Stolpersteine Fredericiastr. 8

Hauseingang Fredericiastr. 8, Foto: C. Timper

Hauseingang Fredericiastr. 8, Foto: C. Timper

Diese Stolpersteine wurden gespendet von der Gemeinschaft der Bewohner/innen der Fredericiastraße 8 und am 24.7.2012 verlegt.

Stolperstein Julius Netheim, Foto: C. Timper

Stolperstein Julius Netheim, Foto: C. Timper

HIER WOHNTE
JULIUS NETHEIM
JG.1876
DEPORTIERT 21.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 12.5.1943

Stolperstein Pauline Paula Netheim, Foto: C. Timper

Stolperstein Pauline Paula Netheim, Foto: C. Timper

HIER WOHNTE
PAULINE PAULA
NETHEIM
GEB. GROEGER
JG. 1874
DEPORTIERT 21.9.1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Julius und Pauline Netheim lebten bis zu ihrer Deportation am 16. September 1942 in der Fredericiastraße 8 im Gartenhaus.
Julius Netheim wurde am 18. April 1876 im lippischen Lemgo geboren, seine Eltern hießen David und Helena Netheim. Er war Ingenieur. Seit dem Ersten Weltkrieg (1914-1918), an dem er als Soldat teilgenommen hatte, war er kriegsversehrt.
Am 21. September 1942 ist er im Alter von 66 Jahren vom Bahnhof Grunewald aus in einem Waggon mit 100 anderen jüdischen Menschen nach Theresienstadt deportiert worden und dort im völlig überfüllten Ghetto unter grauenvollen Umständen am 12. Mai 1943 ums Leben gekommen.
Seine Frau Pauline Netheim, geb. Groeger, die Paula gerufen wurde, ist am 25. Januar 1874 in Breslau in Schlesien geboren. Sie wurde wie ihr Mann aus der Wohnung verschleppt, ins Sammellager an der Großen Hamburger Straße gebracht und am 21. September 1942 vom berüchtigten Gleis 17 nach Theresienstadt gefahren. Es war der 66. Transport aus Berlin in die böhmische Stadt, wo die Nazis ein Ghetto für Juden eingerichtet hatten.
Mehr als eineinhalb Jahre später und ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes ist sie am 16. Mai 1944 ins Vernichtungslager Auschwitz weitertransportiert worden, wo sie bald danach umgebracht wurde.
Julius Netheim hatte eine Schwester namens Clara Rosenberg, geb. Netheim, geboren am 8. Mai 1873 in Lemgo. Aus Dokumenten des Entschädigungsamtes in Berlin geht hervor, dass sie die einzige Angehörige war, die das Verbrechen der Judenverfolgung durch die Nazis überlebte.

Text: Joachim Bentrup, Christiane Ehrhardt

Dr. Christine Ehrhardt, Bewohnerin des Hauses Fredericiastraße 8, hielt zur Verlegung der beiden Stolpersteine diese Ansprache:

p(. „Wir sind heute hier zusammengekommen, um Julius und Pauline Netheim zu gedenken, die in unserem Haus gelebt haben. Ein Ehepaar, das sich bestimmt darauf gefreut hat, den Lebensabend in diesem schönen, damals recht neu gebauten Haus zu verbringen. Doch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft entriss die Netheims diesem Haus. Im September 1942, als sie 66 und 68 Jahre alt waren, wurden sie deportiert und später ermordet.

p(. Mit den heute gesetzten Stolpersteinen holen wir die Verfolgten zurück in die Hausgemeinschaft. Ihre Namen, Julius und Pauline Netheim, sind nicht vergessen.

p(. Jeden Tag werden wir nun diese beiden Steine mit ihren Namen passieren. Wir werden nachschauen, ob die Steine noch da sind, ob sie nicht von Blättern bedeckt sind. Wir werden sie putzen, damit die Worte immer gut zu lesen sind. Dazu werden wir so manches Mal den Blick senken, den Nacken beugen, ja uns verbeugen, niederknien, um ein paar Blumen hinzulegen.

p(. Beim Hinausgehen aus dem Haus, beim Wieder-Hineingehen nehmen wir sie mit auf unseren Weg und damit hinein in unser Leben.“

Sabine Schulz, ebenfalls Bewohnerin der Fredericiastr. 8, erinnert sich:

p(. Als ich im Juli 1977 meine Wohnung im Gartenhaus bezog, kam ich in Kontakt mit meinem Nachbarn, Herrn Kliffmüller. Er war Witwer und bereits über 80 Jahre alt. Ich besuchte ihn häufig, da er die Wohnung schon bald nicht mehr verließ; er konnte nicht mehr gut laufen.

p(. Das Ehepaar Kliffmüller war ca. 1935 von Frankfurt nach Berlin gezogen und wohnte im Gartenhaus der Fredericiastraße 8. Schnell freundeten sich die Ehepaare Kliffmüller und Netheim an. Auch als der strenge Blockwart den Mitbewohnern den Umgang mit den „Juden“ verbot, schlichen Kliffmüllers abends im Dunkeln durchs Treppenhaus zu den Netheims. „Wir saßen mit den ‘alten Leutchen‘ im Dunkeln zusammen und unterhielten uns leise“, berichtete mir Herr Kliffmüller.

p(. Ein Keller im Gartenhaus war zu einem Schutzkeller vor den Bomben hergerichtet worden. Diesen Keller durften die Netheims nicht benutzen. Der Blockwart kontrollierte regelmäßig.

p(. Als Herr Kliffmüller eines Tages im September 1942 von der Arbeit nach Hause kam, waren die Netheims nicht mehr da.