HIER WOHNTE
ERNST KRÄMER
JG.1879
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
17.7.1942
Ernst Krämer wurde am 8. Mai 1879 in Berlin geboren. Im Berliner Adressbuch war er seit 1938 unter der Anschrift Offenbacher Straße 7, wo er mit seiner Frau im 3. Stock wohnte, als „Baumeister“, also Architekt, eingetragen.
Dieter Schmidt, der als achtjähriger Junge aus dem Nachbarhaus in die Offenbacher Straße 7 umgezogen war, erinnert sich:
„In dem Haus, in dem unsere neue Wohnung lag, wohnte ein Ehepaar, bei dem der Mann Jude war. Im Ersten Weltkrieg war er Rittmeister gewesen. Ihre Wohnung war im 3. Stock, direkt über dem Hauseingang. Es waren feine, gut situierte Menschen, die einen besonders schönen Hund, einen Pekinesen, hatten. Ich kannte und bewunderte dieses Tier von klein auf. Eines Tages im Sommer 1942 war im Haus große Aufregung. Herr Krämer hatte sich, während seine Frau einkaufen war, erhängt. Er war gezwungen worden, den kostbaren Hund töten zu lassen, denn Juden durften keine Haustiere halten, und der Mann ahnte wohl, dass er deportiert werden sollte.
Ich weiß, dass man im Haus allgemein entsetzt war, aber sich öffentlich zu äußern traute sich niemand. Das wäre im Hinblick auf die terroristischen Maßnahmen der NS-Regierung auch möglicherweise selbstmörderisch gewesen. Auf jeden Fall war der deutschen Bevölkerung damals bekannt, wie schändlich ihre jüdischen Mitbürger behandelt wurden. Die Massenmorde in den Konzentrationslagern waren dagegen sicher nur einem kleinen Kreis bekannt. Weit bekannt waren aber die Einsatzgruppen in Russland. Mein Vater wäre ja beinah hineingezogen worden, und Soldaten, die auf Urlaub aus Russland nach Hause kamen, wussten entsetzliche Dinge zu berichten – allerdings nicht vor uns Kindern und nur im engsten Familienkreis.“
Der Tag des Freitodes von Ernst Krämer war der 17. Juli 1942. Seine Frau wohnte bis zu ihrem Tod in den 1960er Jahren in dem Haus.
In der Offenbacher Straße 7 lebten, jedenfalls nach dem Einwohnerregister von 1939, noch der Kaufmann Kurt Kaminsky und seine Frau Ilse, geb. Trendelius, sowie Helene Falkson, geb. Lieberg, die 1941 und 1942 deportiert wurden.
Text: Helmut Lölhöffel aufgrund der Erinnerungen von Dieter Schmidt