HIER WOHNTE
GERTRUD
ARONSFELD
GEB. UNGER
JG. 1889
DEPORTIERT 12.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
Gertrud Aronsfeld wurde am 16. Oktober 1889 in Schrimm an der Warthe (preuß. Provinz Posen) als ältestes Kind von Siegmund Unger und seiner Ehefrau Johanna, geb. Silberstein, geboren.
Schwester Frieda kam 1890 zur Welt, Schwester Herta 1892 und Bruder Franz Joseph 1899. Bald nach Beendigung der Schule lernte Gertrud Unger den streng religiösen Arzt und Geburtshelfer Dr. Heimann Aronsfeld (1865-1934) kennen. Nach der Heirat 1910 lebte das Ehepaar im nahen Kruschwitz, wo auch die fünf Kinder geboren wurden – zwei starben kurz nach der Geburt. Gertrud Aronsfeld widmete sich ihren Aufgaben als Mutter und Hausfrau.
Als die Provinz Posen nach 1919 dem restaurierten polnischen Staat angegliedert wurde, verlangte man von Heimann Aronsfeld, sein Doktor-Examen erneut abzulegen – nun auf Polnisch -, was er verweigerte. So verließ das Paar 1922 seine Heimat und zog mit den Kindern Eva (geb. 22.4.1916), Susi (geb.18.5.1917) und Curt (geb.18.11.1920) nach Berlin, wo beide Eltern Geschwister hatten.
Familie Aronsfeld fand keine Wohnung, konnte aber weder bei Heimanns Brüdern, Alex und David Aronsfeld, noch bei Gertruds Bruder, Franz Joseph Unger, unterkommen. Die Eltern zogen mit dem zweijährigen Curt ins Hotel, die Mädchen wurden von Freunden aufgenommen. 1924 eröffnete Dr. Aronsfeld in der Bülowstraße 31 seine Praxis, in der er mit Frau und Sohn auch wohnte. Die Töchter blieben bei den Freunden, die bald auch Curt zu sich nahmen. Dr. Aronsfeld starb am 4. Februar 1934 an Krebs und wurde nachts heimlich auf dem Gräberfeld der Adass Jisroel in Berlin-Weißensee beerdigt, da es Juden bereits damals verboten war, ihre Verstorbenen feierlich und mit Grabstein zu bestatten.
Gertrud Aronsfeld musste nun für den Lebensunterhalt sorgen. Sie eröffnete in der Clausewitzstraße 4 eine Pension mit acht Zimmern und wurde von einem nicht-jüdischen Hausmädchen unterstützt, das bei ihnen lebte. Es war Juden verboten, “arisches” weibliches Hauspersonal zu beschäftigen, wenn dem Haushalt eine männliche Person über 16 Jahren angehörte. Als Curt 16 wurde, blieb die Hausangestellte bei den Aronsfelds, denn man glaubte nicht, dass die Situation überprüft würde – ein gefährlicher Trugschluss. Frau Aronsfeld wurde von der Gestapo vorgeladen und verhört, kehrte aber nach der “Befragung” nach Hause zurück. Sie entschied, dass Curt Deutschland umgehend verlassen müsse.
Eva Aronsfeld wollte Ärztin werden, musste aber 1933 – ein Jahr vor dem Abitur – die Schule verlassen, weil sie Jüdin war. Sie arbeitete bei einer zionistischen Organisation, die die Einwanderung von Juden nach Palästina organisierte. Durch ihre “Verbindungen” konnte sie ihrem Bruder binnen 24 Stunden zur Flucht nach London verhelfen, wo er – verheiratet, aber kinderlos – im Alter von 60 Jahren verstarb. Sie selbst emigrierte im März 1939 ebenfalls nach London, wo sie unverheiratet früh starb.
Mitte 1938 überließ Gertrud Aronsfeld sechs Zimmer ihrer Pension jüdischen Nachbarn, die in demselben Haus Gästezimmer vermieteten, da sie nach England zu ihrem Sohn oder nach Schweden zu ihrer Schwester Herta emigrieren wollte. Sie wurde von beiden Ländern abgewiesen. Im April 1939 – nach der Emigration von Tochter Eva – „verkaufte“ sie den Nachbarn (die später ebenfalls deportiert wurden) ihre Pension und zog mit Tochter Susi in die Dahlmannstraße 15.
Susi Aronsfeld hatte ebenfalls die Schule verlassen müssen und arbeitete in der Palästina Treuhandstelle, die die Auswanderung von Juden nach Palästina förderte. Dort lernte sie den aus Erfurt stammenden Heinz Bluth kennen, der als Jude seine leitende Stellung in einer Bank in Berlin nicht mehr bekleiden durfte. Zusammen flohen sie am 13. Oktober 1939 aus Berlin in Richtung Palästina und kamen nach Monaten der Illegalität, Angst vor Entdeckung und Unsicherheit, ob sie jemals ihr Ziel erreichen würden, am 30. Januar 1940 in Haifa an. Kurze Zeit später heirateten sie und 1946 kam Sohn Michael zur Welt.
Gertrud Aronsfeld war nach der Emigration bzw. Flucht ihrer Kinder allein in Berlin und zog als Untermieterin zu Martha Rothholz, der Schwiegermutter ihres Bruders Franz Joseph Unger, in die Friedbergstraße 7, wo er mit Frau Therese und Sohn Heinz Joachim bereits wohnte. Nach der Deportation von Martha Rothholz im November 1941 wurde das Haus enteignet und „geräumt“. Frau Aronsfeld musste in die Dahlmannstraße 4 ziehen.
Am 21. Januar 1943 wurde Gertrud Aronsfeld zum Güterbahnhof Moabit in der Putlitzstraße getrieben und zusammen mit fast 2000 weiteren Berliner Juden mit dem „26. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Verantwortlich für Recherche und Text: Gisela Morel-Tiemann