Ernst Collin wurde am 31.5.1886 in Berlin geboren. Sein Großvater war Wilhelm Collin (12.7.1820 bis 1893), seine Eltern Max Georg Collin (22.10.1851 bis 24.12.1918) und Regina (geb. Joseph). Er war wie sein Vater Hofbuchbinder der preußischen Könige und der deutschen Kaiser und Träger des Kronenordens. Ernst Collin war außerdem Schriftsteller, Redakteur und Antiquar.
Über seine Frau Else Collin, geb Cronheim, geboren am 18.3.1890, ist nichts bekannt. Das Ehepaar hatte keine Kinder. Anfangs wohnten Ernst und Else Collin in der Sachsenwaldstraβe 25 in Steglitz und zogen 1929 in die Cicerostraβe 61 in Wilmersdorf um.
In den Jahren 1873-1875 führte Georg Collin den Bruder des späteren Kaisers Wilhelm II., Prinz Heinrich, in die Technik der Buchbinderei ein und studierte an der Berliner Kunstakademie, was seine Einbandkunst stark beinflusste. Nach dem Tod Wilhelms 1893 übernahm Georg die Firma W. Collin und wurde einer der angesehensten Buchbinder Deutschlands. Er trug maßgeblich dazu bei, dass die deutsche Einbandkunst an Bedeutung gewann, und es ist ihm mit zu verdanken, dass von nun an Frauen den Buchbinderberuf erlernen und sich bis zum “Meister” hocharbeiten konnten.
Georg und Regina Collin hatten drei Kinder: Gertrude, Elsa und Ernst. Nach dem Tod Georg Collins wurde die Firma W. Collin von dessen Frau weitergeführt, bis Gertrude die Firma übernahm. Nach 1930 war die Firma als “Spezialbetrieb für Druckarbeiten” unter Paetsch & Collin bekannt, bis sie 1939 “liquidiert” wurde.
Ernst Collin folgte zunächst der Familientradition und wurde Buchbinder. Wo er seine Lehre absolviert hat, ist nicht bekannt, jedoch notierte er selbst, dass er 1904 mit Gustav Slaby und Paul Kersten als Mitglied der 1. Klasse ein Semester lang an der Berliner Buchbinderfachschule für Kunstbuchbinderei eingeschrieben war. Ernst schlug aber eine andere Laufbahn ein, wurde Schriftsteller und Redakteur und schrieb überwiegend über Buchbinderei und grafische Künste. Ebenso befasste er sich mit der Kunst allgemein, mit Wirtschaftsthemen und Politik. Er hatte auβerdem eine Stellung in der Schriftleitung der Berliner Volkszeitung inne. In seinem Corvinus-Antiquariat Ernst Collin in der Mommsenstraβe 27 in Charlottenburg verkaufte er “Erstausgaben, Seltene Bilder, Luxus- und Pressedrucke, Bibeldrucke, schön gebundene Bücher“ und andere Kostbarkeiten.
Die Zahl seiner bislang entdeckten Schriften wächst weiter an – angefangen mit 44 Titeln in Mejers Bibliographie der Buchbinder-Literatur (1925) und in dem 1937 erschienen Jahrbuch der Einbandkunst,herausgegeben von den Meistern der Einbandkunst. Dieser Band enthält um die 200 Titel (Aufsätze und Monographien), allerdings mit erheblichen Lücken in der Chronologie, die vervollständigt werden könnten.
Sein bekanntestes Werk, der Pressbengel (1922), ein “Gesprächsbüchlein zwischen dem ästhetischen Bücherfreund und seinem in allen Sätteln gerechten Buchbinder”, widmete er seinem Vater Georg. In dem illustrierten Werk stellte Collin die verschiedenen Techniken vor und beschrieb die Lage des Handwerks in Deutschland. Der Mandragora Verlag legte 1984 eine Neuausgabe auf, und 1996 wurde der Pressbengel als Dal Religatore d’Arte vom Atelier Josef Weiss herausgebracht. 2008 erfolgte die Übersetzung ins Englische als The Bone Folder von Peter D. Verheyen.
In der Einleitung zum Nachdruck von 1984 schrieb Moessner: “Ernst Collin ist seit 1933 verschollen.” Trotz der immer enger werdenden Schlinge von Schikanen und Drohungen der Nazis, unter anderem in Anlehnung an das Schriftleitergesetz von 1933, gelang es Collin, zumindest bis 1936 seine Schriften im Allgemeiner Anzeiger für Buchbindereien zu veröffentlichen, beispielsweise den Aufsatz über “Otto Pfaffs 25jähriges Berufsjubiläum.”
In der Ausgabe des Allgemeinen Anzeiger für Buchbindereien von 1947, dem ersten Jahrgang seit Kriegsende, gab es unter den Randbemerkungen eine Eintragung über die Collins (W. Collin, Georg und Ernst), in der die herausragende Bedeutung dieser Menschen und deren Schaffen hervorgehoben wurde. Auch wurde dort erwähnt, dass Ernst jahrzehntelang für die Zeitschrift tätig war und er, als Jude, noch im Jahre 1939 versucht hatte, zu emigrieren. Von einem “Abschiedsbrief” war die Rede, danach gab es keine Nachricht mehr von ihm.
Die Deportation der Eheleute Ernst und Else Collin fand am 9. Dezember 1942 statt – mit 1000 Menschen vom Bahnhof Grunewald nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden.
Biografie: Peter D. Verheyen, Syracuse, NY/USA. 2014
Quellen:
Neben etlichen Zeitschriften wurden unter anderem folgende Quellen verwendet:
Jacobson, Jacob. Die Judenbürgerbücher der Stadt Berlin, 1809-1851. Berlin: Walter de Gruyter & Co., 1962
http://digital.zlb.de/viewer/browse/digitabb.adressbuecher/-/1/SORT_YEARPUBLISH/-/.
Dohrmann, Inken. 150 Jahre Verein Berliner Buchbindermeister. Berlin: Verein Berliner Buchbindermeister 1849, 200.
Humboldt-Universität zu Berlin. Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945. Datenbank. www2.hu-berlin.de/djgb/www/find.
Freie Universität Berlin, Zentralinstitut für Sozialwissenschaftliche Forschung. Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Edition Hentrich, Berlin 1995.
Yad Vashem. Central Database of Shoah Victims’ Names. http://db.yadvashem.org/names
Archiv der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum; Berliner Adreßbuch, diverse Jahrgänge; Standesamt Berlin; International Tracing Service