HIER WOHNTE
ELSE ISAACSOHN
JG. 1893
DEPORTIERT 9.12.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
Else Isaacsohn ist am 26. Mai 1893 in Berlin geboren. Sie wohnte in Charlottenburg in der Stormstraße 4 als Untermieterin bei Hedwig Keiler, geboren am 8. Mai 1875 in Liegnitz (Schlesien). Sie war Witwe und hatte ein weiteres Zimmer vermietet an Minna Marga Barkan, die am 17. Februar 1885 in Polozk (Lettland) geboren wurde. Alle drei hatten die Lehrerinnenprüfung in Breslau gemacht – vermutlich kannten sie sich von daher oder aus gemeinsamen Zeiten an einer der Jüdischen Schulen in Berlin.
Eigentümer des Hauses Stormstraße 4 war zu dieser Zeit J. Wolfsohn, der im Ausland lebte. Hedwig Keiler, die verwitwet war, stand von 1932 bis 1939 unter dieser Anschrift im Berliner Adressbuch, 1940 aber nicht mehr. Über ihr Schicksal ist ebenso wenig bekannt wie über Minna Marga Barkan, die im Berliner Melderegister mit dem Kennzeichen JJJJ als „Volljüdin“ eingetragen war. Else Issacsohn war am 17.5.1939, dem Tag der Volkszählung, in der Stormstraße 4 gemeldet, es war also ihre letzte frei gewählte Wohnung. Bald danach musste sie zwei Straßen weiter in die Württembergallee 26/27 umziehen. Dieses Haus gehörte einem E. Meyer. Bei wem sie Unterschlupf fand, ist nicht ersichtlich, jedenfalls hatte sie 55 Reichsmark Miete zu zahlen.
In einer am 5.3.1942 ausgefüllten Vermögenserklärung führte sie wenige Möbel und einiges Küchengeschirr auf. Auf einem Konto bei der Deutschen Bank hatte sie nach eigenen Angaben ein Guthaben von rund 500 RM. Das von ihr zurückgelassene Inventar – darunter Kleidung, auch „1 Regenhut und 1 Schürzenkleid“, sowie Bilder – wurde am 18.3.1943 penibel amtlich aufgelistet, geschätzt und mit 470,20 RM bewertet. Am wertvollsten waren „weisse Schränke mit Glastüren alt“, für die 80 RM angesetzt wurden. Else Isaacsohns Habe wurde schließlich für 387,40 RM an einen Gebrauchtwarenhändler verscherbelt, wobei der Nazi-Staat mit abkassierte.
Außerdem hatte Else Isaacsohn, die unverheiratet war und allein lebte, ebenso wie ihre Mutter Flora, geb. Meyer, die in Dresden in der Steinstraße 2 wohnte, einen Anteil im Wert von 10 000 Goldmark an dem Haus Nürnberger Straße 68 in Schöneberg, das ihrer Tante Marta Herz, geb. Meyer, gehörte. Dieses Haus wurde 1944, wie es in einer Akte lapidar heißt, „umgeschrieben“ auf den Hotelbesitzer Alfred Remter, der in der Nürnberger Straße 2 das Hotel „Astra am Zoo“ führte. Das heißt: die Isaacsohns wurden, nachdem sie in die Konzentrationslager verschleppt worden waren, enteignet.
Am 5.12.1942 musste Else Isaacsohn im Sammellager Große Hamburger Straße 26, einem ehemaligen Jüdischen Altersheim, mit bescheidenem Gepäck auf ihren Abtransport warten. Am 9. Dezember 1942 ist sie vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert worden, wo 898 der rund 1000 Insassen dieses Zuges vergast wurden.
Ihre Mutter Flora, geboren am 22. April 1867 in Briesen (Westpreußen), war nach Auskunft des Bundesarchivs am 11. August 1942 aus Dresden ins Ghetto Theresienstadt deportiert worden und kam dort am 22. Januar 1943 ums Leben. Vier Ärzte und ein Totenbeschauer bescheinigten auf einer „Todesfallanzeige“ (http://www.holocaust.cz/de/document/DOCUMENT.ITI.14963 ), sie sei an „Altersschwäche“ gestorben. Niemand weiß, ob sie verhungerte oder ihr keine medizinische Hilfe geleistet wurde – beides käme einem Mord gleich.
Recherche, Text: Helmut Lölhöffel