HIER WOHNTE
GERTRUD KATZ
JG. 1878
DEPORTIERT 14.9.1942
THERESIENSTADT
BEFREIT / ÜBERLEBT
Gertrud Katz, die das Lager Theresienstadt überlebte, hat ihre Erinnerungen im November 1945 aufgeschrieben. Sie beginnen (Auszüge aus ihrem mit der Schreibmaschine getippten Bericht finden Sie unten als PDF) mit der Ankunft:
„… standen Aufpasser an der Bahn, die barsch riefen: Schnell, beeilen, aussteigen! So begann die Wanderung mit dem Gepäck. Es war ein heisser Tag, jeder war gedrückt. So mussten wir eine Stunde schwer beladen und übermüdet marschieren, bis wir endlich Theresienstadt erreichten. Die Stadt machte einen trostlosen Eindruck.“
Weiter schrieb Gertrud Katz: „Ich will und kann nicht jeden Tag beschreiben, aber die erste Zeit war unerträglich. 3 Mal am Tag musste man sich bei Wind und Wetter das klägliche Essen vom Kasernenhof holen, mein Mann in einer anderen Kaserne als ich.“ … „Mein Mann hatte den einen Anzug, den er trug, das war alles. Ich hatte dreierlei angezogen, sodass ich ein Kostüm, ein Strickkleid und eine Bluse besaß. Ich war reich!“, notierte sie.
„Und nun begann das tägliche, klägliche, eintönige Leben. … Der Hunger wurde immer schlimmer. Da fing ich an, meine geringen Habseligkeiten gegen Lebensmittel zu vertauschen, gegen Brot und Kartoffeln. Aber wir konnten uns nun eine Zeit über Wasser halten.“
Trotz einiger entspannter Momente fasste Gertrud Katz zusammen:
„Es war doch eine richtige Hölle. … Traurig waren auch die Toilettenverhältnisse. … Noch trauriger aber war die Ungezieferplage. In einer Nacht konnte man 100 Wanzen zählen, man hatte keine Minute Ruhe … von diesem elenden Gewürm … Ungeziefer in allen Variationen, ausser den Wanzen Läuse und Flöhe …“
Die kommende Zeit schilderte sie so: „Es verging wieder ein trauriger Monat nach dem andern, und nichts änderte sich. Die Bestimmungen wurden immer schärfer, es musste gearbeitet werden in den Betrieben von 6 Uhr morgens bis 5 Uhr abends, und dazu die Ernährung!“
„Und das war noch nicht das Allerschlimmste“, schrieb Gertrud Katz weiter, „denn das Allerschlimmste war die berechtige Angst vor den Transporten.“
Ihr blieb eine solche Fahrt mit Zug nach Auschwitz „in den Gastod“ erspart. Unterdessen magerte Julius Katz immer mehr ab. „Er suchte seine Schwäche vor mir zu verbergen, aber man brauchte kein Hellseher zu sein, um zu wissen, dass er nicht durchhalten konnte.“ Er wurde immer schwächer, und nach fünfwöchigem Krankenlager „erlag er seinem Geschick“, formulierte Gertrud Katz. „Ich war jeden Tag bei ihm … So matt er war, seinen ‚Faust’ hatte er immer bei sich, und mit ihm auf der Brust schlief er ein.“
Das war im April 1944, er war 63 Jahre alt. Gertrud Katz musste von da an allein die Zeit in Theresienstadt verbringen, „in der Stadt, die für mich das Schlimmste bedeutete … noch war unsere Leidenszeit nicht zu Ende.“
Einen weiteren Winter musste sie ertragen, bis ihr am 9. Mai „mit Gewissheit mitgeteilt wurde, die Russen sind in Theresienstadt eingezogen, sie haben uns gerettet.“ Bis zum 17. Juli 1945 ist sie noch in Theresienstadt geblieben.
Der neunseitige ergreifende Bericht von Gertrud Katz endet mit den Worten:
„Voller Dankbarkeit, das Ende miterlebt zu haben, und doch voller Bitterkeit, dass mein lieber Mann es nicht erlebt hat, schliesse ich meinen Bericht. Sollte es mir vergönnt sein, noch einige gute Jahre nach den 12 schlimmen Jahren geniessen zu können, so werde ich stolz sein, auch die Leidenszeit überstanden und überwunden zu haben!“
Zum Gedenken an Gertrud Katz wurde ein zweiter Stolperstein neben dem ihres Mannes Julius verlegt, um an ihren Lebensmut zu erinnern.
Zum Gedenken an Arthur Sello, einen Onkel von Julius Katz, ist ein Stolperstein an der Tewsstraße 21 (ehemals Hubertusstraße) im Stadtteil Nikolassee in Steglitz-Zehlendorf verlegt worden.
Das Ehepaar Katz hatte eine Untermieterin, die möglicherweise Hausangestellte war: Alice Heymann, geboren 26. November 1901 in Berlin. Sie wurde am 29. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert.
Quellen: „Meine Erinnerungen aus Theresienstadt“ von Gertrud Katz, aus dem Familienarchiv Sello (Hamburg); Bundesarchiv Berlin, Opferdatei Theresienstadt, Berliner Adressbücher.
Zusammenstellung: Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf