HIER WOHNTE
MARTIN BORCHARDT
JG.1884
DEPORTIERT 2.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
Der Stolperstein für Martin Borchardt wurde von Ulrich Renz, Ehemann von Petra Düring-Renz, der Enkelin von Martin Borchardt, gestiftet.
Martin Borchardt wurde am 24. August 1884 in Rummelsburg in Pommern geboren, als Sohn des Mühlenbesitzers Moses Borchardt und seiner Frau Clara.
Nach der Schulzeit absolvierte Martin Borchardt eine kaufmännische Ausbildung in der Metall- und Hüttenbranche, die er aber nach Abschluss seiner Ausbildung verließ. Seine erste berufliche Anstellung erhielt er als Bildredakteur der Berliner Illustrations-Gesellschaft, die damals eine beherrschende Stellung als Bilderdienst einnahm. Nach dem Kriegsdienst trat er dann in die Filmindustrie ein, in der er als Filmkaufmann unter anderem bei der 20th Century Fox Corp. arbeitete.
1912 heiratete er, inzwischen 28 Jahre alt, Elsa Lendzian aus Thorn in Westpreußen. Aus dieser Ehe ging Sohn Helmut hervor. Die Familie Borchardt lebte in Charlottenburg in der Nähe des Lietzensees in der Neuen Kantstraße 4.
Im Ersten Weltkrieg wurde Martin Borchardt zur Infanterie eingezogen. Für seine Beteiligung an diesem Krieg wurde er noch 1934 „Im Namen des Führers und Reichskanzlers“ mit dem „Ehrenkreuz für Frontkämpfer“ ausgezeichnet.
In der Zeit der Weimarer Republik, unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, hatte die Filmindustrie einen Aufschwung genommen. Martin Borchardt, der seit 1919 im Filmverleih der Deulig (Deutsche Lichtbild Gesellschaft) tätig gewesen war, wechselte 1922 zur Defa (Deutsche Vereins Film, Deutsche Fox). Gemeinsam mit dem Generaldirektor Julius Außenberg, der für die Deutsche Fox 1923 die Defa übernommen hatte, führte er den Filmverleih.
In einer Würdigung seines 10-jährigen Jubiläums in der Filmbranche schrieb das Reichsfilmblatt am 2. März 1929: „Das Geheimnis seines unbestreitbaren großen Erfolges liegt darin, daß Martin Borchardt als einer der allerersten die richtige Bedeutung des Wortes „Dienst am Kunden“ nicht nur erfaßt, sondern auch in die Praxis umgesetzt hat. Er sucht nicht nur das Geschäft, er ist mit allen Mitteln bestrebt, seinen Kunden zu helfen, so daß auch ihr Geschäft blüht und gedeiht.“ In mehreren Artikeln zu Borchardts Jubiläum wurde hervorgehoben, dass er ein Mann des Ausgleichs sei, der sich den Respekt aller Beteiligten in der Filmindustrie erworben habe und trotzdem bescheiden geblieben sei.
Mit der Scheidung von seiner protestantischen Frau 1941 verlor Martin Borchardt seinen Status als „privilegierter“ Jude, wie es in der Amtssprache der Nazis hieß. In der Folgezeit wurde er zum Lokomotivbau zwangsverpflichtet, bevor er im Zuge der „Fabrikaktion“ am 27. Februar 1943 von der Gestapo aus der Fabrik in das Sammellager Levetzowstraße gebracht wurde. Martin Borchardt wurde über den Güterbahnhof Moabit nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
In der Vermögenserklärung, die vor seiner Deportation unter Zwang ausgefüllt und von ihm am 28. Februar 1943 unterschrieben wurde, war auf dem Schätzungsblatt gesondert vermerkt: „Borchardt ist geschieden seit 2 Jahren. Die Gegenstände sollen der Ehefrau, Frau Hanke, Dahlmannstraße 15, zugesprochen sein. Letztere ist arisch und wieder verheiratet.“
Martin Borchardt wurde am 2. März 1943 mit dem dritten Großtransport nach der „Fabrikaktion“ zusammen mit 1756 Männern, Frauen und Kindern nach Auschwitz transportiert. Von ihnen wurden 535 Männer und 45 Frauen als Häftlinge in das Lager eingewiesen. Die übrigen Menschen wurden zu den Gaskammern gebracht.
Quellen: Dokumentation von Ulrich Lenz, Ein deutsches Leben, Tribüne – Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, Heft 150; Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam; Gottwaldt/Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945. Wiesbaden 2005
Recherche und Text: Frank Siebold