HIER WOHNTE
EIKE GUTMANN
JG. 1941
DEPORTIERT 29.11.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
Eike Gutmann war die Tochter der beiden. Wer in den Transportlisten den Namen „Tana“ liest, weiß, dass es sich nur um ein ein- bis zweijähriges Mädchen handeln kann, denn dieser Name wurde den Juden für Neugeborene von den nationalsozialistischen Behörden zwangsweise verordnet, wie für Erwachsene „Sara“und „Israel“. Das am 6. April 1941 im jüdischen Krankenhaus in Berlin geborene Mädchen wurde von seinen Eltern „Eike“ genannt. Ich fand die Geburtsurkunde meiner Halbschwester 2005 im Standesamt Mitte und auch ihr damaliges Wohnhaus in Schöneberg an der Habsburger Straße 12.
Das Mädchen war meist mit ihrer Mutter im Kinderheim unter anderen Kindern. Schon seit 1940 stand das Heim unter ständiger Kontrolle, mal durch das Jugendamt, mal durch die Geheime Staatspolizei, die Gestapo. Es wurden Razzien durchgeführt, Auflagen erlassen. Zermürbung durch Schikane war Absicht.
Im Oktober 1942 war die systematische Vernichtung aller jüdischen Wohlfahrtseinrichtungen in vollem Gang, Kindergärten, Waisenheime, Krankenhäuser, alle sozialen Einrichtungen werden geschlossen, Kinder, Alte, Kranke und das sie betreuende Personal wurden in großem Umfang in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße geschickt und von dort aus deportiert.
Aus einem Kassiber vom 19.11.1942, den sie hinausschmuggeln konnte und der meinen Vater erreichte, ist zu erfahren, dass Sephie auf einem U-Bahnhof, den sie als Jüdin nicht betreten durfte, verhaftet und direkt ins Sammellager gebracht wurde. Die kleine Eike wurde ihr später gebracht.
In ihrem letzten Kassiber an Eikes Vater beschrieb Josefa Gutmann die grauenvollen Zustände in dem Sammellager, das früher ein jüdisches Altersheim gewesen war: „Es ist irrsinnig und vorläufig sinnverwirrend. Die Kinder (Waisenkinder schon über 100) gehen hier bereits ein … Wir hungern hier bereits und sind ohne Schlaf – auch ohne Traum – was werden wird, mit dem Kind durchzukommen, ist kaum vorstellbar …“
Am 29. November 1942 fuhr der von den NS-Behörden so genannte 23. Osttransport, dessen Transportliste 1001 Namen, davon 230 Kinder (die meisten Waisen) zwischen 6 Wochen und 18 Jahren, umfasste, vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald nach Auschwitz. Dort sind die 24järige Mutter Josefa Gutmann und ihre eineinhalbjährige Tochter Eike Gutmann ermordet worden.
Text: Ruth Nube
Quellen: Amtliches Fernsprechbuch von Berlin, Ausgabe Juli 1940; Geburtsurkunde und Wohnhaus von Eike Gutmann; Karteikarte der Oberfinanzdirektion; Transportliste 23. Osttransport, Nr. 165 und 166; Foto der Ruine des Kinderhorts in der Greifswalder Straße; dem Gedenkbuch Berliner Juden; Der Tagesspiegel, Artikel von Ruth Nube vom 11.10.1994
Literatur: Regina Scheer: Eine Treppe ins Nichts, in: Leben mit der Erinnerung – Jüdische Geschichte in Prenzlauer Berg, Hrsg. Kulturamt Pankow/Museum Prenzlauer Berg, 1997, S.97.