HIER WOHNTE
ILSE JOHANNA
TENNENBAUM
GEB. FABIAN
JG. 1902
FLUCHT 1938
ENGLAND
Ilse Johanna Tennenbaum, geb. Fabian, kommt am 5. November 1902 in Berlin als Tochter von Emma Fabian, geb. Lewin (am 8. Mai 1870 in Krone an der Brahe, heute Koronowo), und Isidor Fabian, geb. am 22. Mai 1865 in Schrotz (heute Skrzatusz), zur Welt. Ilses Bruder Fritz wird am 25. Oktober 1905 ebenfalls in Berlin geboren. Die Familie lebt am Schleswiger Ufer 6a.
1912 trifft die Familie ein schwerer Schicksalsschlag: Isidor stirbt mit 47 Jahren und Emma ist mit ihren beiden Kindern allein auf sich gestellt. Sie entschließt sich, die Unterstützung einer jüdischen Hilfeeinrichtung – des “Baruch Auerbach´schen Waisenhauses” – in Anspruch zu nehmen. Dort können beide Kinder später auch einen Beruf erlernen: Ilse wird Sektretärin und Fritz Handwerker. Da Ilse die klassische Musik über alles liebt und musisch sehr begabt ist, lässt sie sich trotz prekärer finanzieller Verhältnisse zur klassischen Sängerin ausbilden.
Im Januar 1924 heiratet sie den am 13. August 1890 in Lodz (Polen) geborenen Michael Tennenbaum. Seine Eltern sind Salomon (Szlama), *1851 geboren in Czestochowa, und Anna (Chana), *1858, geb. Gottheimer in Sieradz. Michael ist studierter Chemiker und spricht mehrere Sprachen. In Berlin ist er als pharmazeutischer Berater tätig und erforscht und entwickelt Medikamente zur Behandlung psychischer Erkrankungen. Am 1. Juli 1931 kommt Tochter Steffa zur Welt. Die Familie wohnte damals in der Bamberger Straße 52. Als assimilierte Juden fühlen sie sich der deutschen Kultur eng verbunden. So wird bei ihnen zuhause – wie sich Steffa erinnert – im Dezember weder Weihnachten noch Chanukka, sondern “Weihnukka” gefeiert. Dass sie Juden sind, erfährt Steffa erst, als sie und ihre Mutter antisemitische Anfeindungen erleben.
Nach der Machtübernahme der Nazis emigriert Michael Tennenbaum im November 1933 umgehend nach England. Frau Ilse und Tochter Steffa folgen ihm 1938. Großmutter Emma, zu krank für die Flucht, und ihr Sohn Fritz bleiben in Berlin zurück.
Für Ilse, Michael und Steffa ist das Leben im englischen Exil sehr schwer. Als Flüchtling darf Michael nur noch als Apotheken-Aushilfe arbeiten. Er leidet sehr darunter, dass er nicht in seinen Beruf zurückkehren kann. Ilse verdient ein wenig als Handelsvertreterin für Frauenbekleidung. Dies bedeutet, viele Stunden am Tag zu Fuß unterwegs zu sein und schwere Musterkoffer tragen zu müssen. Als Ilse 1944 schwer an Krebs erkrankt, übernimmt Michael ihre Arbeit. Ilse ist es nicht vergönnt, ihren Traum, Sängerin zu werden, zu verwirklichen. Sie stirbt nur wenige Tage nach der Befreiung am 22. Mai 1945 im Exil in Liverpool.
Die 13-jährige Steffa, nun allein mit ihrem schwer arbeitenden und chronisch kranken Vater, schafft es, ihren Weg zu gehen: Nach Gymnasium und Studium (Französisch, Kunst und klassische Gitarre) heiratet sie, gründet eine Familie und geht mit ihr 1957 nach Israel. Steffa Reis wird eine international anerkannte Künstlerin, die die Liebe der Mutter zur klassischen Musik selbst in sich trägt und in ihrer Kunst weiterleben lässt.
Biografische Zusammenstellung: Margit Nowak und Ilona Zeuch-Wiese, zusammengestellt durch die Koordinierungsstelle Stolpersteine des Museums Tempelhof-Schöneberg