HIER WOHNTE
LUDWIG LICHTWITZ
JG. 1903
IM WIDERSTAND
VERHAFTET SEPT. 1943
GESTAPO-GEFÄNGNIS
GROSSE HAMBURGER STR.
17.11.1943 AUSBRUCH
VERSTECKT GELEBT
BEFREIT / ÜBERLEBT
Ludwig Lichtwitz war der zweite der drei Söhne des Ehepaares Margarete und Ernst Lichtwitz. Er wurde am 11. Juli 1903 in Berlin geboren. Wie sein Vater wurde er Buchdrucker und übte seinen Beruf auch nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ aus. Er wohnte mit seiner Familie in der Kantstraße 30/Schlüterstraße 63.
Die Buchdruckerei „Max Lichtwitz“- gegründet von seinem Großvater Max -, in der Ludwig seit seinem 20. Lebensjahr gearbeitet hatte, wurde 1938 „arisiert“. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Betrieb das „Jüdische Familienblatt“ und die „Jüdische Rundschau“ gedruckt.
Ludwig Lichtwitz war seit dem 3. Oktober 1931 mit der nicht – jüdischen Wally Link verheiratet. Sie war am 11. Juni 1904 in Berlin geboren worden. Das kinderlose Ehepaar wohnte bis 1937 in der Innsbrucker Straße 2, ab 1938 in der Schlüterstraße 63. Durch die Ehe mit Wally mag Ludwig in der ersten Zeit des Nationalsozialismus vor Repressalien geschützt gewesen sein, nach den Novemberpogromen 1938 verschärfte sich die Situation für alle Juden dramatisch und Ludwig beschloss 1942 unterzutauchen, er wurde ein U-Boot, wie die versteckt lebenden Juden genannt wurden.
Ein Vertrauter Ludwig Lichtwitz’, Cioma Schönhaus, hatte in einem von Ludwig Lichtwitz angemieteten Laden in Berlin Moabit eine Werkstatt errichtet, in der gefälschte Papiere für untergetauchte Juden und Widerständler hergestellt wurden. Zu der Gruppe gehörte ebenfalls der im Untergrund tätige Elektriker Werner Scharff.
Cioma Schönhaus war ein meisterlicher Fälscher. Er bekam die Aufträge über Franz Kaufmann, der zusammen mit seiner Angestellten Helene Jacobs zu dem Kreis evangelischer Christen der Bekenntnisgemeinde Berlin – Dahlem gehörte.
Mit der Umarbeitung dutzender Ausweise konnte er andere Juden und Widerständler vor der Verfolgung retten. Als die Gefahr entdeckt zu werden immer größer wurde, versteckte Helene Jacobs die Männer in ihrer Wilmersdorfer Wohnung.
Durch eine Anzeige aus der Bevölkerung wurden Jacobs, Kaufmann und etwa 50 weitere Mitstreiter im Sommer 1943 verhaftet. Ludwig Lichtwitz und Cioma Schönhaus konnten die Wohnung von Helene Jacobs in letzter Minute unentdeckt verlassen. Cioma Schönhaus entkam knapp der Festnahme und floh später mit seinen gefälschten Dokumenten in die Schweiz.
Ludwig Lichtwitz wurde im September verhaftet und landete im Sammellager Große Hamburger Straße im dortigen Gestapo Gefängnis. Dort traf er auf den ebenfalls gefangenen Musiker Konrad Latte.
„In den folgenden Wochen befreundete Konrad sich mit Ludwig Lichtwitz, einem Drucker, der ein paar Tage vor ihm ins Sammellager eingeliefert worden war. Bis zu seiner Verhaftung hatte Lichtwitz, in einer so genannten privilegierten Mischehe mit seiner „arischen” Ehefrau Wally lebend, seine
Druckerkünste Nazi-Gegnern und Verfolgten zur Verfügung gestellt. Gemeinsam mit Lichtwitz plante Konrad die Flucht.
Beide waren für die Arbeit im Kohlen- und Kartoffelkeller eingeteilt, wo sich der Sicherungskasten für die ganze Anlage befand. Am Abend des 27. November 1943 schraubten sie die Hauptsicherung des Gebäudes, die auch den Strom für die Außenscheinwerfer der Anlage regelte, aus der Fassung. Mit einem Schlag wurde es stockdunkel.
Wie sie es berechnet hatten, stürmte das Wachpersonal zuerst zum Vordereingang, um ihn zu sichern. Konrad und Ludwig flüchteten durch den Kellerausgang nach hinten. Zuvor hatten sie den Schlüssel, der im unverschlossenen Zimmer des Wachhabenden hing, an sich gebracht. Eben noch rechtzeitig, bevor die Wachmänner den Hinterausgang erreicht hatten, gelang es ihnen, die Tür von außen zu verriegeln und über die Mauern des jüdischen Friedhofs zu den Hackeschen Höfen zu flüchten. Auf der Straße trennten sie sich.“
Ludwig Lichtwitz lebte bis zum Ende des Krieges weiter im Untergrund. Unter anderem versteckte der später bekannt gewordene Schauspieler Hans Söhnker ihn und Werner Scharff in seinem Wochenendhaus am Wünsdorfer See in der Nähe von Zossen.
Nach Kriegsende zog Ludwig dann wieder zu seiner Frau Wally und war von 1946 bis 1962 im Berliner Telefonbuch unter dem Eintrag: „Lichtwitz Ludwig, Buchdruckerei, Kantstraße 30“ verzeichnet. Das vom Krieg stark zerstörte Haus wurde von ihm wieder aufgebaut.
Er erlag am 7. Januar 1961 einem Herzversagen, seine Frau Wally starb am 19. Juli 1980 in Berlin Wilmersdorf.
Recherche und Texte: Karin Sievert
Quellen:
Angaben von Henry Foner
Dokumentation: „Die Unsichtbaren – Wir wollen leben“ DVD
Berliner Adressbücher
Landeshauptarchiv Potsdam
Entschädigungsamt Berlin
Deportationslisten
Peter Schneider: „KONRAD oder DIE LIEBE ZUR MUSIK“ (2000) http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-17596401.html
Wolfgang Benz: „Überleben im Dritten Reich: Juden im Untergrund und ihre Helfer“ S. 107
Yad Vashem, Datenbank
https://www.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/through-the-lens/postkarten-kindertransporte.asp#gallery
Alle Fotos wurden von Henry Foner zur Verfügung gestellt.