Stolpersteine Zähringerstraße 25

Hauseingang Zähringer Str. 25, 2014

Hauseingang Zähringer Str. 25, 2014

Der Stolperstein für Juliane Kirstein wurde am 24.07.2012 verlegt und von Sigrun Marks gespendet.

Der Stolperstein für Gertrud Hoffmann wurde am 23.3.2014 verlegt. Er wurde gespendet von der Großnichte Sue Arns und ihrem Mann Eckart Aaron Arns, die bei der Verlegung auch anwesend waren.

Stolperstein Juliane Kirstein, 25.08.2012

Stolperstein Juliane Kirstein, 25.08.2012

HIER WOHNTE
JULIANE KIRSTEIN
GEB. LOEWI
JG. 1876
DEPORTIERT 15.8.1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942

Juliane Kirstein , geb. Loewi, geboren am 30. April 1876 in Königsberg (Ostpreußen), wuchs in einer assimilierten, weltlichen, gut situierten großbürgerlichen Familie mit vier älteren Brüdern auf.

Ihr Vater war Joseph Moritz Loewi (geboren 1823, gestorben 1902 in Berlin, beigesetzt in Weißensee), ihre Mutter Babette Hermine Loewi Herwi, geb. Rosenfeld, geboren 1843 in Berlin. Sie heiratete 1863, zog nach Königsberg, wo sie fünf Kinder gebar (Juliane war das Jüngste) und zog mit ihrem Mann 1895 zurück nach Berlin in die Luitpoldstraße 11 in Schöneberg. Sie war Schriftstellerin und im Vorstand der Deutschen Frauenschaft. Sie starb 1910 und wurde neben ihrem Mann in Weißensee begraben.

Die Loewi-Familie war verankert in der deutschen Kultur und pflegte das gesellschaftliche Leben. Klassische Musik, Theater und Literatur spielten eine große Rolle. Das Jüdische war der Loewi Familie völlig fremd. Durch die Rassegesetze des Nationalsozialismus wurden sie wie so viele andere assimilierte Familien zu Juden gemacht und aus der Gesellschaft ausgegrenzt.

Seit 1925 wohnte Juliane Kirstein in der Bamberger Straße 40 in der 3. Etage, von 1936 an lebte sie in der Zähringerstraße 25, zusammen mit ihrem Mann, dem am 24. Juni 1869 in Berlin geborenen Schriftsteller Paul Adolph Kirstein. Im Antiquariat sind noch diverse Schriften von ihm zu finden: „Sturm im Land – Der Roman einer zerrütteten Zeit“ (Mosse Verlag), “ Die kleinen Götzen“ (Roman, 1908), „Sein Junge“ (1912), „Der Griff in den Himmel“ (Kronen Verlag, 1917), „Eifersucht“ (Helikon Verlag), „Die Wanderer“ (Mosse Verlag, 1925). Paul Adolph Kirstein starb am 22. August 1940 in Berlin und ist ebenfalls auf dem Friedhof in Weißensee begraben.

Der älteste Bruder von Juliane Kirstein war Ernst Loewi, 1864 in Königsberg (Ostpreußen) geboren. Er war Baumwollfabrikant in Berlin und verheiratet mit Claire Holz. Sie hatten zwei Töchter, Anita und Erna, und lebten gut situiert in Charlottenburg in der Meinekestraße 4. Anita heiratete 1921 Erich Paul Zander und wanderte mit ihm und dem elfjährigen Sohn Peter im Oktober 1933 nach England aus. Erna heiratete im Februar 1942 Martin Ruben, der zusammen mit seiner Schwester Hedwig in der Dahlmannstraße 10 in Charlottenburg wohnte. Erna und Martin Ruben wurden am 2.3.1943 nach Auschwitz deportiert, Hedwig Ruben flüchtete im Mai 1942 in den Tod.
Ernst Loewi starb 1928 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee begraben. Neben seinem Grab war noch eine Grabstelle frei, vermutlich für seine Frau Claire Loewi. Anita Zander gelang es, ihre Mutter Claire Loewi 1939 nach England zu holen, wo sie 1941/1942 in Welwyn Garden City starb und beigesetzt wurde.

Ein anderer Bruder von Juliane Kirstein war Hans Anton Loewi, geboren 1867 in Königsberg (Ostpreußen), zuletzt wohnhaft in der Landshuter Straße 37. Er war Cellist in einem Amateurorchester, arbeitete an der Londoner Börse und nahm die britische Staatsangehörigkeit an. Von ihm ist die Redewendung überliefert: „Bei uns in England ist es Sitte …“. Er kehrte dann jedoch nach Berlin zurück. Als er 1939 starb, wurde seine Asche im Grab seines Vaters in Weißensee beerdigt, allerdings ohne Hinweis. Erst 2005 hat sein Großneffe Peter Zander die Inschrift anbringen lassen: “Onkel Hans musste unbenannt bleiben, als er 1939 hier beerdigt wurde.“

Der dritte Bruder von Juliane Kirstein, Otto Loewi, war durch seine nichtjüdische Ehefrau Lotte geschützt. Beide überlebten in einer sogenannten Judenwohnung. Sie mussten mit ansehen, wie aus ihr mehrere Juden deportiert wurden. Sein Großneffe Peter Zander erinnerte sich an ihn als stattlichen Mann mit Schnurrbart und sah ihn nach dem Zweiten Weltkrieg als gebrochenen, kranken Mann in einer kaputten Wohnung mit nur zwei bewohnbaren Zimmern wieder. Otto Loewi starb 1948 in Berlin, seine Frau Lotte in den 1970er Jahren. Über einen weiteren Bruder von Juliane Kirstein gibt es kaum Informationen.

Über Juliane Kirstein sind im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam, wo die Vermögensakten vieler Deportierter lagern, keine Unterlagen vorhanden. Sie wurde im Alter von 66 Jahren am 15. August 1942 aus der Zähringerstraße 25 offenbar sofort, ohne den Umweg über ein Sammellager, zum Güterbahnhof Moabit verschleppt, wo sie mit rund 1000 Menschen, darunter 57 Kindern unter zehn Jahren, in einen Zug gepfercht und nach Riga deportiert wurde. Sämtliche Insassen des Zuges wurden dort gleich nach der Ankunft am 18. August 1942 erschossen und in Massengräber geworfen. Nur ihre Kleidungsstücke gelangten noch ins Ghetto von Riga.

Recherchiert auf Wunsch des in London lebenden 90jährigen Großneffen Peter Zander mit Unterstützung durch eine in Berlin lebende entfernte Angehörige der Loewi-Familie.
Recherche und Text: Sigrun Marks

Stolperstein Gertrud Hoffmann, 2014

Stolperstein Gertrud Hoffmann, 2014

HIER WOHNTE
GERTRUD HOFFMANN
GEB. ARONHOLD
JG.1887
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 8.5.1942
CHELNMO / KULMHOF

Gertrud Hoffmann geb. Aronhold wurde am 7. Juli 1887 in Berlin geboren. Sie hatte drei Geschwister: Elise (geboren am 1. März 1870, verheiratet mit Max Moeser, ermordet in Theresienstadt am 15. April 1943), Martin (geboren am 1. März 1871, gestorben am 11. März 1947 in Berlin, beerdigt in Weißensee) und Richard (geboren am 21. Januar 1878, ermordet am 9. April 1942 in Lodz).

Ihren ersten Mann Lucian Bernhard, damals noch Emil Kahn, heiratete Gertrud 1905 in Berlin, eine Tochter Ruth wurde 1905 geboren, 1909 ließen sie sich scheiden. Gertrud heiratete wieder, aus ihrer zweiten Ehe mit Valentin Hoffmann ging die Tochter Esther Mildred hervor. Ruth folgte bereits in den 1920er Jahren ihrem Vater Lucian Bernhard in die USA und Esther Mildred konnte in den späten 1930er Jahren aus Deutschland flüchten. 1939 war Gertrud Hoffmann als Witwe im Adressbuch eingetragen, sie wohnte weiter in der Zähringerstraße 25 in Charlottenburg.

In diesem Haus lebten zu der Zeit 14 jüdische Männer und Frauen. Eine von ihnen, Ella Heimann, geboren am 19. Dezember 1898 in Greifswald, beging am 5. März 1943 Selbstmord, nachdem alle anderen 13 verschleppt worden waren. Sie war bei Gertrud Hoffmann Untermieterin gewesen.

Bevor sich Gertrud Hoffmann in der Sammelstelle in der Levetzowstraße 7-8, einer fast unzerstörten Synagoge, zur Deportation registrieren musste, zog sie noch zwangsweise nach Wilmersdorf in die Ludwigkirchstraße 11a um. Sie wurde am 18. Oktober 1941 in einer langen Kolonne mit etwa 1000 Menschen durch teilweise dicht bewohnte Stadtgebiete sieben Kilometer weit zu Fuß mit kleinem Gepäck zum Bahnhof Grunewald getrieben. Vom Gleis 17, das heute ein Mahnmal ist, wurde sie mit dem allerersten von Berlin abgehenden Deportationszug nach Lodz gefahren, das damals von den Nationalsozialisten besetzt und in Litzmannstadt umbenannt worden war. Sie musste sich in das dortige Ghetto drängen und wurde am 8. Mai 1942 ins etwa 60 Kilometer entfernte Chelmno gebracht, wo sie ermordet worden ist.

Ruth Bernhard wurde eine bekannte Fotografiekünstlerin in den USA, sie starb 2006. Esther Mildred Hoffmann (Geburtsdatum unbekannt) emigrierte Ende der 1930er Jahre nach Glendale in Kalifornien und starb in Tennessee. Sie stand mit ihrer Halbschwester Ruth ihr Leben lang in Kontakt.

Einer der Brüder, Richard Aronhold, war verheiratet mit Margarete Aronhold geb. Stransky, die beiden hatten eine Tochter, Doris Ingeborg.

Text: Helmut Lölhöffel mit Informationen von Sue Arns, der Tochter von Doris Ingeborg Blumenthal geb. Aronhold

Zur Familiengeschichte finden Sie hier mehr.