Stolperstein Nassauische Str. 32

Hauseingang Nassauische Str. 32, Foto: J. Held, 6.8.13

Hauseingang Nassauische Str. 32, Foto: J. Held, 6.8.13

Der Stolperstein wurde am 9.4.2013 in Anwesenheit zahlreicher Hausbewohner/innen verlegt.

Stolperstein Richard Bernstein, Foto: F. Siebold, April 2013

Stolperstein Richard Bernstein, Foto: F. Siebold, April 2013

HIER WOHNTE
RICHARD BERNSTEIN
JG. 1888
DEPORTIERT 2.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Richard Bernstein wurde am 19. August 1888 geboren. Ausweislich des Berliner Adressbuchs wohnte er seit 1926 in der Nassauischen Str. 32. Als Beruf wird Kaufmann angegeben. Er war offenbar Hausverwalter von drei Gebäuden in Berlin in der Michaelkirchstraße 30, der Köpenicker Straße 193 und der Linkstraße 30 sowie Alleineigentümer des Grundstücks Eichendorffstraße. 21, welches später – in der Aktensprache – „dem Reich verfallen ist“, eine euphemistische Bezeichnung des Raubtatbestandes.

Die drei zuerst genannten Grundstücke waren schon Anfang der 1930er Jahre in einer Zwangsversteigerung von dem englischen Ingenieur Leslie Kerby, Johannesburg, Südafrika, erworben worden, der dann die neue Verwalterin Edith Ahlgrimm einsetzte. Herr Kerby verfügte, dass aus den Erträgen der Grundstücke eine unentgeltliche Zuwendung an Emil Israel Neumann, Berlin W50, Prager Str. 5 ausgezahlt werden soll. Für die Annahme des Geldes musste Herr Neumann gegenüber dem Oberfinanzpräsidenten eine Erklärung abgeben, dass das Geld nur zum eigenen Verbrauch und nicht als Zahlung an irgendjemanden zugunsten des Schenkers verwendet werden soll.

Richard Bernstein wohnte zunächst zusammen mit seiner Ehefrau Gertrud Schön. Die Ehe wurde geschieden und es ist zu vermuten, dass die Scheidung des jüdischen Ehemannes (so wurden sie von den Nazis eingeteilt) von seiner arischen Ehefrau zu deren Schutz erfolgte. Bernstein lebte seit dem 1.2.1942 in der Meinekestraße 22, also etwa ein Jahr lang bis zu seiner Deportation.

In seiner Vermögenserklärung vom 27.2.1943 – wenige Tage vor seiner Deportation – machte er folgende Angaben: Hilfsschlosser, deutscher Staatsangehöriger, geschieden, Ehefrau Gertrud schön, arisch, wohnhaft Nassauische Str. 32, Bargeldbestand: 40,- RM, evakuiert nach Meinekestr. 22 seit 1.2.42, Untermieter bei Baum in einem Leerzimmer, Miete bezahlt bis 28/II 43, alle Einrichtungsgegenstände leihweise von seiner geschiedenen arischen Ehefrau erhalten. Die Vermögenserklärung ist von ihm unterzeichnet und enthält den Zusatz: Jude, Kennkarte Berlin A 44 1279.

Mit Verfügung v. 1.2.1943 war das gesamte Vermögen Richard Bernsteins eingezogen worden. Diese Verfügung wurde ihm am 27.2.1943, also am Tag der Abgabe der Vermögenserklärung, zugestellt. Am 2.3.1943 wurde Richard Bernstein wurde in einem mit 1650 Menschen überfüllten Zug nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Dem Berliner Adressbuch ist zu entnehmen, dass Gertrud Schön zumindest bis 1943 in der Nassauischen Str. 32 lebte, denn darin wurde immer noch, wie offenbar damals üblich, der männliche Haushaltsvorstand R. Bernstein aufgeführt. Das Schicksal seiner Ehefrau ließ sich bislang nicht eindeutig klären. Recherchiert werden konnte lediglich, dass ausweislich des Grundbuchs Gertrud Schön und deren vermutliche Schwester, Margarete Tag, Eigentümerinnen des Grundstücks Wörther Straße 16 waren. Für dieses Grundstück wurde ein „Abwesenheitspfleger“ eingesetzt. Aus einem Schreiben mit dem Betreff „Abschiebung Margarete Tag, geb. Schön u. Gertrud Schön“ ist nicht zu entnehmen, warum und wohin sie „abgeschoben“ worden sein könnten.

Recherchen und Text: Annemarie und Rainer Morsch