HIER WOHNTE
FRIEDRICH RAPHAEL
JG. 1919
DEPORTIERT 17.5.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
Friedrich Hermann Raphael wurde am 6. Dezember 1919 als Sohn des 38-jährigen Paul Raphael (geboren 18. März 1881) und der 21-jährigen Herta Raphael, geborene Schweitzer (geboren 25. Febraur 1898), in Berlin geboren. Seine Eltern stammten beide aus Kreutzburg in Oberschlesien (heute Kluczbork in Polen). Dort hatten sie am 19. Januar 1919 auch geheiratet. Paul Raphael hatte an der Universität in Kiel Pharmazie studiert und arbeitete zu der Zeit als Direktor in einem chemischen Laboratorium in Berlin in der Uhlandstraße 76.
Seine Kindheit verlebte Friedrich, den sie Fritz und später Freddy nannten, hauptsächlich in der Uhlandstraße 36 in Berlin-Wilmersdorf, wo die Familie wohnte und teilweise auch arbeitete. Sein Vater entwickelte Anfang der 1920er-Jahre das klinisch erprobte Mittel Emulgenol gegen Keuchhusten und gründete 1928 die Firma Chemisches Laboratorium Paul Raphael Chemie und Drogeriewaren (Industrie).
1933 zogen die Familie und die Firma in eine große luxuriöse Parterre-Wohnung in der Luitpoldstraße 39 in Berlin-Schöneberg. Friedrich, der damals 13 Jahre alt war, wurde durch die Nationalsozialisten zunehmend ausgegrenzt.
Mit 15 Jahren, 1935, lernte er seine spätere Frau Eva Levy kennen und lieben. Er lud sie auf sein Segelboot am Wannsee ein. Zu diesem Zeitpunkt besuchte die 12-jährige Eva noch die Cecilienschule zu Berlin-Wilmersdorf, eine höhere Mädchenschule am Nikolsburger Platz 5.
Eva lebte mit ihrer Familie in einer 14-Zimmer-Wohnung am Nikolsburger Platz 3, heute Trautenaustraße 6. In diesem Haus war sie am 28. Dezember 1922 geboren worden und wohlbehütet aufgewachsen. Ihr Vater Albert Louis Levy war ein erfolgreicher, wohlhabender Kaufmann und betrieb in der Schöneberger Straße 25 die Firma P. Kosterlitz & Co, ein Kolonialwarenhaus engros. Ihre Mutter Elisabeth Hedwig Levy, geborene Moses, war 19 Jahre jünger als ihr Vater. Er hatte sie ein Jahr nach dem plötzlichen Tod seiner ersten Ehefrau 1921 geheiratet, damit auch seine drei Kinder aus erster Ehe versorgt waren. Am 15. Januar 1924 bekam Elisabeth ein zweites Kind, den Sohn Stefan.
Evas älterer Halbbruder Gerhard wanderte 1935 mit seiner Ehefrau nach Palästina aus. Für ihren Vater Albert Louis kam eine Auswanderung nicht in Frage. Er fühlte sich zu alt für einen Neuanfang in einem fremden Land. Außerdem sprach er nur Deutsch und keine Fremdsprache.
Anfang 1938, einen Tag nach dem Entzug seines Geschäftes durch die Nationalsozialisten, starb Evas Vater mit 55 Jahren an einem Herzinfarkt. Ihre älteste Halbschwester Käthe wanderte kurze Zeit später auf der St. Louis nach Argentinien aus. Im November 1938 wurde durch einen Erlass jüdischen Schülerinnen und Schüler der Besuch von öffentlichen Schulen untersagt. Ihr Bruder Stefan wurde daraufhin auf ein Internat nach Schweden geschickt. Von hier aus flüchtete er später nach Palästina.
Friedrich und Eva verlobten sich Ende 1938 nach der Reichspogromnacht und heirateten am 9. Februar 1939. Friedrichs Eltern und Evas Mutter mussten dieser Ehe zustimmen, da damals die Volljährigkeit erst mit 21 Jahren eintrat. Sie feierten eine große traditionelle jüdische Hochzeit in der Wohnung am Nikolsburger Platz 3 und gründeten hier auch ihren ersten eigenen Haushalt. Getraut wurden sie von einem mit Friedrich verwandten Rabbi. Bei der Minderheitenzählung am 17. Mai 1939 waren sie noch hier gemeldet, hatten aber schon die Kündigung der Wohnung in der Tasche. Kurz darauf zogen sie zu Friedrichs Eltern in die Luitpoldstraße 39 in Berlin-Schöneberg.
Friedrichs Vater starb am 2. August 1939 mit 58 Jahren an einem Schlaganfall. 1941 wurde seine Firma im Handelsregister gelöscht. Seine Mutter Hertha wurde mit 41 Jahren Witwe.
Kurz vor dem II. Weltkrieg, am 14. August 1939, gelang Evas Halbschwester Lotte noch die Ausreise nach Palästina.
Friedrich und Eva wurden am 11. Juli 1940 Eltern einer gesunden Tochter. Es waren nur noch wenige Namen für jüdische Kinder erlaubt. Der Name Reha gehörte dazu, deshalb entschieden sich die beiden für diesen Namen.
Im Spätsommer 1941 zog Friedrichs 67-jährige Großmutter Paula Schweitzer ebenfalls in die Luipoldstraße 39. Sie wurde 1942 als erste der Familie deportiert. Mit dem 3. Großen Alterstransport am 3. Oktober 1942 transportierte die Gestapo sie in das Ghetto Theresienstadt. Aufgrund der unmenschlichen Verhältnisse im Ghetto starb sie dort am 4. Februar 1943.
Ab 1941 mussten Friedrich und Eva Zwangsarbeit bei der Firma Siemens leisten. Reha kam in eine Kindertagesstätte. Ab September 1941 war das gut sichtbare Tragen des gelben Sterns verpflichtend. So waren Juden und Jüdinnen für die damals beginnenden planmäßigen Deportationen in den Osten für die Nationalsozialisten gekennzeichnet. Es gab Gerüchte, dass junge Familien mit Kindern zuerst in Arbeitslager deportiert werden sollten. Um dieser Maßnahme zu entgehen, mussten Friedrich und Eva ihr Kind anderweitig unterbringen. Margret, eine Arbeitskollegin von Evas Mutter im Jüdischen Krankenhaus, bot an, Reha bei Freunden, die selbst viele Kinder hatten, in Ostpreußen auf dem Land zu verstecken.
Friedrichs Mutter Herta war der Überzeugung, dass, wenn das Kind nicht bei ihnen sei, alle erschossen würden. Als Eva diese Spannungen nicht mehr aushielt, wollte sie die Scheidung von Friedrich, der schließlich einwilligte.
Eva zog nach der Scheidung mit Reha zur Untermiete bei der jüdischen Familie Förder in der Münchener Straße 23 in Berlin-Schöneberg ein. Von Arbeitskollegen wurde sie angesprochen, ob sie Widerstand gegen die Nationalsozialisten leisten würde. Um ihr Kind nicht in Gefahr zu bringen, entschied sie sich, Margrets Angebot anzunehmen. Sie übergab Reha in einer Nacht-und-Nebel-Aktion 1941 an Margret auf dem Bahnhof Zoo.