Stolpersteine Holsteinische Straße 57

Hausansicht Holsteinische Str. 57

Diese Stolpersteine wurden auf Wunsch und mit Spenden von Heidemarie Sow (Berlin) am 19.5.2015 verlegt.

Stolperstein Arthur Teppich

HIER WOHNTE
ARTHUR TEPPICH
JG. 1868
DEPORTIERT 13.1.1942
RIGA
ERMORDET

Arthur Teppich wurde am 6. Oktober 1868 in Schlodien geboren. Schlodien war ein kleiner Ort in Ostpreußen, der eigentlich aus drei Gutshöfen bestand. Das Schloss gehörte der Adelsfamilie Dohna. Aus Hinweisen zur Bevölkerung geht hervor, dass in Preußisch-Holland 278 und in Schlodien vor einhundert Jahren acht jüdische Bürger lebten. Genaueres über sie ist nicht bekannt. Durch die Suche nach der Häufigkeit von Familiennamen haben wir den Hinweis auf Adolf Teppich in Mohrungen erhalten. Mohrungen lag ca. 20 Kilometer von Schlodien und 50 Kilometer von Königsberg entfernt.

Adolf Teppich wurde vier Jahre vor Arthur Teppich in Mohrungen als neuntes Kind von Benno Teppich und Friederike Fürst geboren. Mehrere der Geschwister starben an Cholera und Hirnhautentzündung. Bei der Suche nach Informationen zur Familie kam heraus, dass 1818 in Mohrungen der erste jüdische Friedhof angelegt wurde. Im Jahr 1850 hat der Kaufmann Teppich eine Annonce aufgegeben: „Am 6.1.1850 hat ein bösartiger Mensch die vor der Wohnung stehende Linde abgesägt.“ Teppich setzte 2 Taler Belohnung aus. Kurze Zeit später verlegte er sein Geschäft an den Markt in die Wasserstraße.

Dies sind die einzigen Hinweise auf die Familie in Mohrungen. Aber es existiert ein Verweis auf die Eltern von Benno Teppich. Benno Teppich kam ursprünglich aus Königsberg und war der Sohn des Tischlers Moses Teppich und von Johanna Hendel, geb. Danziger. Beide hatten zwei Söhne, Benno und Fabian. Fabian Teppich und ein Emil Teppich sind als Kaufleute für Holz, Brennholz, Kohle, Getreide und Schneidereibedarf im Adressbuch von Königsberg zu finden.
Aber woher stammt nun Arthur Teppich? War er das zehnte Kind von Benno und Friederike Teppich und damit ihr jüngster Sohn? Oder war er der Sohn von Fabian Teppich?

Im nahe gelegenen Mohrungen bewohnte die Adelsfamilie Dohna ein sogenanntes Schlösschen und hatte das Gut in Schlodien. Vielleicht hat Benno Teppich für den Grafen gearbeitet und lebte auch in Schlodien.

Von der Enkelin Arthur Teppichs wissen wir, dass der Großvater mit Pferden gearbeitet haben soll. Auf dem Gut in Schlodien gab es eine Reitpferdezucht. Die Herkunft von Arthur blieb vorerst im Unklaren. Die weitere Suche im Internet führte dann in eine andere Richtung. Wer auch immer auf diese seltsame Idee kam – eine Person hat alle Kurgäste aus dem Jahr 1865 aus deutschen Kurstädten ins Internet eingegeben. Auf der Kurliste aus Bad Kissingen wird ein Herrmann Teppich, ein Kaufmann aus Schlodien (Preußen), aufgeführt. Dieser könnte vom Alter her auch der Vater von Arthur Teppich gewesen sein. In der Familiendatenbank aus Preußen wird ein Hermann Teppich, auch Kaufmann, benannt. Er war mit Rosalie Cohn verheiratet. Ein Sohn der beiden, Ernst Teppich, wurde 1883 in Braunsberg, 14 Kilometer vom Gut Schlodien entfernt, geboren.
Es ist davon auszugehen, dass all diese Menschen mit dem Namen Teppich in einem Radius von 50 Kilometern miteinander verwandt waren.

Auffällig ist, dass viele von ihnen nach 1899 in Berlin lebten und gemeldet waren. Die Berliner Adressbücher geben einige Informationen preis. So führten Bernhard, Carl und Ernst Teppich eine Baumwollwirkfabrik. Arthur Teppich hatte ab 1899 ein Atelier für elegante Blusen in der Königstrasse 33 und schon ein Jahr später bot er Blusen engros und für den Export in der Jerusalemer Straße 17 an. Er wohnte ab 1911 in der Potsdamer Straße. 1916 war sein Geschäft in der Jerusalemer Straße 30 gemeldet und er wohnte in der Eisenacher Straße 58. Ab 1920 wurde er im Berliner Adressbuch als Blusenfabrikant in der Leipziger Straße 38 geführt, die Wohnanschrift lautete Kurfürstenstraße 148. Dort waren er und auch sein Sohn Hans gemeldet, 1924 bis 1927 mit dem Hinweis Modellkleider. Arthur Teppich schneiderte individuelle Kleider für wohlhabende Frauen. Von 1928 bis 1930 fehlen die Einträge im Adressbuch. Im Jüdischen Adressbuch von 1931 war nur der Sohn Hans in der Kurfürstenstraße 148 aufgeführt. Von 1931 bis 1933 tauchte das Geschäft dann wieder in der Jerusalemer Straße 14 auf, die Eheleute wohnten erneut in Schöneberg in der Berchtesgadener Straße 39.

1934 war Arthur Teppich mit dem Hinweis Modellkleider in der Leipziger Straße 94 eingetragen, wo er bis 1938 arbeitete. Als Wohnanschrift gab es 1936 die Holsteinische Straße 2 und ab 1938 als letzte Adresse in der selben Straße die Hausnummer 57.

Zwischen 1899 und 1941 wechselte die Familie also sechsmal ihre Wohnung und eben so oft den Arbeitsplatz, ein unruhiges Leben, wobei es keinen Hinweis gibt, wo die Eheleute 1928 bis 1930 lebten.

Stolperstein Valerie Teppich

HIER WOHNTE
VALERIE TEPPICH
GEB. HIRSCH
JG. 1881
DEPORTIERT 13.1.1942
RIGA
ERMORDET

Die Recherche für Arthur Teppichs Ehefrau Valerie hat zu folgendem Ergebnis geführt: Valerie Hirsch wurde auch Wally genannt. Sie wurde am 3. September 1881 in Wien geboren. Ihre Schwester hieß Olga und ihr Bruder Erwin. Die Eltern von Wally waren Adolf Hirsch und Frieda Weissmandl. Sie hatte elf Onkel und Tanten. Ihre Großeltern hießen Karl Hirsch und Amalie Horowitz sowie Karl Weissmandel und Betty Löwy. Ihre Mutter Frieda wurde im Januar 1943 im hohen Alter von 84 Jahren von Wien nach Theresienstadt deportiert, wo sie bald starb. Ihr Onkel Bertold Hirsch wurde in Dachau interniert und ab München nach Kowno deportiert, wo er im November 1941 vier Tage nach der Ankunft ermordet wurde.

Valerie und Arthur Teppich hatten zwei Kinder: Hans und Else. Valerie und Arthur Teppich wurden von Berlin am 13. Januar 1942 nach Riga in Lettland deportiert.

Recherchen, Zusammenstellung und Text: Heidemarie Sow.
Quellen: Bundesarchiv, andere Archive, Adressbücher