die später Zahnärztin wurde und heute in Israel lebt, Erinnerungen an die Meinekestraße und warme Worte für ihre liebevolle Großmutter – „ihre beste Freundin“.
Monika blieb auch bei ihrer Großmutter, als Jenny Katz sich durch die Umstände der Verfolgung gezwungen sah, die Wohnung aufzugeben und auch die Untermieter ausziehen mussten. Gertrud wurde in Moabit eingewiesen, Alt-Moabit 85. Juden waren inzwischen durch eine Vielfalt weitere antisemitischer Verordnungen weitgehend aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen worden, sie durften nicht Theater, Kinos usw. besuchen, konnten nur eine Stunde am Tag einkaufen gehen, mussten Radioapparate und Wertgegenstände abgeben, Sonderabgaben zahlen und einiges mehr. Im September 1942 dann wurde Gertrud Daniel von der Gestapo abgeholt, in das zum Sammellager umfunktionierte ehemalige jüdische Altersheim in der Großen Hamburger Straße 26 gebracht und am 14. September nach Theresienstadt deportiert.
In Theresienstadt war Gertrud menschunwürdigen Bedingungen ausgesetzt: Hunger, Kälte, Raumnot, katastrophale hygienische Verhältnisse und daraus folgende Krankheiten. Fast anderthalb Jahre ertrug sie diese lebensbedrohenden Umstände, am 21. Februar 1944 erlag ihnen auch Gertrud Daniel.
Edith nahm Monika nach Gertruds Deportation zu sich und arbeitete weiter im Jüdischen Krankenhaus. Dieses war die einzige jüdische Einrichtung in Deutschland, die die Nationalsozialisten nicht völlig auflösten. Allerdings wurde der Betrieb mehr und mehr eingeschränkt: es durften dort nur Juden behandelt werden, Plünderungen fanden statt, die Versorgung wurde immer schlechter. Die Gestapo richtete eine Dienststelle und ein Gefängnis dort ein und missbrauchte Teile des Krankenhauses als Sammelstelle für Deportationen. Das Krankenhaus wurde aber auch zum Zufluchtsort für Untergetauchte, die so überleben konnten. Auch Edith und Monika überlebten im Jüdischen Krankenhaus. Als es 1945 von der Roten Armee besetzt wurde, waren dort noch etwa 370 Patienten, knapp 1000 Internierte, 93 Kinder und 76 Gefangene der Polizeistation. Gertrud Daniels Tochter und Enkelin kamen zunächst in ein Lager für Überlebende und konnten dann nach Schweden und später nach England reisen.
Gertrud Daniels Vermieterin Jenny Katz geb. Goldschmidt, geboren am 20. Januar 1877 in Gostin (Oberschlesien), ist am 13. Juni 1942 deportiert und in Sobibor ermordet woren.
Zusammenstellung: Micaela Haas.
Quellen: Angaben von Gertrud Daniels Enkelin und Urenkelin Miriam Rotman (Großbritannien); Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Das Jüdische Krankenhaus Berlin