Fritz Wasservogel und seine Zwillingsschwester Toni wurden am 22. Juni 1892 in Berlin-Kreuzberg geboren, ihre Eltern waren Emmy und Emanuel Wasservogel. Da der Vater im Alter von 52 Jahren im Mai 1902 starb, wurden die Zwillinge aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in Waisenhäuser gegeben, wobei aber weiter ein enger Kontakt untereinander und mit der Mutter bestand.
In einem evangelischen Waisenhaus lernte Toni fließend Englisch und Französisch, Kurzschrift, Schreibmaschine und wurde liberal erzogen. Bedingt durch diese gute Ausbildung konnte sie als eine der ersten weiblichen Angestellten bei der Allianz bzw. ihrer Tochtergesellschaft, der Union Hagel, eine Anstellung finden (s. Abb. aus: „Frauen in der Gesellschaft – Frauen in der Allianz“, Internetfassung).
Fritz kam dagegen in ein jüdisches Waisenhaus, evtl. war es das Auerbachsche Waisenhaus in der Schönhauser Allee. Er mochte Schach und Sport und erhielt eine klassische Ausbildung, wozu auch Griechisch und Latein gehörten. Nach dem Besuch eines Realgymnasiums oder Gymnasiums, mindestens bis zum Einjährigen (laut Auskunft des Sohnes), also zur Mittleren Reife, machte Fritz eine Ausbildung bei der Dresdner Bank und war anschließend, unterbrochen von seiner Zeit bei der Marine im Ersten Weltkrieg, bis 1937 dort tätig, zuletzt als Abteilungsdirektor.
Das Hochzeitsdatum von Hildegard und Fritz Wasservogel ist nicht bekannt, aber am 30. Juli 1928 wurde ihr Sohn Ernst in Berlin geboren. Die Familie hat damals bereits in der Bundesallee 5 (heute Länderallee) in Westend in einer von dem jüdischen Architekten Artur Korn 1924 für sie errichteten Villa, die 1970 abgerissen wurde, gelebt. Fritz’s Schwester Toni und ihre Familie sowie die Mutter Emmy müssen zumindest zeitweise auch hier gewohnt haben.
Anfang der 1930er Jahre kam die wohlhabende Familie Wasservogel aus nicht geklärten Gründen in große wirtschaftliche Schwierigkeiten, so bestand seit April 1931 eine Sicherungsübereignung des Mobiliars an die Dresdener Bank, später leistete Fritz „… aufgrund völliger Vermögenslosigkeit den Offenbarungseid…. “. Außerdem wurde Fritz Wasservogel am 1. Juli 1937 von der Dresdner Bank in den Ruhestand versetzt, da er als Jude nicht mehr beschäftigt werden konnte.
Die Dresdner Bank erklärte 1937, dass sie sich für die Schuld ihres früheren Direktors nur mit der Weiterhaftung seines Grundbesitzes begnügt, hat aber seine Pension, die sie bis März 1939 weiterzahlte, von 425 RM auf 325 RM herabgesetzt. Da Fritz Wasservogel mit seiner Familie auswandern wollte, hat er zusätzlich eine Abfindung von 3000 RM von der Bank erhalten.
Nach dem Verkauf des Grundstücks Bundesallee 5 im August 1939 erhielt die Dresdener Bank 27000 RM, so dass eine Restschuld von 99000 RM, mit deren Verlust sich die Bank abgefunden hat, verblieb. Das Mobiliar der Familie Wasservogel war aufgrund dieser Regelung somit nicht betroffen.
Bedingt durch die finanziellen Einschränkungen sind Hildegard, Fritz und Ernst Wasservogel Mitte der 1930er Jahre in die Johann-Sigismund-Strasse 2 in Berlin-Halensee in eine elegant eingerichtete 4-Zimmerwohnung gezogen. Von dort aus konnte Ernst Wasservogel mit seinem Kinderausweis vom 18.3.1939 über den Hamburger Hafen am 21.3.1939 nach England geschickt werden, so wurde seine Leben gerettet. Unmittelbar danach zogen die Eltern in das Haus Weimarer Strasse 28 um, das seit 1938 dem in Rom lebenden Prinzen Obeid Ullach von Afghanistan gehörte. Sie waren hier am Tag der Volkszählung (17. Mai 1939) als Untermieter in einem Zimmer bei der Familie Schuftan im Vorderhaus im 1. Stock gemeldet. Ab Juni 1941 wohnten Hildegard und Fritz bei Hugo Israel Schlesinger, ebenfalls Jude, in einem Zimmer in der Schlüterstraße 63 im Vorderhaus, 2. Stock. Am 27. Februar 1943 musste Hildegard hier ihre Vermögenserklärung (Einzug des Vermögens durch das Deutsche Reich) unterschreiben und
wurde dann ins Gefängnis gebracht. Am 1. März 1943 wurde sie mit dem von den NS-Behörden als 31. Osttransport eingruppierten Zug vom Bahnhof Grunewald nach Auschwitz deportiert.
Fritz war zuletzt als Zwangsarbeiter bei der Otto Wulf AG, Volkmarstraße 17 in Berlin-Tempelhof, für 28 RM/Woche beschäftigt. Sein Vermögen wurde am 1. Februar 1943 eingezogen, die Zustellungsurkunde vom 6. März 1943 wurde ihm in der Sammelstelle Große Hamburger Straße 26 in Berlin-Mitte am Tag seiner Deportation nach Auschwitz mit dem so bezeichneten 35. Osttransport, ebenfalls vom Bahnhof Grunewald, übergeben. Der Todestag von Fritz Wasservogel ist nicht bekannt.
Der in England zumeist in Kinderheimen aufwachsende Sohn Ernst hat sich vermutlich zwischen 1944 und 1948 mit Lungentuberkulose angesteckt. Er war deswegen immer wieder in ärztlicher Behandlung und nicht arbeitsfähig. Im Februar 1948 erhielt Ernst ein Schreiben von Max Buker aus der Weimarer Strasse 28 (s. o. bei Else Buker und Erna Gronemann) mit Informationen zum Lebensweg seiner Eltern nach seiner Flucht und dem von Max Buker für ihn aufbewahrten Abschiedsbrief der Eltern vom 31. Mai 1942 (s. Abb.):