Martha Petuchowski, geb. Lommitz , wurde am 16. Juli 1876 in Breslau/Wrocław geboren. Sie war verheiratet mit dem Kaufmann Bernhard Petuchowski , der am 21. Januar 1870 in Wilna geboren wurde und vermutlich Ende 1938 oder 1939 starb. Ihm stand eine bescheidene Rente zu, von der seine Witwe lebte. Martha Petuchowski blieb in der Regensburger Str. 16, wo das Ehepaar seit 1933 im Seitenflügel, parterre rechts, in einer 3-Zimmer-Wohnung mit Küche und Bad gewohnt hatte. Ihr Restvermögen nach der Deportation wurde auf 600 Reichsmark geschätzt.
Zur Untermiete bei Martha Petuchowski wohnte Adolphine Wiener , geboren als Adolphine Cohn am 25. Juni 1879 in Odessa. Über sie ist nichts bekannt. Ein weiteres Zimmer bei Martha Petuchowski bewohnte Bertha Hirschfeld , geboren als Bertha Fersenheim am 16. September 1873 in Berlin. Sie trat am 17. Februar 1919 aus der Jüdischen Gemeinde aus und der evangelischen Kirche bei. Es gibt eine Karteikarte, die vermutlich 1939 in Zusammenhang mit der Bildung der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland angelegt wurde. Diese weist aus, dass sie nach nationalsozialistischer Definition nach wie vor als Jüdin galt und zwangsweise Mitglied der Reichsvereinigung sein musste.
Die drei Frauen wurden gemeinsam am 25. Januar 1942 vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald in einem Güterzug nach Riga deportiert. Fünf Tage dauerte die Fahrt bei eisigem Frost. Viele der 1004 Insassen waren bei der Ankunft auf dem Bahnhof Šķirotava schon erfroren. Andere, die wegen der Dauerkälte körperlich und geistig angeschlagen waren, wurden sofort nach der Ankunft erschossen. Insgesamt sind im Winter 1941/42 mehr als 15 000 namentlich bekannte Juden nach Riga deportiert worden.
Hermann Kroner , geboren am 19. März 1906, und Lieselotte Kroner , geb. Oppenheimer, geboren am 13. Juli 1905 in Leipzig, sind ebenfalls in dem Todeszug am 25. Januar 1942 nach Riga deportiert worden. Wahrscheinlich gehörte Hermann Kroner, der erst 35 Jahre alt war, zu denjenigen, die bei der Ankunft als „arbeitsfähig“ aussortiert wurden. Sein Todestag war, wie sich aus 2012 aufgefundenen Akten ergibt, der 4. Juli 1942.
Die Familie Katz war eine einfache Familie. Leo Katz ist am 5. September 1899 in Posen geboren, er war im Transportmittelhandel tätig. Seine Frau Cäcilie Katz , geb. Silberherr, arbeitete als Stenotypistin für monatlich 175 Reichsmark in der Gesundheitsabteilung einer nicht näher bezeichneten Institution. Sie wurde am 28. Juli 1902 in Odessa geboren. Beide hatten eine Tochter Alice Paula , geboren am 7. Januar 1931 in Berlin.
Der letzte Anstellungsvertrag von Leo Katz bei der Firma Bräunig & Stahlberg, Friedrichstraße 103, die Feldbahnen herstellte und verkaufte, endete am 29.11.1940. Zehn Tage später, am 9.12.1940, wurde er als Zwangsarbeiter bei der Lack- und Farbenfabrik Warnecke & Böhm in Weißensee eingesetzt. Dort musste er als Transportarbeiter schuften, sein Wochenlohn betrug 30 RM bei einer Arbeitszeit von 48 Stunden in der Woche, plus sechs Stunden, die er zusätzlich zu leisten hatte – „freiwillig“, wie es hieß.
Die Firma W & B, die Schutzanstriche für die Rüstungsindustrie herstellte, war berüchtigt, denn bei der kleinsten Beschwerde über die katastrophalen Arbeitsbedingungen, der Bitte nach einigen unbezahlten freien Tagen oder Stunden oder gar nach einer Fehlzeit bei Krankheit meldete die Geschäftsleitung die Zwangsarbeiter, um sie zur Deportation freizugeben. Selbst bei Bitten um eine freie Stunde, in der sie ihre Lebensmittelkarten einlösen könnten, wurden sie drangsaliert und gnadenlos angezeigt. Eine Sonderausstellung des Bezirksamts Pankow (2011-30.3.2013) hat diese Zustände bei W & B sichtbar gemacht und dokumentiert, wie viele behördliche und innerbetriebliche Stellen an dem System der Zwangsarbeit beteiligt gewesen sind.
Am 27.2.1943 erhielt Leo Katz den Zwangsausschluss aus der Krankenkasse AOK mitgeteilt. Als Grund wurde genannt: „evakuiert“. Kurz darauf, am 9.3.1943, unterschrieben Leo und Cäcilie Katz unter Zwang eine Vermögenserklärung. Er unterzeichnete das Formular auch für die gemeinsame Tochter Alice, die elf Jahre alt war. Das Restvermögen der Familie gaben sie mit 261,25 RM an, es wurde auf ein Konto der Dresdner Bank überwiesen, die den Eingang bestätigte.
Am 12.3.1943 wurden die drei in einem mit 941 Menschen besetzten Zug vom Bahnhof Grunewald nach Auschwitz deportiert. 218 Männer und 147 Frauen wurden als Häftlinge ins Lager eingewiesen. Die anderen fast 600, darunter alle Kinder, wurden in den Gaskammern getötet.
Recherchen: Gabriele Ziffer, Text: Helmut Lölhöffel, ergänzt von Helga Gläser