Stolperstein Duisburger Str. 10

Hausansicht Duisburger Str. 10, 2014

Hausansicht Duisburger Str. 10, 2014

Der Stolperstein für Kurt Stein wurde auf Wunsch der Familien Neumann und Inbal (Israel) am 20. Mai 2014 verlegt.

Die anderen Stolpersteine wurden am 30. November 2021 verlegt.

Stolperstein Kurt Stein

Stolperstein Kurt Stein, 2014

HIER WOHNTE
KURT STEIN
JG. 1921
FLUCHT 1938 HOLLAND
VERHAFTET JUNI 1941
INTERNIERT SCHOORL
DEPORTIERT 1941
MAUTHAUSEN

Kurt Stein kam am 16. März 1921 in Berlin als Sohn von Richard Stein, geboren am 16. September 1893 und Dora Stein (geb. Sand), geboren am 16. September 1894, beide in Berlin, zur Welt. Kurt hatte eine ältere Schwester Johanna, genannt Hanna/Hanni, die am 12. Oktober 1919 ebenfalls in Berlin geboren wurde.

Richard Stein war während des Ersten Weltkriegs Soldat in der deutschen Armee und danach Besitzer einer 1926 ins Firmenregister eingetragenen Textilfabrik für Blusen und Kleider am Hausvogteiplatz 1 (Mitte) in Berlin-Mitte. Sie wurde 1938 zunächst an einen „arischen“ Eigentümer transferiert und im gleichen Jahr liquidiert. Die Familie wohnte zunächst in der Auguste-Viktoria-Straße 62 und ab 1937 in der Duisburger Straße 10. Im Juli 1938, nach der Enteignung, flüchteten Richard und Dora Stein mit ihrem Sohn Kurt zunächst in die Tschechoslowakei und von dort über die Schweiz nach Holland, wo sie zunächst in Amsterdam unterkamen. Kurts Schwester Johanna war von ihren Eltern nach der Schulzeit in Berlin zunächst nach England geschickt worden. Um ihr Studium zu beenden, kam sie 1938 noch einmal nach Berlin zurück, emigrierte jedoch noch in demselben Jahr nach Israel.

Im Juni 1941 wurde Kurt bei einer Razzia der SS oder der Gestapo in Amsterdam festgenommen. Zu dieser Zeit befand er sich wegen einer Blinddarmentzündung, die eine Operation erforderlich machte, in einem Krankenhaus. Von dort wurde er zunächst in das Lager Schoorl und von dort in das Konzentrationslager Mauthausen verschleppt, wo er am 30. September 1941 ermordet wurde.
Richard und Dora Stein fanden in einem holländischen Dorf Menschen, die sie von 1942 bis zu ihrer Emigration nach Israel 1945/46 in einer Dachkammer versteckten. Richard Stein kehrte zurück nach Deutschland, wo er am 12. Februar 1950 starb. Seine Frau Dora blieb mit ihrer Tochter Johanna in Israel. Dora starb 1987 in Tel Aviv.

Kurts Schwester Johanna heiratete in Israel Menahem Emanuel Neumann, bekam vier Kinder und ist am 26. Oktober 1996 gestorben. Isaac Neumann, Pate des an der Duisburger Straße 10, dem letzten freiwilligen Wohnort der Familie, verlegten Stolpersteins, ist eines dieser Kinder.

Text: Hubertus Reger nach Angaben von Isaac Neumann (Moshav Netaim, Israel)

Stolperstein Ernst Hirschfeld

HIER WOHNTE
ERNST
HIRSCHFELD
JG. 1858
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
TOT 29.11.1940

Ernst Hirschfeld wurde am 19. August 1858 in Berlin geboren – als Sohn des Kaufmanns Itzig Isidor Hirschfeld und seiner Frau Ida, geb Steilberg, die Hausfrau war. 1877 – mit 19 Jahren – schrieb er sich zum Jurastudium an der Universität Heidelberg ein. Später studierte er in Berlin. Ab 1885 arbeitete er als Rechtsanwalt und wurde 1898 zum „Königlichen Bezirksrichter“ in Sommerfeld, Niederlausitz (heute Lubsko in der polnischen Woiwodschaft Lebus), ernannt.

Am 5. April 1898 heiratete er Charlotte Luise Kirstein. Als erstes Kind wurde Margarethe am 29. April 1899 in Sommerfeld geboren. Das zweite Kind Annelise Cäcilie, genannt Anita, wurde am 19. Mai 1906 in Berlin geboren. Seit 1915 wohnte die Familie in der Duisburger Straße 10 in der 4. Etage. Ernst Hirschfeld arbeitet weiter als Amtsgerichtsrat mit dem Titel „Geheimer Justizrat“ bis zu seiner Pensionierung 1924 – nach 39 Jahren in einem juristischen Beruf.

1935 starb seine Frau Charlotte in Berlin an Krebs. 1938 notierten die Nationalsozialisten, dass er in derselben Wohnung mit dem nicht-jüdischen Hausmädchen Emma Mayer zusammen lebte. Ernst Hirschfeld starb am 29. November 1940, nachdem er laut Angabe der Nachkommen Tage zuvor auf der Straße angegriffen worden war. Der Todestag wurde im Jahr 1943 mit einem Nazi-Stempel der Heiratsurkunde vom 5. April 1898 hinzugefügt.

Recherche und Text: Lisa Storer,
Übertragung aus dem Englischen: Gisela Morel-Tiemann
Quellen: – Berliner Adressbücher – Heiratsregister Berlin III und Sterberegister Berlin Mitte

Stolperstein Margarethe Hirschfeld

HIER WOHNTE
MARGARETHE
HIRSCHFELD
VERH. ROMER
JG. 1899
FLUCHT 1936
SPANIEN, MEXIKO
ENGLAND

Margarethe Hirschfeld war die erste Tochter des Ehepaares Ernst Hirschfeld und seiner Frau Charlotte geb. Kirstein. Sie wurde am 29. April 1899 in Sommerfeld, Niederlausitz (heute Lubsko in der Woiwodschaft Lebus), geboren. Ab 1915 lebte die Familie in Berlin.

Sie heiratete in Berlin Gerhard Romer und floh mit ihm 1936 über Spanien nach Mexiko und schließlich nach Großbritannien. Dort wohnten sie zunächst bei Margarethes Cousin, Dr. Wolfgang Hermann, in London. Gerhard arbeitete als Verkäufer für die „Aero Zipp Fasteners“, ein Unternehmen, das Befestigungssysteme für die Raumfahrt produzierte.

1939 wurden Margarethe und ihr Mann als „Kategorie C – Flüchtlinge“ eingestuft, was sie von allen kriegsbedingten Restriktionen in Großbritannien befreite. Sie zogen später nach Hertfort um, wo sie beide 1953 im Abstand von drei Monaten starben.

Margarethes jüngere Schwester Anita, die bereits 1927 den Katholiken Franz N. Bachelin geheiratete hatte und mit ihm 1928 nach Amerika emigrierte, stellte 1941 Entschädigungsanträge im Bezug auf das Vermögens ihres Vaters Ernst Hirschfeld. Sie wurde aber 1943 von den Nationalsozialisten zur „Feindin des Deutschen Reiches“ erklärt und somit das gesamte Erbe konfisziert.

Recherche und Text: Lisa Storer,
stark verkürzte Übertragung aus dem Englischen: Gisela Morel-Tiemann

Ernst Hirschfeld and Margarethe Romer (geb. Hirschfeld)
Ernst Hirschfeld was born on August 19, 1858, in Berlin, Brandenburg, Prussia (now Berlin, Brandenburg, Germany) to Itzig Isidor Hirschfeld, a merchant, and Ida Steilberg, a housewife. At nineteen years old, Ernst enrolled in the University of Heidelberg in 1877 to study law. He also studied law in Berlin. By 1885, he was working as an attorney. By 1898, he was employed as a Royal District Judge in Sommerfeld, Kreis Crossen ( now Lubsko, Niederlausitz), here on April 5, 1898, he married Charlotte Luise Kirstein.
Ernst’s and Charlotte’s first child, Margarethe, was born on April 29, 1899, in Sommerfeld. Their second child, Annelise Cäcilie (Anita) was born on May 29, 1906, in Berlin. As of 1915, Ernst and his family lived at Berlin-Wilmersdorf, Duisburger Strasse 10, IV. Ernst continued to work as a Royal District Judge until he retired in 1924, after working for 39 years in the legal profession. In 1935, Ernst’s wife, Charlotte, died in Berlin. In 1938, Ernst is listed in the Nazi census as living with a German, non-Jewish maid, Emma Mayer, at Berlin-Wilmersdorf, Duisburger Strasse 10 IV. He is listed in the German phone book as residing at the same address from 1915 until his death on November 29, 1940, being attacked on the street , which was recorded on his marriage certificate by a Nazi stamp.
Ernst’s firstborn daughter, Margarethe, married Gerhard Romer in Germany. In 1936, Margarethe and Gerhard went to Spain, then to Mexico, and finally to England. They entered the United Kingdom as refugees. They eventually registered as living with Margarethe’s cousin, Dr. Wolfgang Herrmann, at 89 Kingsley Way, London, H2. Margarethe’s husband, Gerhard worked as a salesman for Aero Zipp Fasteners. In 1939, both Gerhard and Margrethe were designated as Category C refugees by a tribunal which made them exempt from all war restrictions. They later moved to 26 Queens Road, Hertford. Margarethe and Gerhard died in England in 1953 within a month of one another.
Ernst’s second daughter, Annelise (Anita), married Franz N. Bachelin, a Catholic, on August 27, 1927, in Berlin. They immigrated to America in 1928. In 1932, Annelise (Anita) returned to Berlin to visit her family for six months and then returned to her home in Pacific Palisades, California. In 1941, Annelise (Anita), as the heiress to Ernst’s estate in Berlin, submitted a formal request to obtain all assets allocated to her. But by 1943, she was deemed an enemy of the Nazi state and her inheritance was confiscated. Annelise’s husband, Franz, became an art director for Paramount Studios in Hollywood. He worked on a number of films including The Hitler Gang, a 1944 film inspired by a Paramount producer to expose the criminal behavior of Hitler and those closest to him. It was marketed as a pseudo-documentary. Franz Bachelin died in California in 1980. Annelise (Anita) died in California in 1999.
Descendants of Margarethe and Ernst Hirschfeld today live in in USA, UK, India and South Africa.
(Text Lisa Storer, Urenkelin)

Stolperstein Ida Czarne Arenstein

HIER WOHNTE
IDA CZARNE
ARENSTEIN
GEB. LEISER
JG. 1870
FLUCHT 1939 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 20.7.1943
SOBIBOR
ERMORDET 23.7.1943

Czarne Ida Arenstein wurde als Tscharne Leiser am 6. Februar 1870 in Tarnow (heute Tarnów, Polen) geboren. Die Stadt Tarnow hatte zu der Zeit ca. 25.000 Einwohner, von denen ca. 40 Prozent Juden waren. Zum Ende des 19. Jahrhunderts war Tarnow eine bedeutende Handelsstadt im damaligen österreichischen Kronland Galizien.

Die Familie ihres Vaters Jacob Leiser (1840) wie auch die Familie ihrer Mutter Taube Leiser, geb. Karnack (1841), lebten schon seit Generationen in Tarnow, wo sie im Eierhandel tätig waren. Hier wurden auch Tscharnes Geschwister geboren, die 10 Jahre ältere Scheindel (1860), die sieben Jahre ältere Sabine (1863-1917) und der sechs Jahre ältere Salomon (1864-1898).

In den 1880er Jahren siedelte die Familie nach Berlin, der damals neuen und aufblühenden Deutschen Reichshauptstadt, um. Auch Tscharnes Onkel Hermann Leiser, der älteste Bruder ihres Vaters, war nach Berlin gezogen und betrieb in der Reichenberger Straße in Berlin-Kreuzberg eine rentable Eierhandlung. Zusammen mit seinem damals 17-jährigen sehr geschäftstüchtigen Neffen Julius Klausner (*1874-1950) gründete Hermann Leiser 1891 auch noch ein Schuhgeschäft in der Oranienstraße 34 in Berlin-Kreuzberg.

In Berlin lernte Tscharne ihren späteren Ehemann, den aus Warschau stammenden Kaufmann Haskel Arenstein, kennen. Auch er handelte mit Schuhen. Sie heirateten am 25. Februar 1892. Tscharne war damals 22 Jahre alt. Zusammen bauten sie „Arenstein´s Schuhwarenhaus Haskel Arenstein, Schuhwarenhandlung“ in der Andreasstraße 59 in Friedrichshain auf. Ihre erste Wohnung bezogen sie in der Grenadierstraße 37, wo am 18. Januar 1893 ihr erster Sohn Karl zur Welt kam. Danach zogen sie in die Nähe ihres Unternehmens Grüner Weg 93, dort wurde am 26. Juli 1894 ihr zweiter Sohn Erich und auch ihre Tochter Lilli am 20. Oktober 1899 geboren.

Tscharnes Cousine Dora (*28. Januar 1882), Tochter von Hermann Leiser, heiratete am 12. Januar 1899 den Geschäftspartner ihres Vaters, ihren Cousin Julius Klausner (geboren am 10. März 1874 in Tarnow – 8. September 1950 in Buenos Aires). Als Hochzeitsgeschenk bekamen die beiden die Anteile des Vaters an den Schuhgeschäften. Gemeinsam bauten sie das Schuhimperium Leiser auf.

Am 11. September 1917 starb Tscharnes Mutter, die Witwe Taube Leiser geborene Karnach, mit 77 Jahren. Nach dem Tod von Tscharnes Vater Jacob Leiser am 21. September 1902 war sie zu ihrer jüngsten Tochter und deren Familie gezogen. Im Sterberegister wurde als Wohnort die Charlottenstraße 14 in Kreuzberg angegeben, wo die Familie Arenstein bis 1927 wohnte. Nur 15 Tage später, am 26. September 1917, starb auch Tscharnes ältere Schwester Sabine Rosengarten, geborene Leiser, in Bad Neuenahr.

Tscharnes ältester Sohn Karl lebte in Eisenach, Thüringen, wo er mit 25 Jahren am 18. November 1918 auch starb. Beerdigt wurde er auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee. Die anderen beiden Kinder arbeiteten, nachdem sie ihre Schulzeit beendet hatten, mit in der elterlichen Schuhwarenhandlung. Erich lernte den Beruf des Schuhmachers in der hauseigenen Schusterei und machte anschließend eine Ausbildung zum kaufmännischen Angestellten. Lilli arbeitete schon als 14-Jährige im Laden als Verkäuferin mit.

Laut dem Berliner Adressbuch von 1914 befand sich die Zentrale von Arenstein´s Schuhwarenhaus in der Andreasstraße 58/59 in Friedrichshain (O27). Außerdem gab es sieben weitere Filialen: in Charlottenburg in der Joachimsthaler Straße 6 und in der Wilmersdorfer Straße 57, in Kreuzberg (SW 61) in der Belle-Alliance-Straße 104, in Moabit (NW 87) in der Turmstraße 58, in Friedrichshain (O34) Königsberger Straße 8 und in Lichtenberg in der Frankfurter Chaussee 4. Laut Handelsregistereintrag 1921 und in den folgenden Jahren zog die Zentrale und Versandabteilung von „Arensteins Schuhhaus ersten Ranges“ in die Markgrafenstraße 75.

Ein halbes Jahr nach Ende des I. Weltkrieges am 25. Juni 1919 heiratete Tscharnes jüngste Tochter Lilli mit 19 Jahren den 25jährigen Kaufmann Max Blumenstein (geboren 21. Januar 1894) aus der Lindenstraße 43, der als leitender Angestellter im Schuhwarenhaus Leiser beschäftigt war.

Als Mitgift bekamen sie von Tscharne und Haskel drei Schuhwarengeschäfte geschenkt. Das Ehepaar bezog ihre erste gemeinsame Wohnung in der Uhlandstraße 148 in Wilmersdorf. Hier kamen am 4. September 1924 ihr erster Sohn Klaus, Tscharnes erster Enkel, und am 13. Oktober 1927 der zweite Sohn Ralf zur Welt.

Vielleicht war der Wunsch, in der Nähe der beiden Enkel zu sein, der Grund für Tscharnes und Haskels Umzug 1927 nach Wilmersdorf in eine 5-Zimmer-Wohnung in das Eckhaus Brandenburgische Straße 29/Duisburger Straße 10. Immer wenn Haskels Neffe, der polnischstämmige Wladyslaw Arenstein, ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann aus Warschau, in Deutschland zu tun hatte, wohnte er mit seiner Familie bei seinem Onkel und seiner Tante in der Duisburger Straße 10. Auch mit Tscharnes Neffen Syrius Rosengarten, wohnhaft in der Homburger Straße 26, dem Sohn ihrer Schwester Sabine, hatte das Ehepaar engen Kontakt.

Am 24. Oktober 1922 heiratete Tscharnes 26-jähriger Sohn Erich, die 22-jährige Golda Gurdus
aus der Mommsenstraße 15 in Charlottenburg. Trauzeuge waren der 52-jährige Brautvater Izak Gurdus und der 37-jährige Abram Sztybel. Diese Ehe wurde aber schon drei Jahre später wieder geschieden.

Im Berliner Adressbuch 1930 war Haskel Arenstein zum ersten Mal als Heinrich Arenstein und Privatier angegeben. Es ist anzunehmen, dass auch Tscharne zu dieser Zeit ebenfalls ihren Namen in Czarne Ida änderte.

1930 zog die vierköpfige Familie Blumenstein in die Eisenzahnstraße 7 in Halensee. Das Glück war aber nur von kurzer Dauer, denn Max Blumenstein starb am 25. Januar 1932 mit erst 38 Jahren. Lilli Blumenstein wurde mit 32 Jahren Witwe. Der älteste Sohn Klaus war damals 7 Jahre und der jüngste Sohn Ralf 4 Jahre alt.

Ein Jahr später, am 30. Januar 1933, kamen die Nationalsozialisten mit dem Reichskanzler Adolf Hitler an die Macht. Schon am 1. April 1933 trat der Boykottaufruf gegen jüdische Geschäfte in Kraft.

Im Amtlichen Fernsprechbuch war Lilli Blumenstein 1936 ganz in der Nähe ihrer Eltern in der Düsseldorfer Straße 41 gemeldet, bevor sie 1936 mit ihren Söhnen nach Amsterdam flüchtete.

Heinrich und Czarne Arenstein mussten im April 1938 ihr Vermögen beim Finanzamt deklarieren. Ihr Gesamtvermögen von ca. 160.000 RM, welches sie sich für den Ruhestand zurückgelegt hatten, war Grundlage für die Festsetzung der Judenvermögensabgabe und der Reichsfluchtsteuer. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1938 wurde ihnen mitgeteilt, dass Heinrich 62.400 RM in vier Teilbeträgen von jeweils 15.600 RM zu zahlen hätte und Czarne 1.000 RM. Im Februar 1939 folgte die Festsetzung der Reichsfluchtsteuer in Höhe von ca. 30.000 RM, die am 10. April 1939 zu zahlen war. Die Auswanderabgabe in Höhe von ca 8.000 RM für Heinrich und 5.000 RM für Czarne mussten sie an die Jüdische Gemeinde zahlen. All diese Zahlungen waren nötig, um eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Finanzamt zu bekommen, die nötig war, um einen Reisepass beantragen zu können und die Erlaubnis zur Beförderung des eigenen Umzugsgutes.

Heinrich und Czarne flogen im Mai 1939 mit der „Koninklijke Luchtvaart Maatschappij“, kurz KLM, von Berlin nach Amsterdam. Sie wählten den Flugweg, weil sie Verfolgungsmaßnahmen befürchteten. In Amsterdam kamen sie ziemlich mittellos an und waren auf Unterstützung ihrer Tochter Lilli angewiesen.

Von der Wohnungseinrichtung aus der Duisburger Straße 10 konnten sie nur sehr wenig mitnehmen, den größten Teil verkauften sie aufgrund der Eile weit unter Preis für 3.000 RM. Wertgegenstände wie silberne Kerzenständer und Schmuck hatten sie schon Ende 1938 bei der Pfandleihstelle in Berlin abgeben.

Heinrich und Czarne lebten ca. drei Jahre illegal in einer kleinen Wohnung in der Euterpestraat in Amsterdam, wo sie am 25. Februar 1942 ihre Goldene Hochzeit feierten. Als Haskel von der Gestapo festgenommen werden sollte, setzte er am 1. Oktober 1942 in der Beethovenstraat 67 in Amsterdam, wo sich die Eheleute versteckt hielten, mit 77 Jahren seinem Leben ein Ende. Czarne wurde mit 71 Jahren Witwe und zog zu ihrer Tochter Lilli an den Scheldeplein 16 in Amsterdam.

Tscharnes Sohn Erich war bei der Minderheitenzählung am 17. Mai 1939 noch in der Düsseldorfer Straße 43 gemeldet. Er floh kurze Zeit später nach Belgien und danach nach Frankreich. In Monte Carlo arbeitete er als Schuhmacher. Am 10. Februar 1944 wurde er im Konvoi Nr. 68 vom französischen Sammel- und Durchgangslager Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Lilli Blumenstein hatte zwei Wochen vor der Besetzung Hollands durch die Deutschen am 15. Mai 1940 den gebürtigen Thüringer Kaufmann für Textilwaren Rudolf Jolles (geboren 8. März 1899 in Erfurt), den sie schon in Berlin kennengelernt hatte, geheiratet. Die Mutter von Rudolf, Fanny Jolles geborene Levy (geboren am 13. Mai 1873), lebte ebenfalls in ihrem Haushalt.

Czarne und Fanny Jolles wurden am 18. März 1943 von der Gestapo festgesetzt und in dem von den Nationalsozialisten eingerichteten „Judendurchgangslager Westerbork“ interniert. Das Ehepaar Lilli und Rudolf Jolles, sowie Lillis Söhne Klaus und Ralf konnten sich der Deportation 1943 entziehen und lebten fortan in privaten Verstecken, wie Kenneth ehemals Klaus Blumenstein 1996 in einem aufgezeichneten Interview der USC Shoah Foundation berichtete.

Am 20. Juli 1943 wurden Czarne Arenstein und Fanny Jolles von der Gestapo nach Sobibor deportiert und dort am 23. Juli 1943 ermordet. Czarne Arenstein wurde 73 Jahre alt.

Ihre Tochter Lilli, ihr Schwiegersohn Rudolf und ihre beiden Enkel Klaus und Ralf überlebten und emigrierten 1946 in die USA.

Recherche und Text: Gundula Meiering, August 2024

Quellen:
Mapping the lives: https://www.mappingthelives.org/
Berliner Adressbuch 1892-1939
Jüdisches Adressbuch Berlin 1929/1930
Amtliche Fernsprechbücher Berlin
Arolsen Archives https://collections.arolsen-archives.org/de/search
USC Shoah Foundation, Interview 13695 vom 25. März 1996 mit Kenneth Blumenstein, Enkel von Czarne Arenstein in New York
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Entschädigungsbehörde (LABO) Reg. 53.306 Antragstellerin: Lilli Jolles geborene Arenstein
Landesarchiv Berlin, WGA http://wga-datenbank.de/recherche.php?s=3
51 WGA 5357/59, 51 WGA 5358/59, 51 WGA 5359/59,
Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen/über „ancestry“
My Heritage, Genealogie, Familienstammbaum

Stolperstein Lina Lilli Schönfeld

HIER WOHNTE
LINA LILLI
SCHÖNFELD
GEB. KRONHEIM
JG. 1884
DEPORTIERT 24.9.1942
THERESIENSTADT
1943 AUSCHWITZ
ERMORDET

Stolperstein Isidor Schönfeld

Stolperstein Isidor Schönfeld

HIER WOHNTE
ISIDOR
SCHÖNFELD
JG. 1872
DEPORTIERT 24.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 23.10.1942