Von Fryderyk und Johanna Horowitz wissen wir nur wenig. Es existiert eine Karteikarte. Jedenfalls war ihr letzter frei gewählter Wohnsitz in der Prinzregentenstrasse 1.
Fryderyk Horowitz ist am 26. Februar 1887 in Lemberg geboren, er war von Beruf Bankprokurist und ließ sich amtlich auch mit dem deutschen Vornamen Friedrich führen. 1940 und 1941 war er, obwohl erst 53 Jahre alt, mit dem Zusatz „a.D.“ eingetragen. Johanna Irene Horowitz ist am 12. Oktober 1891 in Berlin geboren, sie hieß mit Mädchennamen Hartmann.
Zur der Zeit, als sie deportiert werden sollten, hielten sie sich in der Iranischen Straße 2 im Jüdischen Krankenhaus auf. Offenbar waren sie krank, denn es ist bekannt, dass alle liegenden Kranken aus der Iranischen Straße am 16. Juni 1943 zum Bahnhof Grunewald transportiert und in einem Zug der Reichsbahn nach Theresienstadt deportiert wurden. Es waren 443 Menschen, wie aus der Deportationsliste der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) vom 18.6.1943 hervorgeht, darunter Fryderyk und Johanna Horowitz. „Deren Vermögen … ist nicht verfallen, sondern im Rahmen der Abschiebung durch Einziehung auf das Deutsche Reich übergegangen“, hieß es im grausamen Amtsdeutsch in diesem Vermerk. Nach einiger Zeit, am 18. Dezember 1943, sind sie dann aus dem Ghetto Theresienstadt nach Auschwitz weitertransportiert worden, wo sie in der Gaskammer getötet wurden.
Rudolf, Lilly und Paul Holz haben wohl nicht lange in der Prinzregentenstraße 1 gewohnt. Irgendwann zwischen 1933 und 1939 kam die Familie aus München nach Berlin. Von Rudolf Holz, geboren am 30. November 1889 in Berlin, wissen wir nur, dass er Abitur hatte und Kaufmann war. Lilly ist am 26. November 1889 in München geboren, wo am 10. Juni 1933 auch der Sohn Paul zur Welt kam.
Am 17.5.1939 waren sie in der Prinzregentenstraße 1 gemeldet bei Johanna Holz, die 1864 geboren ist, vermutlich die Mutter von Rudolf Holz. Sie war bis 1940 im Adressbuch eingetragen. Soviel bekannt ist, gelang es ihr, nach Uruguay zu flüchten. Danach musste die junge Familie aus dieser Wohnung ausziehen und fand Unterschlupf in einem möblierten Zimmer in der Nürnberger Straße 66 bei Dübecke für 69 Reichsmark Miete.
Um diese Zeit war Lilly Holz Zwangsarbeiterin bei der Firma Kurt Seidel in der Bülowstraße, wo Militärausrüstungen hergestellt wurden – ein besonders verwerflicher Auftrag, da sie die sozusagen die Uniformen für ihre Mörder nähen musste. Rudolf Holz wurde eingeteilt, bei der Reichsbahn am Görlitzer Bahnhof Zwangsarbeit zu leisten – ebenfalls eine schwer erträgliche Tätigkeit, die den Kriegstransporten diente.
Die Familie Holz mit dem noch nicht einmal zehnjährigen Jungen Paul musste sich am 9.1.1943 im Jüdischen Altersheim Gerlachstraße melden. Dort hatte die Gestapo eine Sammelstelle für diejenigen eingerichtet, die deportiert werden sollten. Die Gerlachstraße gibt es heute nicht mehr, sie verlief etwa von der Karl-Marx-Allee bis zur Mollstraße. Dort mussten sie ihre Vermögenserklärungen ausfüllen, in denen sie allerdings keine Werte angaben. Absurderweise wurde sogar für Paul eine Vermögenserklärung verlangt, die von Rudolf „als Vater“ unterschrieben war. Das 16seitige Formular war natürlich leer, trotzdem stellten die Finanzbehörden eine Verfügung aus, Pauls Vermögen sei „eingezogen“ worden.
Am 28. Januar 1943 wurden die drei zum Anhalter Bahnhof gebracht und in einen von zwei Waggons gesteckt, der sie mit 100 Menschen nach Theresienstadt brachte, unter ihnen Leo Baeck, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde und Vorsitzender der Reichsvereinigung der Juden. Von Theresienstadt wurden sie am 28. September und am 4. Oktober 1944 nach Auschwitz weitertransportiert. Rudolf Holz, seine Frau Lilly, 39, und der elfjährige Paul sind dort vergast worden.
Das Zimmer der Familie Holz war am 31.5.1943 geräumt worden. Die Beamten notierten, was sie vorfanden: einen runden Tisch mit fünf Stühlen, einen Geschirrschrank, neun Bilderrahmen, einen „Posten schmutzige Wäsche“, der mit 5 RM bewertet wurde und „1 Kiste mit Lumpen“, für die sie 1 RM veranschlagten.
An dieser Liste wird die grausame Routine sichtbar, mit der deutsche Behörden die Schicksale der deportierten Juden behandelten.
Recherche: Irene Bindel, Text: Helmut Lölhöffel