HIER WOHNTE
PAULA ELKAN
GEB. LATO
JG. 1870
DEPORTIERT 10.9.1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET 16.5.1944
Paula Elkan , geb. Lato, hieß mit Vornamen eigentlich nicht Paula, sondern Raula, hatte sich aber vermutlich schon früh daran gewöhnen müssen, dass ihr Name in Deutschland – etwa bei Behörden oder im Adressbuch – immer wieder falsch geschrieben wurde. Sie war am 11. Mai 1870 in Warschau geboren. 1895 heiratete sie den Kaufmann Ludwig Elkan, vermutlich kam sie mit ihrem Ehemann nach Berlin. 1896 bekamen sie eine Tochter Klara, 1897 den Sohn Friedrich. 1903 kam ein weiterer Bruder Karl Herbert zur Welt.
Ludwig Elkan hatte eine Gummiwarenfabrik in der Linienstrasse. 1902 zog er in die Herderstrasse 6, sieben Jahre später wechselte er in eine 4-Zimmer-Wohnung in das Nebenhaus, die Nr. 5. Im März 1930 starb er und hinterließ seine Frau Raula und die drei erwachsenen Kinder. Karla, inzwischen verheiratete Epstein, erlag 1935 einer Krankheit. Friedrich hatte Jura studiert und war Syndikus. Er verließ nach 1933 Berlin und emigrierte nach England. Karl Herbert war ein erfolgreicher Musiker und Jazz-Geiger geworden, er wohnte weiterhin in der Herderstrasse 5, vielleicht in einer eigenen Wohnung, und ließ sich im Adressbuch als Charlie Elkan, Kapellmeister, eintragen. Nachdem ihm der Ausschluss aller Juden aus der Reichskulturkammer – die Mitgliedschaft hatte Goebbels vorgeschrieben – die weitere Ausübung seines Berufes unmöglich machte, entschloss auch er sich 1938 zur Flucht. Er wanderte nach Hongkong aus, wurde nach Kriegsbeginn interniert, später im Ghetto Shanghai
festgehalten und konnte erst 1947 in die USA weiterreisen. Eine Wiederaufnahme seiner Musikerkarriere gelang ihm nicht mehr.
Raula Elkan blieb in der Herderstrasse zurück und war allen weiteren Einschränkungen und Schikanen für Juden ausgesetzt. Dazu gehörten etwa die Abgabe aller Schmuckstücke im Februar 1939, Ausgangssperren und Beschlagnahme von Radiogeräten im gleichen Jahr, Einschränkung der Lebensmittelversorgung, Kündigung des Telefons, Tragen des Judensterns (ab September 1941), entschädigungslose Ablieferung von Pelzen und allen elektrischen Geräten, und etliches mehr.
Am 9. September 1942 wurde Raula Elkan abgeholt. Die Gestapo beschlagnahmte, was von der einst gediegenen Wohnungseinrichtung übrig war, einschließlich des Flügels, eines Klaviers und weiterer Instrumente ihres Sohnes. Die 72-Jährige wurde in das zum Sammellager umfunktionierte jüdische Altersheim in der Großen Hamburger Strasse 26 gebracht und tags darauf mit weiteren 99 Menschen nach Theresienstadt deportiert. Nach über 1½ Jahren, am 16. Mai 1944, wurde sie, diesmal zusammen mit 2 500 Personen, von Theresienstadt nach Auschwitz verschleppt. Sie gehörten zu den rund 7 500, die im Mai 1944 in drei „Transporten“ aus Theresienstadt weggebracht wurden, weil am 23. Juni eine internationale Kommission angekündigt war und die Wohnungen nicht so beengt aussehen sollten.
Lediglich 34 der am 16. Mai Deportierten überlebten, Raula Elkan gehörte nicht dazu. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.
Quellen:
Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Akten des Landesentschädigungsamtes Berlin; Berliner Adressbücher, Gottwald/Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-45, Wiesbaden 2005