Dr. Christine Ehrhardt, Bewohnerin des Hauses Fredericiastraße 8, hielt zur Verlegung der beiden Stolpersteine diese Ansprache:
p(. „Wir sind heute hier zusammengekommen, um Julius und Pauline Netheim zu gedenken, die in unserem Haus gelebt haben. Ein Ehepaar, das sich bestimmt darauf gefreut hat, den Lebensabend in diesem schönen, damals recht neu gebauten Haus zu verbringen. Doch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft entriss die Netheims diesem Haus. Im September 1942, als sie 66 und 68 Jahre alt waren, wurden sie deportiert und später ermordet.
p(. Mit den heute gesetzten Stolpersteinen holen wir die Verfolgten zurück in die Hausgemeinschaft. Ihre Namen, Julius und Pauline Netheim, sind nicht vergessen.
p(. Jeden Tag werden wir nun diese beiden Steine mit ihren Namen passieren. Wir werden nachschauen, ob die Steine noch da sind, ob sie nicht von Blättern bedeckt sind. Wir werden sie putzen, damit die Worte immer gut zu lesen sind. Dazu werden wir so manches Mal den Blick senken, den Nacken beugen, ja uns verbeugen, niederknien, um ein paar Blumen hinzulegen.
p(. Beim Hinausgehen aus dem Haus, beim Wieder-Hineingehen nehmen wir sie mit auf unseren Weg und damit hinein in unser Leben.“
Sabine Schulz, ebenfalls Bewohnerin der Fredericiastr. 8, erinnert sich:
p(. Als ich im Juli 1977 meine Wohnung im Gartenhaus bezog, kam ich in Kontakt mit meinem Nachbarn, Herrn Kliffmüller. Er war Witwer und bereits über 80 Jahre alt. Ich besuchte ihn häufig, da er die Wohnung schon bald nicht mehr verließ; er konnte nicht mehr gut laufen.
p(. Das Ehepaar Kliffmüller war ca. 1935 von Frankfurt nach Berlin gezogen und wohnte im Gartenhaus der Fredericiastraße 8. Schnell freundeten sich die Ehepaare Kliffmüller und Netheim an. Auch als der strenge Blockwart den Mitbewohnern den Umgang mit den „Juden“ verbot, schlichen Kliffmüllers abends im Dunkeln durchs Treppenhaus zu den Netheims. „Wir saßen mit den ‘alten Leutchen‘ im Dunkeln zusammen und unterhielten uns leise“, berichtete mir Herr Kliffmüller.
p(. Ein Keller im Gartenhaus war zu einem Schutzkeller vor den Bomben hergerichtet worden. Diesen Keller durften die Netheims nicht benutzen. Der Blockwart kontrollierte regelmäßig.
p(. Als Herr Kliffmüller eines Tages im September 1942 von der Arbeit nach Hause kam, waren die Netheims nicht mehr da.