Stolpersteine Helmstedter Straße 12

Hauseingang Helmstedter Str. 12

Diese Stolpersteine wurden von der Wohnungseigentümergemeinschaft gespendet und am 2.12.2013 verlegt.

Stolperstein Dr. Denny Blumenthal

HIER WOHNTE
DR. DENNY
BLUMENTHAL
Jg.1895
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 19.8.1943

Denny Blumenthal hieß mit richtigem Vornamen Paul, er wurde am 24. November 1895 nach Angaben seines Neffen Tumin (Tuvia) in Magdedeburg, nach dem Bundesarchiv in Berlin geboren. Seine Eltern hießen Hugo Blumenthal, der am 5. September 1930 in Berlin gestorben ist, und Anna geb. Langenbach, es gab noch zwei Geschwister namens Walter und Gertrud. Er war mit Frieda, geb. Mörschner, die am 20. April 1898 geboren wurde, verheiratet. Frieda hatte drei Schwestern und drei Brüder, alle sieben Geschwister wuchsen in Frauenprießnitz bei Jena auf und wurden offensichtlich auch dort geboren.

Im Volkszählungsregister vom 17.5.1939 war Blumenthal mit vier JJJJ als „Volljude“ eingetragen, zum Stichtag wohnte er in der Helmstedter Straße 12 als Untermieter bei dem Kaufmann Eber Kraushar. Seine Frau war dort nicht gemeldet, sie war, wie das Finanzamt Mitte festhielt, „arischer Abstammung“. Kinder hatten sie nicht.

Unter seinem Vornamen Paul Blumenthal war er vor dem Umzug nach Berlin „Stadtzahnarzt“ in Magdeburg. Dort wohnten seine Eltern Breiter Weg 10, und er war mit seinen Geschwistern an einem Grundstück Breiter Weg 193/194 beteiligt, sein Anteil wurde vom Finanzamt Mitteldeutschland mit 23 025 Reichsmark bewertet. Das Haus hatte Hugo Blumenthal 1882 gekauft. Spätestens 1901 zog er nach Berlin um.

Seine Berliner Praxis hatte Dr. Blumenthal zunächst in der Müllerstraße 13. Von 1939 an strich er im Briefkopf „Paul“ durch, schrieb „Denny“ und als Adresse die Helmstedter Straße 12 hin. Offensichtlich wurde ihm der Vorname „Denny“ von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) verordnet, um seine nicht-arische Herkunft auch am Vornamen erkennbar zu machen. Die Annahme dieses Namens wurde willkürlich erzwungen. Er steht auf dem Stolperstein, weil Blumenthal 1939 so registriert war.

Vermerkt ist im Melderegister, dass er in die Oranienburger Straße 40-41 „verzogen“ sei. In den Berliner Adressbüchern 1939, 1940 und 1941 hatte er keinen eigenen Eintrag, weil er in der Helmstedter Straße zur Untermiete wohnte und danach im Haus seiner Frau, in dem außerdem vier ausgebombte Familien lebten. Zeitweise hatte sich Denny Blumenthal noch 1939 als „Dr. med. dent“ ausgewiesen. In einem Formular des Finanzamts von 1940 stand allerdings die Zwangs-Bezeichnung „Zahnbehandler für jüd. Patienten“, weil sich Juden nicht mehr Zahnärzte nennen durften.

1942 wurde Blumenthal wegen „unerlaubten Besitzes von Fotoapparaten“ angezeigt. Bei einer Haussuchung wurde tatsächlich ein Fotoapparat gefunden, deren Herkunft den Blumenthals unerklärlich war. Seit Ende 1941 durften Juden keine „optische Geräte“ mehr besitzen. Blumenthal wurde verhaftet. Ein Gnadengesuch seiner Frau, in dem sie auch anmerkte, dass ihr „gehäufte“ Todesfälle aus Auschwitz bekannt seien, was damals durchaus riskant war, blieb erfolglos.

In zahlreichen Schreiben, die im Brandenburgischen Landeshauptarchiv verwahrt sind, ist dokumentiert, wie Dr. Blumenthal immer wieder Anträge auf Steuerminderung stellte und den Grundstückswert zu vermindern versuchte. Um den Belastungen zu entgehen, verkaufte er schließlich das Grundstück in Magdeburg weit unter Wert an die Stadt, und sein gesamtes Vermögen schenkte er mit einer „Abtretungserklärung“ seiner Frau Frieda.

An einem unbekannten Datum 1943 ist er nach Auschwitz deportiert worden, offenbar ohne vorher in Berlin in ein Sammellager zu müssen, und ist dort am 19. August 1943 im Alter von 47 Jahren ums Leben gebracht worden. Seiner Witwe wurde amtlich mitgeteilt, er sei an „Herzversagen“ gestorben.

Frieda Blumenthal zog mit ihrer Schwester Hilde nach dem Zweiten Weltkrieg nach Karlsruhe, wo sie bis zu ihrem Tod gemeinsam lebten. Frieda ging nach dem Tod ihres Ehemanns keine neue eheliche Verbindung ein und war nicht berufstätig. Offenbar konnte sie von dem ihr vermachten Vermögen ihres gestorbenen Mannes gut leben. Frieda bedachte in späteren Jahren ihre fünf in Thüringen gebliebenen Geschwister und deren Kinder mit großzügigen Sach- und Geldgeschenken, welche ebenfalls aus dem Vermögen von Paul stammten. Sie starb am 9. Dezember 1986 in Karlsruhe.

Die Mutter Anna Blumenthal stand auf keiner Deportationsliste, sie war keine Jüdin. Sein Bruder Walter, Diplomingenieur von Beruf, verließ Deutschland und wanderte schon 1933 nach Palästina aus, er starb 1941. Dessen Sohn Tuvia hat in Jerusalem bei Yad Vashem die Morde der Familienmitglieder bezeugt.
Zum Gedenken an Paul Blumenthals unverheiratete Cousine Ella Blumenthal, geboren am 6. Januar 1880 in Magdeburg, ist in Magdeburg am Haus Breiter Weg 193/194 ein Stolperstein verlegt worden. Sie wurde am 14. April 1942 in das Ghetto Warschau deportiert und im Sommer 1942 in Treblinka ermordet.

Recherche und Text: Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf mit Informationen von Norbert Gießler (Eisenhüttenstadt), dem 1955 geborenen Großneffen von Frieda Blumenthal.
Quellen: Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Gedenkbuch der Berliner Juden, Bundesarchiv, Volkszählungsregister, Adressbücher, Yad Vashem-Opferdatei.

Stolperstein Charlotte Sachs

HIER WOHNTE
CHARLOTTE SACHS
GEB. SACHS
JG. 1896
DEPORTIERT 24.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 5.12.1942

Charlotte Sachs ist am 17. Mai 1896 in Breslau geboren. Ihre Eltern hießen Hermann und Elise Sachs, geb. Friedländer, ihre Geschwister waren Kurt Markus (verheiratet mit Charlotte Kupper), Otto (gestorben 1918), Edith (verheiratet mit Bernhard Baumeister) und Hella. Soweit bekannt ist, konnten sie alle flüchten und überlebten.
Sie war Lehrerin und geschieden. In ihrer Ehe hieß sie Charlotte Joel, danach nahm sie wieder ihren Geburtsnamen an. Von ihrem Mann sind keine Spuren zu finden, denkbar ist, dass er der Jurist Joachim Joel, geboren am 12. April 1893 in Soldin (Brandenburg), war. Am Stichtag 17.5.1939 (Volkszählung) wohnte sie in der Barbarossastraße 22 in Schöneberg, allerdings wurde sie danach in der Helmstedter Straße 12 in Wilmersdorf registriert, vermutlich ist sie nach der Scheidung umgezogen.
In ihrer Todesurkunde www.holocaust.cz/de/document/DOCUMENT.ITI.11652 ist jedenfalls die Helmstedter Straße als Adresse angegeben.
Um diese Zeit hatte Charlotte Sachs offenbar vor, nach Paris zu flüchten. Beim Finanzamt war jedenfalls ein Anmeldebogen angelegt worden, dass Gegenstände „gelagert“ waren, deren „Wert unbekannt“ sei. Handschriftlich war dann auf diesem Formular vermerkt: „Gegenstandslos“. Also ist ihr die Auswanderung wohl nicht erlaubt worden. Danach wurde sie gezwungen, in die Martin-Luther-Straße 83 umzuziehen.
Sie wurde am 24. August 1942 vom Anhalter Bahnhof mit 100 Menschen ins Ghetto Theresienstadt deportiert und starb in Theresienstadt am 5. Dezember 1942, 46 Jahre alt, angeblich an Lungenentzündung und Herzschwäche, das heißt: sie war schwach und anfällig wegen Unterernährung und mangelnder ärztlicher Versorgung.
Am 6.9.1943 ordnete das Reichsinnenministerium die Einziehung des Vermögens von Charlotte Sachs an. Der Rechtsanwalt Kurt Sachs, der als „Konsulent“ nur zur rechtlichen Beratung von Juden zugelassen war, konnte aber die Höhe des Vermögens „infolge Arbeitsüberlastung“ zunächst nicht feststellen, wie er dem Oberfinanzpräsidium schrieb, und am 31.12.1944 teilte er nach einer Mahnung der Behörde mit, die Unterlagen seien „verbrannt“.

Recherche und Text: Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf
Quellen: Brandenburgisches Landeshauptarchiv/Vermögensakten und Opferdatei Theresienstadt/Todesfallanzeige