Stolpersteine Fasanenstraße 41

Hausansicht Fasanenstr. 41

Hausansicht Fasanenstr. 41

Diese Stolpersteine wurden am 21.9.2013 verlegt.

Stolperstein Georg Böhm

Stolperstein Georg Böhm

HIER WOHNTE
GEORG BÖHM
JG. 1870
DEPORTIERT 14.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 13.9.1943

Georg Böhm wurde am 22. November 1879 in Zabrze (Kreis Hindenburg, Oberschlesien) geboren.
Er promovierte und bekleidete als Reichswirtschaftsgerichtsrat die Position eines höheren Beamten.
Georg Böhm war verheiratet, seine Frau starb zu einem unbekannten Zeitpunkt. Gemeinsam hatten sie drei Kinder: Anna Marie Böhm wurde am 27. August 1910 geboren, die Geburtsdaten von Hans Max Theodor Böhm und Rudolf Walter Böhm sind nicht bekannt. Alle drei verließen Deutschland.
Anna Marie Böhm emigrierte 1938 nach England. Sie änderte nach Erlangen der englischen Staatsbürgerschaft 1947 ihren Namen in Anne Bohm um.
Sie war 1941 Sektretärin, ab 1942 Wissenschaftliche Assistentin in der London School of Economics und galt als “ambassador“ der LSE. Am 15. Oktober 2006 starb sie im Alter von 96 Jahren und wurde in der englischen Presse hoch geehrt.
Rudolf Walter Böhm wurde 1946 britischer Staatsbürger und hieß ab dann Rudolph Walter Boam. Er wurde Mitglied der britischen Streitkräfte.
Über Hans Max Theodor Böhm ist der Zeitpunkt der Auswanderung nicht bekannt. Im Entschädigungsantrag ist eine Adresse in Melbourne, Australien angegeben. Möglicherweise ist er zusammen mit seinen Geschwistern nach England geflohen und von dort durch die englischen Behörden nach Australien deportiert worden.

Georg Böhm lebte seit Oktober 1936 in der Fasanenstraße 41, Vorderhaus, 2. Etage in einer 5½-Zimmerwohnung. Noch bis 1939 war Georg Böhm namentlich im Berliner Adressbuch eingetragen, ab 1940 ist kein Eintrag mehr vorzufinden.

Ende 1941 wurden ihm drei jüdische Familien als Untermieter zugewiesen.
Das Ehepaar Rieß bewohnte ein Zimmer und die Kammer. Der 66jährige Fritz Riess und seine 59jährige Ehefrau Elisabeth wurden am 3. Oktober 1942 nach Theresienstadt, am 28. Oktober 1944 weiter nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

In einem möblierten Balkonzimmer war das junge Ehepaar Erwin und Traute Ansbach untergebracht. Ihr Sohn Bela wurde am 22. April 1942 dort geboren. Traute Ansbach war eine geborene Böhm, möglicherweise eine Verwandte von Georg Böhm. Dafür spricht auch, dass sowohl Traute Ansbachs als auch Anne Marie Böhms Geburtsort Breslau war.
Erwin und Traute Ansbach wurden nach der Deportation der Mitbewohner und der danach erfolgten Räumung der Wohnung in der Fasanenstraße 41 mit Hilfe der Jüdischen Kultusgemeinde in verschiedene andere Wohnungen umgesetzt und am 17. Mai 1943 zusammen mit ihrem inzwischen einjährigen Sohn Bela nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Als dritte Untermieter gab Georg Böhm in seiner Vermögenserklärung „Fritz Kruse mit Frau und volljähriger Tochter, Juden“ an. Sie bewohnten zwei Zimmer der Wohnung. Über das Schicksal der Familie Kruse gibt es keinerlei Hinweise. Sie werden weder im Gedenkbuch noch in der Opferdatenbank von Yad Vashem erwähnt. Gelang ihnen vielleicht die Flucht?

Allen war das Untermietverhältnis durch den Hausbesitzer Goldmann zu Ende September 42 gekündigt worden. Bereits am 18.9.42 schloss Goldmann einen neuen Mietvertrag für die Wohnung mit einem kriegsversehrten Landgerichtsrat und Leutnant der Reserve ab.

Zunächst waren Teile der Wohnung versiegelt worden, sodass sie erst im März 1943 durch den neuen Mieter bezogen werden konnte. Wie so oft, versuchte auch hier der Hausbesitzer durch Zuschüsse zu Schönheitsreparaturen einen Reibach zu machen. Obwohl er nach dem Mietvertrag verpflichtet war, die Instandsetzungskosten zu 85% zu tragen, verlangte er 50% Zuschuss. Die Vermögensverwertungsstelle beim Oberfinanzpräsidenten erteilte jedoch diesmal eine Abfuhr: “Obwohl nun der Vermieter in den 10 Jahren seiner Pflicht, die Wohnung instandzuhalten, nicht nachgekommen ist und mit der Miete die Pauschentschädigung für die Kosten der Schönheitsreparaturen seit 10 Jahren bezogen hat, verlangt er einen 50% Zuschuß zu den heutigen Kosten. Wenn ein Arier in der Wohnung gewohnt hätte, könnte er nichts verlangen, weil er aber einen Juden beherbergt hat, will er eine Entschädigung. Er macht also dadurch ein gutes Geschäft. Ich habe aus diesen Gründen einen 50% Zuschuß als indiskutabel abgelehnt.“
Georg Böhm wurde seiner Vermögenswerte in Höhe von 22000 RM beraubt, das beschlagnahmte Wohnungsinventar wurde auf 490 RM taxiert.

Am 14. September 1942 wurde der 72jährige Georg Böhm zusammen mit 1000 jüdischen Mitbürgern nach Theresienstadt verschleppt. 942 Menschen dieses Transportes wurden ermordet, nur 59 überlebten. Unter den Deportierten befanden sich auch 82 Bewohner des Dauerheims der Israelitischen Taubstummenanstalt in Weißensee, Parkstraße 22

Georg Böhm wurde am 13. September 1943 im Ghetto Theresienstadt ermordet.

Text von Karin Sievert
Quellen: Gedenkbuch- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945, Statistik des Holocaust – Deportationslisten
Opferliste des Ghettos Theresienstadt, Yad Vashem Opferdatenbank, Entschädigungsamt Berlin, Brandenburgisches Landeshauptarchiv,
Berliner Adressbücher,
The London Gazette, 18 July 1947, The London Gazette, 20 December 1946, The Guardian 31 October 2006,
Daniel Snowman „The Hitler Emigrés“

Stolperstein Margarete Altmann

Stolperstein Margarete Altmann

HIER WOHNTE
MARGARETE
ALTMANN
GEB. LIPPMANN
JG. 1880
DEPORTIERT 3.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Hugo Altmann

Stolperstein Hugo Altmann

HIER WOHNTE
HUGO ALTMANN
JG. 1869
DEPORTIERT 17.3.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 22.10.1943

Hugo Altmann wurde am 11. Oktober 1869 in Rehden in Westpreußen geboren, Margarete Lippmann am 15. Januar 1880 in Posen, polnisch Poznan. Das Ehepaar wohnte nach der Eheschließung in Danzig, wo auch die beiden Söhne geboren wurden. Richard kam am 5. April 1907 auf die Welt, sein Bruder Ernst am 5. April 1912.

Hugo Altmann war im Berliner Adressbuch mit der Berufsbezeichnung „Möbelvertreter und Vereidigter Sachverständiger“ erstmals 1931 verzeichnet. Zunächst war die Adresse Uhlandstraße 182; im Jahr 1934 war die Uhlandstraße 188 angegeben und ab 1935 war die ständige Adresse Fasanenstraße 41. Die Familie Altmann wohnte dort im Gartenhaus im ersten Stock in einer 2 ½- Zimmerwohnung. Die Miete betrug damals 85 Reichsmark (RM).
Hugo Altmann war bei der Jüdischen Gemeinde ehrenamtlich als Sachverständiger bei den Möbelbauern beschäftigt. Für die Industrie und Handelskammern von Danzig und Berlin arbeitete er ebenfalls als Sachverständiger. Er selbst bezeichnete sich auch als Erfinder, als solcher erwarb er drei Reichspatente und weitere vier Reichspatente für Gebrauchsmuster.

Margarete Altmann dürfte wie die meisten Ehefrauen der damaligen Zeit den Haushalt geführt und sich um das Wohlergehen der Familie gekümmert haben. Der Sohn Richard hatte sehr früh erkannt, wohin der Nationalsozialismus führen würde, er emigrierte als 27-jähriger 1934 nach Palästina, wo er in Haifa lebte. Dort änderte er seinen Namen um in Richard Avigdon. Seinem Bruder Ernst gelang es 1939, ein Visum für Großbritannien zu erlangen. Er lebte bis zu seinem Tod 1958 mit Ehefrau und zwei Töchtern in Birmingham. In England nannte er sich Ernest Alder.

Die Eltern Hugo und Margarete Altmann mussten den gesamten demütigenden Prozess der Judendiskriminierung ohne ihre Kinder erleben. In die Zimmer ihrer Söhne wurden nach und nach jüdische Untermieterinnen einquartiert. Es waren nach Hugo Altmanns Angaben in seiner Vermögenserklärung Margarete Rosner, Frl. Rosemann und Susanne Tuch mit ihrer Tochter Marianne.

Margarete Altmann wurde zur Zwangsarbeit herangezogen. Für einen Hungerlohn von 19 RM musste sie bei der Firma „Elektrica“ in der Schöneberger Hauptstraße 49 arbeiten.

Am 28. Februar 1942 zählte sie in der Vermögenserklärung die verbliebenen Einrichtungsgegenstände auf; der Wert des Wohnungsinventars wurde auf 594 RM geschätzt. Nur wenige Tage danach holte die Gestapo sie ab. Hugo Altmann gelang es noch, ihr vor der Deportation am 3. März einige Kleidungsstücke zu bringen. Margarete Altmann wurde nach Auschwitz deportiert. Zu einem unbekannten Zeitpunkt, vermutlich aber kurz nach ihrer Ankunft, starb sie in einer der Gaskammern.

Hugo Altmann konnte nach dem Abschied von seiner Frau noch einen kurzen Gruß über das Rote Kreuz an seinen Sohn Ernst schicken. Aber schon am 17. März 1943 holte ihn die Gestapo aus der Wohnung und ließ ihn mit dem sogenannten 24. Alterstransport nach Theresienstadt verschleppen, wo er noch sieben Monate unter den menschenunwürdigen Bedingungen lebte. Er starb dort am 22. Oktober 1943.

Margarete und Hugo Altmanns ältester Sohn Richard wurde als Kriegsgefangener im Stalag Camp VIII Laurahütte südlich von Görlitz interniert, wo er am 11. März 1943 starb.

Der neue Mieter hat die Wohnung der Altmanns im September 1943 bezogen. Im November 1943 wurde das Haus bei einem Bombenangriff völlig zerstört.

Recherche und Text: Karin Sievert

Quellen:
Stolperstein Margarete Lüpschütz

Stolperstein Margarete Lüpschütz

HIER WOHNTE
MARGARETE
LÜPSCHÜTZ
JG. 1880
DEPORTIERT 17.5.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Margarete Lüpschütz wurde am 29. September 1880 in Berlin geboren. Der Name Lüpschütz weist auf eine Familie polnischer und deutscher Rabbiner hin.
Der Ur-Urgroßvater Gadelja, geboren 1782, der Urgroßvater Israel, der Großvater Moritz und der Großonkel Isidor waren alle Rabbiner.
Margaretes Großvater Moritz, ein Doktor der Philosophie, hatte mit seiner Frau Dorothee Isaacsohn sechs Kinder: Max, Margaretes Vater, wurde Kaufmann, Franziska war Kindergärtnerin, Felix, ein Theaterdirektor und Schauspieler, Oskar, ebenfalls Kaufmann, Anna Magdalena und Waldemar.
Oskars Sohn Alfons, ein Berliner Rechtsanwalt, emigrierte 1939 nach Frankreich und wurde am 14. August 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert.

Max Lüpschütz heiratete am 13. Oktober 1876 in Berlin Sara Baer. Der Name wurde manchmal auch Beehr oder Behr geschrieben. Im darauf folgenden Jahr, am 1. September 1877, wurde der Sohn Hans geboren. Drei Jahre später kam Margarete auf die Welt und am 25. August 1882 folgte Margaretes Schwester Gertrud. Die Familie wohnte in Kreuzberg, in der Reichenberger Straße 55.

Wie so häufig ist über den Werdegang der Mädchen in der Familie kaum etwas dokumentiert. Hat Margarete eine Ausbildung gemacht? Wie hat sie als nicht verheiratete Frau ihren Lebensunterhalt bestritten? Margarete und Gertrud haben offensichtlich lange Zeit zusammengewohnt. Sie hatten 1931 die gemeinsame Adresse Kaiserallee 19 (heute Bundesallee). Vielleicht hatten sie auch in der Fasanenstraße 41 eine gemeinsame Wohnung. In den Berliner Adressbüchern werden sie unter dieser Anschrift nicht erwähnt.

Kurz vor ihrer Deportation findet sich Margaretes Spur wieder. Sie musste in der Spandauer Firma Hugo Reinz, Brunsbütteler Damm 116, Zwangsarbeit leisten. Die Firma stellte Zubehör für den Flugzeug- und Kraftfahrzeugbau her. Es war sicherlich Schwerstarbeit, zudem war der lange Hin- und Rückweg von Wilmersdorf nach Spandau zu meistern. Auch wenn sie möglicherweise eine Genehmigung für die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln hatte, durfte sie als Jüdin keinen Sitzplatz benutzen.

Die Wohnung in der Fasanenstraße musste Margarete im Februar 1940 verlassen. Zusammen mit ihrer Schwester Gertrud wohnte sie bis zu ihrer Deportation in einem möblierten Zimmer für 35 RM Miete in der Regensburger Straße 13 bei der Rentnerin Mary Vertel. Ihren privaten Besitz hatte sie sicherlich schon vor dem Umzug verkaufen müssen. In der Vermögenserklärung hieß es „Inventar und Bewertung: Nichts vorhanden“.

Gertrud Lüpschütz wurde noch vor ihrer Schwester deportiert, am 5. September 1942 (wahrscheinlich aber schon am 31. August) trat sie mit dem 19. Osttransport nach Riga die Reise in den Tod an. Drei Tage später wurde sie dort ermordet.
Am 17. Mai 1943 wurde Margarete Lüpschütz in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo sie vermutlich sofort nach ihrer Ankunft in einer Gaskammer ums Leben gebracht wurde.

Recherche und Text: Karin Sievert

Quellen:

Der Bruder Hans Lüpschütz hat es in Berlin zu einiger Bekanntheit gebracht. Er war in den 1920er Jahren Direktor des Theater des Westens. Als Schauspieler war er in dem Fritz Lang-Film „Kämpfende Herzen“ zu sehen. Seine Stimme ist auf einigen Tondokumenten zu hören. Hans starb am 3. Juli 1942 in Berlin.

Stolperstein Grete Rosenzweig

Stolperstein Grete Rosenzweig

HIER WOHNTE
GRETE ROSENZWEIG
GEB. STAHL
JG. 1888
DEPORTIERT 27.11.1941
RIGA
ERMORDET 30.11.1941

Grete Rosenzweig, auch Gretchen oder Gretel genannt, wurde am 24. Januar 1888 in dem kleinen Städtchen Sommerhausen in der Nähe von Würzburg geboren. Ihr Vater Elias Stahl, geboren am 6. März 1847, war in Sommerhausen Eisenwarenhändler. Er heiratete am 29. November 1875 Babette Kahn, geboren am 18. September 1853. Diese brachte 13 Kinder zur Welt, neben der Tochter Gretchen ein totgeborenes Kind 7.10.1876, Zerline (Lina) Stahl, geb. 17.9.1877, Abraham Stahl, geb. 11.8.1878, Sara Stahl, geb. 3.8.1879, Lazarus Stahl, geb. 24.1.1881, Carl Stahl, geb. 14.9.1882, Mina Stahl, geb. 29.6.1884, David Stahl, geb. 27.7.1885, Emma Stahl geb. 5.1.1887, Justin Stahl, geb. 17.5.1890, Hedwig Stahl, geb. 14.3.1892 und Jettchen Stahl, geb. 25.1.1897.

In Sommerhausen gab es eine kleine jüdische Gemeinde, die sich auf wenige Familien verteilte. Man kannte einander und half sich gegenseitig. Als Babette Stahl starb, erhielt sie einen denkwürdigen Nachruf in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 2. April 1908:

bq. Sommerhausen, 12. März (1908). Heute wölbte sich der Grabeshügel über die irdischen Reste einer Frau, die sich durch ihre Frömmigkeit und Herzensgüte ein unvergängliches Denkmal im Herzen aller, die sie kannten, gesetzt hat. Frau Babette Stahl erreichte nur ein Alter von 54 Jahren und erfreute sich allgemeiner Verehrung und Wertschätzung, was sich bei der überaus großen Beteiligung an der Beisetzung zeigte. Die Herren Distriktsrabbiner Adler aus Kitzingen und Lehrer Goldstein aus Heidingsfeld gaben der allgemeinen Trauer beredten Ausdruck. Das Andenken der Frommen wird ein gesegnetes sein! Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens.

1933 lebten 21 Juden in Sommerhausen, 1941 waren es noch drei. Auch die Familie Stahl verlor viele Mitglieder ihrer Familie. Außer Grete und ihrer Tochter Hedwig wurden ihr Bruder Lazarus und seine Ehefrau Paula sowie der Bruder Karl in Auschwitz ermordet, Justin starb 1964 in New York und David war am 1. Juni 1918 bereits im Ersten Weltkrieg ums Leben gekommen. Für Lazarus Stahl wurde in Würzburg ein Stolperstein verlegt und seine Biografie veröffentlicht.
Grete Stahl lernte den am 6. Juli 1877 in Gladenbach in Hessen-Nassau geborenen Bankier Berthold Rosenzweig kennen. Sie heirateten und zogen nach Hanau, wo die beiden Töchter zur Welt kamen. Babette wurde am 28. November 1914 und Hedwig (Hede) am 9. September 1916 geboren.
Die Ehe von Grete und Berthold wurde zu einem nicht bekannten Zeitpunkt geschieden. Grete kehrte wieder in ihre Heimatstadt Sommerhausen zurück, es ist dokumentiert, dass sie am 8. Juli 1938 Sommerhausen in Richtung Berlin verließ.

Hedwig hatte im Dezember 1936 eine Wohnung in Leipzig, in der Thomasiusstraße 28. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt floh sie in die Niederlande und lebte in Amsterdam. Sie war verheiratet und hieß mit Nachnamen Korn. Über ihren Ehemann und dessen Schicksal ist nichts bekannt. In Amsterdam wurde sie festgenommen, in das Lager Westerbork verbracht, von dort am 8. Juni 1943 nach Sobibor deportiert und drei Tage später ermordet.

Babette gelang nach einem Wohnaufenthalt in Leipzig zunächst die Ausreise nach England, später lebte sie in New York, USA. Sie war ebenfalls verheiratet und hieß Babette Hirschfeld.

Von Grete Rosenzweig sind in Berlin in zwei Wohnungen bekannt, Fasanenstraße 41 und Mommsenstraße 55. Babette Hirschfeld erklärte 1957 in dem Entschädigungsantrag: „Meine Mutter, Frau Gretel Rosenzweig, geb. Stahl, fand Zuflucht vor der Verfolgung bei der Familie Bernstein, Berlin – Charlottenburg, Mommsenstraße 55.“ Vermutlich wohnte sie bei den Bernsteins zur Untermiete, nachdem sie ihre Wohnung in der Fasanenstraße zwangsweise verlassen musste.
Ihre letzte Unterkunft war gleichzeitig ihre Arbeitsstelle. Jeanette Borower, ebenfalls ein Jüdin, hatte sie als Wirtschafterin eingestellt. Diese war bis 1939 im Berliner Adressbuch als „Kauffrau“ eingetragen. Grete wohnte bei ihr in einem möblierten Zimmer in der Schönhauser Straße 9a und verdiente 50 RM monatlich. Sie hatte zu dem Zeitpunkt keinerlei persönlichen Besitz mehr, ihr Gesamtvermögen bestand kurz vor der Deportation aus 23,50 RM Bargeld in ihrem Portemonnaie.
Grete Rosenzweig wurde am 27. November 1941 aus der Wohnung Schönhauser Allee 9a abgeholt und vom Bahnhof Grunewald aus nach Riga deportiert.
Nach dreitägigem Transport wurden die Menschen dieses Transports in den Wald von Rumbula gebracht und sofort erschossen. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD zwangen die Opfer, sich trotz des eiskalten Wetters zu entkleiden. Sie wurden aus kurzer Distanz in ausgehobenen Gruben in den Hinterkopf geschossen. Lettische Polizeieinheiten waren bei diesem Massenmord beteiligt, dem insgesamt 27000 Juden zum Opfer fielen.

Gretes geschiedener Mann Berthold Rosenzweig wohnte zuletzt in Gelsenkirchen. Am 27. Januar 1942 wurde er nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Recherche und Text: Karin Sievert

Quellen:
  • Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945,
  • Berliner Adressbücher,
  • Akten des Entschädigungsamtes Berlin,
  • Statistik des Holocaust,
  • Akten des Brandenburgischen Landeshauptarchivs,
  • Yad Vashem Opferdatenbank
  • /www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_paten.php&opferid=422,
  • www.alemannia-judaica.de/sommerhausen_synagoge.htm,
  • Verwaltungsgemeinschaft Eibelstadt, Bayern,
  • Staatsarchiv Würzburg, Standesamtsregister,
  • German Special Interest Group of JewishGen, comp.Deutschland: Daten über 7’400 nordbayrische Juden [database on-line],
  • Peter W. Landé, comp. Deutschland: das Schicksal der Juden aus vielen Gemeinschaften in Westfalen, 1933-1942 [database on-line].
Stolperstein Sigmund Seligsberger

Stolperstein Sigmund Seligsberger

HIER WOHNTE
SIGMUND
SELIGSBERGER
JG. 1875
FLUCHT 1939 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 18.5.1943
SOBIBOR
ERMORDET 21.5.1943

Stolperstein Sarah Seligsberger

Stolperstein Sarah Seligsberger

HIER WOHNTE
SARAH
SELIGSBERGER
GEB. WOLFF
JG. 1885
FLUCHT 1939 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 18.5.1943
SOBIBOR
ERMORDET 21.5.1943

Sigmund Seligsberger wurde am 11. Februar 1875 in Würzburg geboren. Er absolviert Volks- und Realschule und Einjährig-Freiwilligen Militärdienst, lernt Möbelhandel im elterlichen Geschäft. 1914 meldet er sich freiwillig zum Militärdienst und leistet ihn bis 1918 als Unteroffizier und Offiziers-Stellvertreter, wofür er das Eiserne Kreuz verliehen bekommt. Mitten im Krieg heiratet er die zehn Jahre jüngere Sara Wolff, die Zahntechnikerin gelernt hat und in der Zahnarztpraxis ihres Bruders arbeitet. 1919 und 1920 kommen die beiden Söhne Ernst und Leo zur Welt. Leo ist behindert, das Ehepaar entschließt sich, ihn zur besseren Förderung in der renommierten therapeutischen Anstalt in Wien-Grinzing unterzubringen. Von hier soll er gegen den elterlichen Willen 1940 in die Heilanstalt Schönbrunn verlegt werden und 1941 Opfer der Euthanasie werden.

Die Stolpersteine wurden gelegt am 21. September 2013, von der Hausgemeinschaft gestiftet. Zum Verlegezeitpunkt war nicht bekannt, dass es in Würzburg bereits seit 2007 für die Familie Seligsberger Stolpersteine gab.
Im Mai 1938 zogen Sigmund und Sara Seligsberger nach Berlin und wurden von der Volkszählung im Mai 1939 als in Berlin lebende Bürger erfasst. Es war ein notgedrungen „freiwillig“ gewählter Wohnsitz, obwohl das Verlassen ihrer Heimat und ihres Besitzes in Würzburg ganz und gar nicht freiwillig war. Schon kurz nach der Machtergreifung Hitlers beginnen in Würzburg antisemitische Agitationen und Enteignungen, denen 1937 auch das national und international renommierte Einrichtungs- Möbel- und Antiquitätengeschäft der Seligsbergers zum Opfer fällt. Sie hoffen, in der Großstadt Berlin dem antisemitischen Druck zu entfliehen und ihre Auswanderung vorbereiten zu können, da hier alle Konsulate und Behörden konzentriert waren. Ihr großer Helfer ist dabei der holländische Konsul Erwin Respondek, Berliner Wirtschaftsberater und Anlaufstelle für jüdische Geschäftsleute, die ihren Besitz veräußern oder ins Ausland retten wollen, späterer Spion für die Amerikaner. (Auch das eine interessante Lebensgeschichte). Mit seiner Hilfe fliehen die Seligbergers 1939 nach Holland, wo sie Verwandte haben, die ebenfalls im Antiquitätengeschäft tätig sind. Dabei gelingt es ihnen, einen Teil ihres Besitzes im wohl größten und teuersten Speditionstransport aus dem damaligen Deutschland über die Grenze zu bringen. Die Firma war als früherer Königlich-Bayrischer Hoflieferant so bekannt, dass selbst die Nazis dies gestatten mussten, um nicht in Verruf zu kommen. Die Seligbergers wollten in die USA auswandern, sie wurden jedoch, zusammen mit ihrem Sohn Ernst, der schon länger als Physiotherapeut in Holland lebte, im KZ Herzogenbusch interniert, dann ins Lager Westerbork verlegt und am 18. Mai 1943 nach Sobibor deportiert und dort am 21. Mai 1943 ermordet.

Es gibt eine großartige Begleitpublikation zur Ausstellung „ Seligsberger, eine jüdische Familie und ihr Möbel- und Antiquitätenhaus“, die vom 23.Oktober 2015 bis 18. März 2016 im Johanna-Stahl-Zentrum und im Mainfränkischen Museum Würzburg stattfand. Da liest sich die Familiengeschichte von den Anfängen 1775 bis heute wie ein Kriminalroman. Die Nachkommen der Famlie leben heute in den Niederlanden, in Israel, den USA, Kanada und Deutschland.

Text: Marianne Gaehtgens
Quellen: www.bundesarchiv.de/gedenkbuch
Entschädigungsamt Berlin
Brandenburgisches Landeshauptarchiv
www.stolpersteine-würzburg.de
Seligsberger, eine jüdische Familie und ihr Möbel-u .Antiquitätenhaus
Begleitpublikation, Würzburg 2015
Herausgeb. Rotraud Ries, Nina Gaiser u.a.